Über 40 Prozent der Wahlberechtigten haben sich auch diesmal wieder rausgehalten und haben sich für keine der angetretenen Parteien entschieden. Die 58,1 Prozent der bayerischen Bürgerinnen und Bürger, die am Sonntag bei der Landtagswahl ihre Kreuzchen gemacht haben, haben die CSU unsanft aus ihrem Traum vom ewigen Alleinherrschaftsanspruch in Bayern geweckt: 50 Prozent minus X sind es geworden, und das X hat die Höhe von 6,6. Ein Wahlergebnis von 43,4 Prozent hatten die CSU-Politiker in ihren schlimmsten Alpträumen nicht befürchtet. „Die CSU erhält die verdiente Quittung für ihre arrogante und abgehobene Politik”, kommentiert Anke Wittmann, Vorsitzende der Münchner Grünen.
Trotz des „politischen Erdbebens” hat sich in einem jedoch nichts geändert: Die Direktmandate gingen wieder an die CSU. Fast alle. 90 von 91. Möchtegern-Ministerpräsident Franz Maget ist der einzige SPD-Bewerber, der in seinem Stimmkreis, Milbertshofen, die Mehrheit der Erststimmen gewinnen konnte (39,9 Prozent, Roland Hoffmann von der CSU bekam 26,6 Prozent).
In anderen Münchner Stimmkreisen war es denkbar knapp: Ludwig Spaenle erreichte in Schwabing gerade mal 28,7 Prozent der Erststimmen, SPD-Bewerberin Isabell Zacharias 27,7 Prozent. Im selben Stimmkreis kam Grünen-Fraktionsvorsitzende Margarete Bause auf 18,1 Prozent und verfehlte damit klar ihr erklärtes Wahlziel, das erste grüne Direktmandat zu erobern. Spaenle hat also davon profitiert, dass sich die Konkurrenz auf die zwei Frauen aufgeteilt hat. Zwar haben 45,8 Prozent der Wähler Zacharias oder Bause gewählt und nur 28,7 Prozent Spaenle, trotzdem ist er aber der Sieger. So ist nun mal das Wahlrecht.
Auch in den anderen Münchner Stimmkreisen haben die CSU-Direktkandidaten davon profitiert, dass sich die Konkurrenz aufgesplittet hat. Die Bewerber von FDP und den Grünen haben fast überall zweistellige Ergebnisse erzielt. Ärgerlich für die SPD-Kandidaten: Hätten sie diese Stimmen auf sich ziehen können, dann hätten sie überall der CSU die Direktmandate abgenommen.
Die Zeiten von 50 plus X sind nämlich auch für die CSU-Stimmkreiskandidaten vorbei. In Altstadt-Hadern siegte Georg Eisenreich mit lediglich 30,7 Prozent der Erststimmen vor Ludwig Wörner (SPD, 27,8 Prozent), Theresa Schopper (Grüne, 15,5 Prozent) und Annette Bulfon (FDP, 13,0 Prozent). In Bogenhausen gewann Thomas Zimmermann mit nur 31 Prozent vor Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD, 27,2 Prozent), Ludwig Hartmann (Grüne, 15,9 Prozent) und Otto Bertermann (FDP, 14 Prozent). Etwas besser schnitt im Stimmkreis Moosach Joachim Unterländer mit 34,7 Prozent ab, aber auch sein Vorsprung vor Diana Stachowitz (SPD, 30,4 Prozent) ist recht dünn. Johannes Hohenthaner von der FDP holte hier 12,1, Martin Schmid von den Grünen 7,9 Prozent. Das beste Münchner Erststimmen-Ergebnis hat in Ramersdorf Markus Blume mit 37,9 Prozent.
Im Stimmkreis Pasing holte Umweltminister Otmar Bernhard das Direktmandat mit 36,9 Prozent der Erststimmen, das ist das zweitbeste Münchner Stimmkreis-Ergebnis. Bernhard ließ Florian Ritter von der SPD mit 27,4 Prozent hinter sich. Auch hier haben die Grünen (10,8 Prozent für Nikolaus Hoenning) und die FDP (Reinhold Berger, 12 Prozent) zweistellige Ergebnisse eingefahren.
Die Freien Wähler, die großen Überraschungssieger der Landtagswahl, haben in der Stadt München nicht die Bedeutung erlangt, die sie im ländlichen Raum haben.
Welche Münchner Abgeordneten von SPD, Grünen, FDP und Freien Wählern über die jeweilige Liste in den Landtag einziehen, wird erst am heutigen Mittwoch, 1. Oktober, auf der Internet-Seite des Landeswahlleiters www.landtagswahl2008.bayern.de veröffentlicht.
Otmar Bernhard ist auch Vorsitzender des Münchner CSU-Bezirksverbands und hat schon am Montag den Rücktritt von Generalsekretärin Christine Haderthauer gefordert. Die Partei müsse nun sorgfältig analysieren, inwieweit Personen oder Inhalte oder beides für die hohen Verluste verantwortlich seien, sagte Bernhard. Parteichef Erwin Huber kündigte am gestrigen Dienstag seinen Rücktritt als CSU-Chef beim Parteitag am 25. Oktober an. Auch Haderthauer wird gehen müssen. Günther Beckstein will Ministerpräsident bleiben und Koalitionsverhandlungen führen.