Veröffentlicht am 01.06.2018 00:00

»Wir haben Vertrauen erworben«


Von red
Präsident des TSV München von 1860 e.V.: Robert Reisinger.  (Foto: Anne Wild)
Präsident des TSV München von 1860 e.V.: Robert Reisinger. (Foto: Anne Wild)
Präsident des TSV München von 1860 e.V.: Robert Reisinger. (Foto: Anne Wild)
Präsident des TSV München von 1860 e.V.: Robert Reisinger. (Foto: Anne Wild)
Präsident des TSV München von 1860 e.V.: Robert Reisinger. (Foto: Anne Wild)

Der TSV 1860 München ist nach dem Fall in die Regionalliga Bayern nach nur einem Jahr auf die bundesweite Fußballbühne zurückgekehrt. Die Münchner Wochenanzeiger sprachen mit Löwen-Präsident Robert Reisinger über seine Erfahrungen in der abgelaufenen Saison und die Zukunftspläne des Vereins.

Herr Reisinger, können Sie schon fassen, was passiert ist?

Direkt nach dem Spiel war ich etwas paralysiert. Aber das hat sich mittlerweile gelegt. Immerhin begleite ich die Löwen seit 1974. Als Kind in München bin ich Fan geworden, als Jugendlicher hab ich im Nachwuchs des TSV gespielt, als junger Erwachsener bin ich bei jedem Spiel in der Kurve gestanden, später wurde ich Business-Seat-Kunde, war Fußballabteilungsleiter, später Verwaltungsrat und heute bin ich Präsident. Ich hab also schon einiges auf dem Buckel mit diesem Verein. Emotionale Achterbahnfahrten mit den Löwen sind mir nicht fremd. Ich hab mich wahnsinnig gefreut über den Aufstieg, weil das für den Verein sehr sehr wichtig ist und damit ein Zeichen gesetzt wurde.

Welches Zeichen und an wen?

Das Zeichen, dass Sechzig nicht totzukriegen ist. Als Zeichen an alle, die diesen Verein lieben, egal wie oft er sie schon enttäuscht hat. Im vergangenen Sommer haben viele Menschen – Mitglieder, Sponsoren, Fans, aber auch die Stadtpolitik – in schwerer Stunde zum TSV 1860 gestanden und eine Fortführung in der Regionalliga ermöglicht. Sie erst haben den Rückenwind entfacht, mit dem wieder Fahrt aufgenommen werden konnte und sie wurden für ihr Engagement und ihr Vertrauen mit einer grandiosen Saison belohnt.

Sie selbst gelten nicht unbedingt als ein Mann großer Gesten.

Damit komme ich gut klar. Es ist mir ein Bedürfnis, Management, Spieler und Trainer in Ruhe arbeiten zu lassen, ohne ihr Tun öffentlich zu kommentieren und zu bewerten. Bei mir muss niemand fürchten, dass nach kürzester Zeit alles in Frage gestellt wird, was vorher für einen ganz anderen Zielzeitraum vereinbart war. Ich bin auch nicht der Typ Präsident, der in der Kabine auftaucht, polternde Ansprachen hält und sich selbst täglich auf einem Zeitungsfoto seiner Existenz versichern muss. Diese Auffassung teile ich mit meinen Vizes, die in dieser Frage genauso ticken wie ich. Selbstdarsteller ist hier keiner. Der Sport muss immer im Vordergrund stehen. Wenn Sechzig im Profifußball über eine sympathische Mannschaft verfügt, mit der sich unsere Fans und Unterstützer identifizieren können, Heimspiele austrägt, die auch tatsächlich welche sind, und dabei keinen wirtschaftlichen Harakiri-Kurs mehr fährt, ist mir das erstmal Zeichen genug.

Beim TSV 1860 waren aber in der Vergangenheit oft die schrillen Nebengeräusche interessanter als die Leistungen auf dem Platz.

Ja, leider.

Woran liegt das?

