Ausstellungshalle für Alten Südfriedhof: Wissenschaftler untersuchen Gräber

Isarvorstadt · »Echtes Freilichtmuseum«

John Ziesemer und Claudia Denk vermessen das Grab von Justus von Liebig. Im Herbst werden sie ihre Arbeit am alten Nordfriedhof fortsetzen.	Foto: js

John Ziesemer und Claudia Denk vermessen das Grab von Justus von Liebig. Im Herbst werden sie ihre Arbeit am alten Nordfriedhof fortsetzen. Foto: js

Isarvorstadt · Justus von Liebig, Leo von Klenze und die Familie Pschorr – auf dem alten Südfriedhof liegen Münchner Persönlichkeiten von Rang und Namen begraben. Die Kunsthistoriker John Ziesemer und Claudia Denk haben die Gräber nun untersucht und festgestellt: Viele der letzten Ruhestätten wurden von hochkarätigen Künstlern gestaltet. Um den Bürgern die Bedeutung des Ortes näherzubringen, soll im Oktober in der Aussegnungshalle ein neues Museum eröffnen.

Anschließend wollen die Wissenschaftler den alten Nordfriedhof erforschen.

»Der Südfriedhof ist ein echtes Freilichtmuseum«, sagt Denk. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Ziesemer hat sie die rund 5.000 Gräber im Rahmen eines Forschungsprojekts des Bayerischen Nationalmuseums vermessen und untersucht. Justus von Liebig, der mit der Entdeckung industriell herstellbarer Düngemittel die Landwirtschaft revolutioniert hat, der berühmte klassizistische Architekt Leo von Klenze und die alteingesessenen Münchner Brauerfamilien Pschorr und Matthäser fanden im 19. Jahrhundert hier ihre letzte Ruhe.

Nicht minder bekannt sind die Künstler, die Grabsteine, Tafeln und Statuen dort geschaffen haben. »Wir waren überrascht, wer hier alles Hand angelegt hat«, berichtet sie. Zu den Schöpfern der Grabstätten zählen unter anderem die Bildhauer Ludwig Michael von Schwanthaler und Johann Baptist Stiglmaier sowie der Architekt Friedrich von Gärtner. Geschichtlich sei das Nebeneinander von Adel, Künstlern und Unternehmern ein Beleg für den Aufstieg des Bürgertums, sagt Denk: »Wer sich hier beerdigen lassen konnte, hatte wirklich Geld.« Viele der Gräber hätten damals in etwa so viel gekostet wie eine große Villa, erklärt Ziesemer. Vor allem die Brauer, die damals im Magistrat noch nicht vertreten gewesen seien, hätten sich so Ansehen und Einfluss erkauft. Im Krieg sind jedoch große Teile des Friedhofs zerstört worden. »Wo jetzt die Mauer ist, waren früher Arkaden«, berichtet Ziesemer.

Bei der Wiederherstellung in den 50er-Jahren habe der Architekt Hans Döllgast die Fragmente aber abgetragen. »Vielleicht ist er damit etwas zu weit gegangen«, gibt Ziesemer zu Bedenken. Anschließend sei der Friedhof in Vergessenheit geraten. Obwohl er seit den 70er-Jahren unter Denkmalschutz steht, überwucherten Gräber und Statuen mit Efeu, die Anwohner nutzten die Fläche als Erholungsraum. »Das repräsentative Grabmahl war im 20. Jahrhundert verpönt, es galt als vermieft und prahlerisch«, sagt Denk. Anfänglich sei daher auch das Forschungsvorhaben bei der Bevölkerung auf Widerstand gestoßen. »Die Anwohner haben sich lange dagegen gewehrt«, erinnert sich Ziesemer. Viele hätten befürchtet, dem Ort werde der romatische Charakter genommen, wenn man das Efeu entferne. »Die Gräber und Statuen sind aber viel zu wertvoll, um sie überwuchern zu lassen«, mahnt er.

Um den Bürgern die historische Bedeutung des Südfriedhofs zu zeigen, arbeiten die Forscher derzeit an der Konzeption eines Museums, das im Herbst eröffnen soll. Ausgestellt werden dort unter anderem Statuen und Relieffe, die keinem der Gräber zugeordnet werden konnten. Noch dieses Jahr werden Denk und Ziesemer außerdem mit der kunsthistorischen Untersuchung des Alten Nordfriedhofs in der Arcisstraße beginnen. »In ein paar Wochen werden die Gräber freigeschnitten, dann kann es losgehen«. J. Stark

Artikel vom 01.09.2009
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