Eigentlich sollte das bayerische Sozialministerium in jeder Legislaturperiode einen Bericht über die soziale Lage der Menschen in Bayern erstellen, das hat der Landtag vor Jahren beschlossen. Zehn Jahre hat es nun aber gedauert, bis er endlich kam. Die neue Ministerin Christine Haderthauer hob bei der Vorstellung die positiven Erkenntnisse hervor: Bayern sei ein „im nationalen und internationalen Vergleich sehr wohlhabendes Land mit sehr hoher Lebensqualität und attraktiven Lebensbedingungen. So war 2003 das Nettovermögen je Haushalt in Bayern 24 Prozent höher als in Westdeutschland.” Im Durchschnitt. Das schöne Geld ist aber ungleich verteilt: Zwei Drittel des gesamten Vermögens gehören nur einem Fünftel der Bevölkerung. Dagegen besitzen 30 Prozent der Haushalte zusammen gerade mal ein Prozent des Gesamtvermögens.
In Bayern sind elf Prozent aller Menschen von Armut bedroht. Besonders hoch ist das Risiko bei den Alleinerziehenden mit 23 Prozent und den Rentnern mit 18 Prozent. „Es ist erschreckend, wie weit die Kluft zwischen Arm und Reich im Freistaat gewachsen ist”, kommentierte die sozialpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion Renate Ackermann. Die Grünen haben den 2. Bayerischen Sozialbericht als Beleg für die wachsende soziale Schieflage in Bayern bezeichnet.
Auch die SPD sparte nicht mit Kritik an der Regierungspolitik: „Wir stellen keine Fortschritte bei unseren Kernkritikpunkten fest: Nach wie vor verzeichnen wir ein enormes Süd-Nord-Gefälle bei Erwerbseinkommen und Renten, Bildung, Schulabschlüssen und auf dem Arbeitsmarkt”, erklärte SPD-Sozialsprecherin Christa Steiger. Hier einen gerechteren Ausgleich in Bayern zu schaffen, werde eine wichtige Aufgabe der Politik bleiben. Eine besonders starke Zunahme stellt die Sozialpolitikerin auf dem Niedriglohnsektor fest. „Immer mehr Menschen müssen von einem sehr geringen Einkommen leben. Ein Mindestlohn ist hier das Gebot der Stunde”, so Steiger.
Bestätigt haben die vorliegenden Daten die starke Abhängigkeit von Bildungschancen und familiärer Herkunft. Nur 12,2 Prozent der Studierenden stammen aus Familien mit niedrigem Einkommen, 41 Prozent dagegen aus einem wohlhabenden Elternhaus. Damit liegt Bayern schlechter als der Bundesdurchschnitt (Bund: 37 Prozent aus reichen Familien, 13,2 aus Familien mit niedrigem Einkommen). „Dabei ist gerade der Zugang zu Bildung entscheidend dafür, aus der Armutsfalle herauszukommen”, so Grünen-Sprecherin Renate Ackermann.
Auch die SPD sieht hier deutlichen Handlungsbedarf. „Der Sozialbericht zeigt deutlich, dass der Zugang zu Bildung immer noch mehr vom Geldbeutel der Eltern abhängig ist als von den Fähigkeiten der Kinder”, so Christa Steiger.
Die Grünen nannten die neue Fassung des Sozialberichts, der erstmals 1998 aufgelegt wurde, überfällig: „Mehr als zehn Jahre hat die Staatsregierung die Augen vor der sozialen Wirklichkeit in Bayern verschlossen und die Erstellung des Sozialberichts verschoben und verzögert. Die vorliegenden Daten sind jetzt die Quittung dafür, dass man es über Jahre hinweg ganz offensichtlich nicht so genau wissen wollte.”
Der 800 Seiten starke Bericht, den das Ministerium zusammen mit acht Instituten erstellte, hat eine halbe Million Euro gekostet und soll als Grundlage für die künftige Sozialpolitik dienen. Sozialministerin Haderthauer versprach, künftig jährlich einen „kleinen Sozialbericht” vorzulegen, der sich auf die „wichtigen Schwerpunkte” beschränkt.