Worüber hätten Sie und Ihre Kollegen sonst schreiben sollen? Ich weiß, der TSV 1860 hat allein in den vergangenen zehn Jahren jeden Anlass geboten, den Sport in den Hintergrund treten zu lassen. Das war rundum hausgemacht. Mir ist durchaus klar, wie das Spiel im Profizirkus zwischen Vereinen, Medien und Öffentlichkeit läuft. Ich bin in der Hinsicht nicht naiv und verstehe auch die theatralen Aspekte und die Rollenzuschreibungen. Das ist eben Unterhaltungsbetrieb.

Sie haben Ahnung von Theatralik und Rollenzuschreibung?

Es mag manchen überraschen, aber ich bin ein großer Opernfan. Neben dem Fußball ist das meine zweite Leidenschaft. Ich hab weltweit Aufführungen in großen Häusern gesehen. Rein von der medialen Aufmerksamkeit her gehört der TSV 1860 München nach den Branchenriesen vermutlich zu den meistbeachteten Klubs in Deutschland. Das liegt an der Medienstadt München und eben auch an dem »großen Theater«, das der TSV regelmäßig bietet. Wenn es nach mir geht, darf das aber künftig gerne einen anderen Schwerpunkt haben – im Sportlichen, bitte!

Welche Oper kommt dem TSV 1860 am nächsten?

Sie stellen Fragen. Da könnte ich mich jetzt böse in die Nesseln setzen. Vielleicht schauen Sie bei der Opera buffa, da findet sich bestimmt was Passendes.

Kommende Saison stehen die Löwen wieder auf bundesweiter Bühne. Die Lizenz ist da?

Die Lizenz für die Dritte Liga wurde von der Geschäftsführung auf Basis einer konservativen Rechnung beantragt. Die Ausgaben sind von den Einnahmen gedeckt. Der TSV 1860 hat die Zulassung ohne finanzielle Auflagen erhalten. Es ist lange her, dass das zuletzt der Fall war.

Die Vertragsverlängerung für Trainer Daniel Bierofka und sein Team stand lange zur Disposition.

Es bestand intern nie ein Zweifel daran, dass man miteinander weiter machen will. Die Frage war lediglich in welcher Liga das am Saisonende sein würde und zu welchen Konditionen. Das hat sich mittlerweile aber auch geklärt.

Weil Hasan Ismaik über seinen Sprecher Athanasios Stimoniaris die Finanzierung zugesagt hat?

Nein. Die Aufwendungen für einen geeigneten Trainerstab waren selbstverständlich Teil der Saisonplanung. Wenn sich unser Mitgesellschafter wie angekündigt im Rahmen eines Sponsorings engagiert, würde das die Möglichkeit zusätzlicher Spielertransfers eröffnen. Es gibt eine Wunschliste der sportlichen Leitung, die beide Gesellschafter kennen. Dafür bräuchte es allerdings eine Etaterhöhung.

Sie würden das Geld auch annehmen?

Natürlich würden wir es annehmen – als Sponsoring. Wir konnten das Angebot nur bislang nicht prüfen, weil eben außer einer einseitigen Ankündigung nichts da ist. Jeder Schritt, den unser Mitgesellschafter unternimmt, um sein Investment zu stärken und es wieder werthaltiger zu machen, wird von uns ausdrücklich begrüßt, wenn daran keine Forderungen geknüpft sind, die Verbandsregularien, kaufmännischer Vernunft oder der Vereinsautonomie widersprechen. Wir haben doch als Gesellschafter alle ein gemeinsames Interesse – einen erfolgreichen TSV 1860 München. Ob das dann aus geschäftlichem Kalkül oder großer Liebe heraus erfolgt, ist mir ehrlich gesagt egal. Das Problem ist das Zeitfenster – kommt die Entscheidung zu spät, nützt sie niemandem mehr.

In Kommentaren ist gerne die Rede davon, die Gesellschafter müssten ihre »persönlichen Eitelkeiten« zurückstellen.

