Veröffentlicht am 15.07.2011 00:00

München · „Am liebsten jeden Abend“


Von red
Da können die deutschen Nationalspielerinnen nur neidisch schauen: Natascha Koske (l.) und Claudia Huber mit dem Pokal für die Vizemeisterschaft der Damen-Bundesliga der vergangenen Saison.  (Foto: ikb)
Da können die deutschen Nationalspielerinnen nur neidisch schauen: Natascha Koske (l.) und Claudia Huber mit dem Pokal für die Vizemeisterschaft der Damen-Bundesliga der vergangenen Saison. (Foto: ikb)
Da können die deutschen Nationalspielerinnen nur neidisch schauen: Natascha Koske (l.) und Claudia Huber mit dem Pokal für die Vizemeisterschaft der Damen-Bundesliga der vergangenen Saison. (Foto: ikb)
Da können die deutschen Nationalspielerinnen nur neidisch schauen: Natascha Koske (l.) und Claudia Huber mit dem Pokal für die Vizemeisterschaft der Damen-Bundesliga der vergangenen Saison. (Foto: ikb)
Da können die deutschen Nationalspielerinnen nur neidisch schauen: Natascha Koske (l.) und Claudia Huber mit dem Pokal für die Vizemeisterschaft der Damen-Bundesliga der vergangenen Saison. (Foto: ikb)

Dass die deutschen Fußballerinnen am Sonntag nicht beim Finale der Heim-WM aufgelaufen sind, mag so manchen traurig stimmen – dem Boom des Frauenfußballs tut das sicher keinen Abbruch. Auch jenseits des grünen Rasens, nämlich beim Kickern, 1922 von einem Engländer als Patent angemeldet.

Der Sport, der aus der Kneipe kommt und in Österreich Wuzzeln genannt wird, Töggelen in der Schweiz, Knack im Saarland oder Tschüttala oder Tschuttikäschtala in Liechtenstein, boomt nämlich vor allem unter Mädchen und jungen Damen, auch in München. Und sie spielen nicht nur zur Gaudi, es geht um Punkte, Pokale und Platzierungen.

„Viele würden gern auf dem Rasen spielen, haben aber oft Angst vor der Härte und vor Verletzungen“, erklärt Raimund Seidl, der vor zehn Jahren „mit der Aufbauarbeit begonnen hat“, in Münchens Mekka der Tischkicker, dem Happy Billard in Martinsried. Mehr als 1.200 Akteure sind registriert, zu den 250 Aktiven gehören inzwischen mehr als zehn Prozent Frauen. Eine von ihnen ist Natascha Koske, seit neun Jahren im Team der Happy Tree Friends München. Zusammen mit Claudia Huber erkämpfte sie in der vergangenen Bundesliga-Saison im Doppel den zweiten Platz. Natascha, die in einem Jugendzentrum arbeitet, spielt seit ihrer Kindheit Tischfußball. Später wurde sie von einem Freund „mit dem Turniersport infiziert“. Was die 29-Jährige fasziniert: „Es spielen Junge und Alte, es bildet sich eine Gemeinschaft. Es ist einfach ein sozialer Sport“. „Komm doch mal mit“, meinte vor Jahren auch ein Bekannter zu Claudia, 32. Seither kommt die Realschullehrerin vom Kickerkasten kaum mehr los, „spielt so oft es geht, am liebsten jeden Abend.“ „Claudia ist meine starke Hinterfrau“, erklärt Natascha das Doppel, ein ideales Duo. Ihre beruflichen Voraussetzungen sind auch am Tisch erkennbar: Konzentration und Ausdauer, Geduld und Fingerspitzengefühl, ein gutes Auge für die Situation, Ruhe und Reaktionsvermögen.

Biergartenwetter an einem Donnerstag, trotzdem finden sich drei Dutzend Interessierte ein, bezahlen fünf Euro Startgebühr. Ein Euro wandert in den Jackpot für einen Wettkampf am Jahresende, die restliche Summe wird abends ausgeschüttet: 50 Prozent an den Sieger, 30 bzw. 20 Prozent an den Zweiten und Drittplatzierten. Immer montags (Doppel) und donnerstags (Einzel) finden an den sechs Tischen, blaue gegen schwarze Figuren, Turniere für jedermann/-frau statt. Anfänger werden zugelost zu den diversen Spielereinstufungen.

Bis hoch zur zweigeteilten ersten – mit dem MFC München – und zweiten Bundesliga wird in vier Klassen an den Tischen, die es in neun verschiedenen und zugelassenen Ausführungen gibt, von Frauen, Männern, Junioren (bis 18 Jahre) und Senioren (ab 50 Jahre) um Punkte, Cups, Challenger, Länderpokale, um Deutsche Titel (seit 1967), Weltmeisterschaft und Weltranglisten-Zähler gekämpft. Mal solo oder zu zweit als Doppel: Eine Person bedient dann Torwart und die beiden Verteidiger, die andere das fünfköpfige Mittelfeld und den Sturm. Für den Laien kaum erkennbar, für den Experten auf den ersten Blick klar: Die von den Verbänden zugelassenen Tische haben verschiedene Platten und somit Untergründe, auf denen der Ball, die knapp golfballgroße Kugel, anders haftet und läuft. Und auch die metallenen Stangen, an denen die Spieler – im Fachjargon Puppen – aufgespießt, durch die Schultern durchbohrt und verankert sind, haben eine andere Führung. Bei einem Wettkampf wird allerorten nach den selben, strengen Regeln gespielt, vom Verband International Table Soccer Federation (ITSF), etwa Punkt 15: „Das Rundschlagen der Stange ist untersagt. Rundschlagen (Kurbeln) wird als Rotation einer Figur um mehr als 360 Grad definiert“. Ein „Ehrenkodex“ und die „Kleiderordnung“ regeln Verhalten und Erscheinungsbild der Spieler. Unter letzterem ist reglementiert: „Unzulässig sind anstößige Bekleidung, Trägerhemden, Denim oder Jeans jeder Art, ebenso Cargo-Hosen, körperenge Elasthan- oder Lycra-Hosen und -shorts. Auch Flip-Flops oder Sandalen dürfen nicht getragen werden, Sportschuhe sind Vorschrift.

Die wesentlichen Unterschiede zum Spiel auf Rasen: Es gibt kein Remis und keine Verlängerung, keine Auswechselspieler, kein Abseits, keine Eckfahne und keine simulierten Verletzungspausen – kurzum: es läuft runder als auf dem Grün. Ein Foul ist eine Regelverletzung, ein Technisches Foul eine Unsportlichkeit.

Die Chance einer technischen Unterbrechung ist allerdings höher als im echten Stadion, wenn nämlich ein Akteur zu viel Power hat, eine Stange verbiegt oder eine Figur sich lockert oder gar durchdreht, sich einfach die Verschraubung löst. Der Extremfall: Ein Puppenbrecher.

Weitere Infos gibt es auch auf der Homepage des Deutschen Tischfußballbundes unter www.dtfb.de. Aktuelle Themen und Termine lesen Sie stets auf www.samstagsblatt.de .

I. Köhler-Blessing

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