Mahnmal soll an Todeszug vom April 1945 erinnern: Ausstellung im Rathaus

Poing · Gegen das Vergessen

In Seeshaupt erinnert bereits ein Mahnmal an den »Todeszug«. Und so soll es auch in Poing geschehen und an die tragischen Stunden dort erinnern. 	F.: Privat

In Seeshaupt erinnert bereits ein Mahnmal an den »Todeszug«. Und so soll es auch in Poing geschehen und an die tragischen Stunden dort erinnern. F.: Privat

Poing · Fünf Jahre hat es von der Idee bis zur Verwirklichung gedauert, doch mit der jüngsten Gemeinderatssitzung ist die Entscheidung gefallen: Einstimmig haben sich die Gemeinderäte aller Fraktionen dafür ausgesprochen, dass auch Poing ein Mahnmal erhalten soll. Dieses Mahnmal soll dazu dienen einen Teil der Geschichte ins Gedächtnis zurückzurufen, als Poing der Ort eines Massakers war, aber auch die Erinnerung an außergewöhnliche Zivilcourage seiner Bürger in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges.

Seit 16. Oktober und bis zum 16. Dezember ist im Rathaus eine außergewöhnliche Ausstellung zu sehen, die den Namen »Der Todeszug« trägt. Zusammengestellt wurde sie von den Schülern des Franz-Marc-Gymnasiums unter der Leitung ihres Geschichtslehrers Heinrich Mayer. Auf sechs Schautafeln mit Bildern von Häftlingen und der Eisenbahnroute, Interviews mit Zeitzeugen, Presseartikeln und Archivmaterial haben die Schüler die Geschichte des Todeszuges dargestellt, der zwischen dem 25. und 30. April 1945 meist jüdische KZ-Häftlinge aus Mühldorf in Richtung Tirol bringen sollte. Die Route führte über Poing und Sees­haupt.

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Es war der Morgen des ­27. April 1945, als der Eisenbahntransport mit 3600 KZ-Häftlingen aus Mühldorf in Poing eintraf und wegen technischer Probleme liegen blieb. Als sich am Nachmittag unter der Wachmannschaft das Gerücht verbreitete, der Krieg sei zu Ende, begannen sie die Wagentüren zu öffnen. Die entkräfteten KZ-Häftlinge verließen den Zug und versuchten die Flucht. Doch ein Luftwaffenleutnant alarmierte eine in der Nähe befindliche SS-Einheit; Soldaten und Zivilisten trieben mit äußerster Brutalität die Häftlinge zurück. Nur eine Stunde dauerte der Ausbruch. Dabei kamen 50 Menschen ums Leben, 200 wurden verletzt. Doch 250 Häftlingen gelang die Flucht. Sie erhielten Lebensmittel, Kleidung, Geld von der Bevölkerung, einige wurden von mutigen Bauern sogar versteckt.

Der Zug setzte seinen Weg nach München fort, eine Hälfte fuhr nach Seeshaupt, die andere nach Tutzing. Die Gemeinde Seeshaupt hat 1995 eine Eisenplastik von Bildhauer Jörg Kicherer erstellt, die an die Befreiung der knapp 2000 KZ-Häftlinge am 30. April 1945 durch US-Soldaten erinnert. Erste Gespräche für ein Poinger Mahnmal fanden im August 2004 statt. Nun soll das geplante Mahnmal im Rahmen des 1150-jährigen Jubiläums am 27. April 2010 eingeweiht werden.

Dafür hat der Gemeinderat grünes Licht für einen landkreisweiten Künstlerwettbewerb gegeben. 10.000 Euro wurden dafür in den Haushalt eingestellt. »Es geht nicht nur um das Erschießen von Häftlingen, sondern auch darum, dass Poinger geholfen haben«, erinnerte Hans Niedermayer, früherer Direktor des Markt Schwabener Gymnasiums. Ein Mahnmal erfülle eine wichtige pädagogische Aufgabe angesichts zunehmender rechtsradikaler Tendenzen. Petra Tränkel

Artikel vom 03.11.2009
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