Das ist auch so ein Wortpaar, mit dem ich in Zusammenhang mit unserer Situation überhaupt nichts anfangen kann. Mir ist es eben nicht egal, wie hoch der Schuldenstand der Profifußball-Tochter ist und wo das Geld für den Betrieb herkommt. Wir müssen als Präsidium und Gesellschafter über den Tag hinaus denken. Und so was wie die wirtschaftlichen Drahtseilakte der letzten Jahre, wo bildlich gesprochen die Geschäftsstelle am Stichtag zusammensaß, alle fünf Minuten auf das Konto gestarrt und auf Nachricht gewartet hat, will ich nicht mehr erleben. Der Profifußball muss seine Kosten- und Einnahmenstruktur dauerhaft in den Griff bekommen. Das ist seit dem vergangenen Sommer der Fall und daran lassen wir als Gesellschafter nicht mehr rütteln. Wer glaubt, diese Haltung sei persönlicher Eitelkeit geschuldet, den hole ich nicht mehr ab.

Was halten Sie vom »Team Profifußball«, das sich für die Verwaltungsratswahlen im Juli konstituiert hat?

Ich persönlich hab schon ein Team Profifußball. Das besteht für mich aus Michael Scharold, Günther Gorenzel, Daniel Bierofka, Jürgen Jung, Dieter Märkle und ihren Mitarbeitern. Sie haben das Vertrauen des Präsidiums. Ein zweites im e.V. brauche ich nicht. Alles andere entscheiden die Mitglieder in freier Wahl am 22. Juli.

Hasan Ismaik hat in seiner Gratulation zum Aufstieg in einer Facebook-Notiz nur Daniel Bierofka angesprochen und ihn als »alleinigen Vater des Erfolgs« bezeichnet. Ärgert Sie so etwas?

Nein. Das muss er aus seiner Warte heraus machen. Dafür habe ich emotional Verständnis. Stellen Sie sich vor, er müsste alle loben, die seit dem vergangenen Sommer in gemeinsamer Anstrengung den festgefahrenen Karren aus dem Dreck gezogen haben? Das kann er nicht tun. Und das kann man auch schlecht verlangen. Da bin ich ihm überhaupt nicht Gram.

Hand aufs Herz, hätten Sie geglaubt, bereits in dieser Saison in den Profifußball zurückzukehren?

Nicht wirklich – es war mehr eine Hoffnung. Dass wir mit dem Stamm unserer letztjährigen U21-Mannschaft, die in der Regionalliga unter Bierofka Zweiter geworden war, auch in dieser Saison nicht chancenlos sein würden, darauf hab ich spekuliert. Durch die Verpflichtungen von Mauersberger, Mölders und Gebhart wurde das Team stabil genug. Am Ende war auch das Glück auf unserer Seite. Ich bin heilfroh darüber. Die Regionalliga ist keine Liga, in die der TSV 1860 München dauerhaft gehört.

Das Grünwalder Stadion gilt vielen als maßgeblich für die außerordentliche Heimspielstärke der Mannschaft in dieser Saison.

Absolut. Die Unterstützung durch die Zuschauer war phänomenal. Das Stadion ist eine Festung.

Wie geht es weiter in der Stadionfrage?

Behutsam und mit Fingerspitzengefühl. Wer zu viel auf einmal will, steht am Ende mit leeren Händen da. Der TSV hat letzten Sommer einen Vertrauensvorschuss erhalten und die Stadt München nicht enttäuscht. Wir sind als Klub unseren Verpflichtungen nachgekommen und der Appell der Fanszene an die Zuschauer war ebenfalls hilfreich für eine verträgliche Atmosphäre im Umfeld. Das müssen wir beibehalten und wo es vereinzelt doch zu kleineren Problemen gekommen sein sollte, sensibel reagieren. Wir haben Vertrauen erworben.

Ab der kommenden Saison dürfen 15.000 Zuschauer hinein. Auch das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern das Ergebnis guter Gespräche mit vielen Beteiligten. Man muss sich einmal in die Rolle der Stadt hineinversetzen. Der TSV 1860 München hat zwar in den vergangenen zehn Jahren immer wieder mal vom Grünwalder Stadion gesprochen, aber nie ein klares Bekenntnis dazu abgelegt. Durch die Rückkehr hat sich die Situation verändert. Das war aber noch im Mai letzten Jahres alles nicht vorhersehbar. Alle Verantwortlichen sind sich der Tragweite der Stadionfrage für die zukünftige Entwicklung des TSV 1860 München bewusst und arbeiten an Lösungen. Reißerische öffentliche Forderungen sind in dieser Frage nicht hilfreich.

Interview: Alfons Seeler

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