„Die rund 1000 zusätzlichen Demenzkranken, die wir bis 2029 im Landkreis haben werden, können nicht alle von Angehörigen versorgt werden“, so Dr. Hans Gnahn, Vorsitzender der Alzheimer Gesellschaft Landkreis Ebersberg, auf deren jüngstem Meinungsaustausch im AWO-Seniorenzentrum „Gertrud-Breyer-Haus“. Veranstalter und Besucher waren sich einig, dass nur durch gemeinsamen Einsatz verbesserte Rahmenbedingungen - wie günstiger Wohnraum - für Pflegekräfte geschaffen und damit die Attraktivität des Berufs erhöht werden könnten.
Dass Landkreis und Kommunen dabei mit gutem Beispiel vorangehen, machte an diesem Abend das Beispiel der Gemeinde Anzing deutlich. „Wir schaffen bezahlbaren Wohnraum für Mitarbeiter aus sozialen Einrichtungen wie dem Kindergarten und dem Seniorenzentrum, Baubeginn wird im Frühjahr 202o sein“, berichtete William Lord, Behindertenbeauftragter und Sprecher des Seniorenbeirats von Anzing den Mitgliedern der Alzheimer Gesellschaft und ihren Gästen. „Das Wichtigste ist, am Anfang die Einsicht zu haben, dass wir etwas tun müssen für die Menschen“, betonte der Anzinger. „Wir brauchen mehr Pflegekräfte und gleichzeitig wird der Wohnraum immer teurer“, unterstrich Dr. Gnahn. Umso mehr freute sich der Vorsitzende der Alzheimer Gesellschaft, dass eines ihrer Mitglieder gleich zwei Wohnungen an Pflegekräfte vermieten wollte. Spontan stieß dieses Angebot schon bei Anwesenden in der Runde auf starkes Interesse. Sehr positiv aufgenommen wurde von der Runde auch das Angebot zweier Mitglieder des Kreistages, Landrat Robert Niedergesäß zu fragen, ob er eine Möglichkeit für eine Koordinationsstelle für bezahlbaren Wohnraum für Pflegekräfte im Landratsamt sehe.
„Bezahlbarer Wohnraum ist bei der Mitarbeitergewinnung ein schlagendes Argument, wenn man qualifizierte Kräfte sucht“, schilderte Werner Benningsfeld, Pflegedienstleiter im „Gertrud-Breyer-Haus“, seine Erfahrungen bei der im Bereich der Pflege ohnehin alles andere als leichten Personalsuche. Benningsfeld sprach im Zusammenhang mit dem Pflegenotstand ein weiteres Problem an: „Wo sind die Kräfte, die aus der Pflege rausgegangen sind?“, fragte er. Gerontopsychiatrische Fachkräfte würden zum Beispiel fünf Jahre ausgebildet. „Aber zu den Bedingungen, wie sie jetzt sind, kehren sie nie wieder in Berufsbild zurück, darüber wird überhaupt nicht gesprochen.“ Ein Zuhörer beklagte die mangelnde Wertschätzung für die Altenpflege. „Die Bewertung des Berufs erfolgt durch die Bezahlung“, sagte er. „Wenn diese nicht angemessen ist, will da auch keiner arbeiten.“ Während Werner Benningsfeld trotz bislang „noch fehlenden Lehrplans“ auf die Generalisierte Pflegeausbildung ab Oktober nächsten Jahres setzte, befürchtete eine Fachkraft aus der Spezialisierten Ambulanten Versorgung (SAPV), dass sich künftig noch weniger Absolventen als bisher für die Altenpflege entscheiden würden.
„Wir sind auf Ihrer Seite“, sagte Dr. Gnahn in Richtung Pflegekräfte, „Sie brauchen definitiv eine Lobby.“ Zugleich ermunterte er die in der Pflege Arbeitenden, sich zu organisieren. Denn: „Die Gesellschaft braucht Euch.“ Dass die Alzheimer Gesellschaft mitdenkt und handelt, bewiesen bei diesem Treffen nicht nur das Wohnungsangebot und Dr. Gnahns Appell an Vermieter im Landkreis, zu schauen, ob sie nicht bezahlbaren Wohnraum für Pflegekräfte zur Verfügung stellen könnten, sondern auch ein höchst praktischer Tipp. Helga Czekalla, Mitglied der Alzheimer Gesellschaft, beeindruckte die Anwesenden mit einem besonderen Helfer: Die kleine, grüne Notfalldose hält im Fall des Falles für Rettungskräfte und Notarzt alle nötigen Unterlagen parat. Hier finden die Helfer alle notfallrelevanten Informationen zu Erkrankungen, Allergien, Medikationen und weitere wertvolle Hinweise wie etwa auf Patientenverfügung oder Organspende-Ausweis. „Jeder Notarzt weiß, wo er nach einer Notfalldose schauen muss“, sagte Helga Czekalla. Standardmäßig sei das Getränkefach des Kühlschranks als Aufbewahrungsort für die in Apotheken, beim VdK oder im Internet erhältlichen Dosen vereinbart. Aufkleber auf Kühlschrank und Eingangstür würden zudem auf die kleinen Lebensretter hinweisen, so die ihren kranken Mann betreuende 77-Jährige. „Ich fühle mich erleichtert mit der Notfalldose, sie ist gut für den zu Betreuenden, aber auch für den Betreuer“, so die Ebersbergerin.
Ina Berwanger