Veröffentlicht am 13.11.2016 19:26

Ist ein Stück Heimat 100.000 Euro wert?

Im Heckenstallertrog: Insgesamt ist die Verkehrsbelastung auf dem Mittleren Ring heute höher als 2009. (Foto: job)
Im Heckenstallertrog: Insgesamt ist die Verkehrsbelastung auf dem Mittleren Ring heute höher als 2009. (Foto: job)
Im Heckenstallertrog: Insgesamt ist die Verkehrsbelastung auf dem Mittleren Ring heute höher als 2009. (Foto: job)
Im Heckenstallertrog: Insgesamt ist die Verkehrsbelastung auf dem Mittleren Ring heute höher als 2009. (Foto: job)
Im Heckenstallertrog: Insgesamt ist die Verkehrsbelastung auf dem Mittleren Ring heute höher als 2009. (Foto: job)

Seit über einem Jahr ist der Tunnel unter dem Luise-Kiesselbach-Platz fertig. Einen „Segen für die Anwohner an Garmischer und Heckenstallerstraße” nannte ihn Günther Keller bei der Bürgerversammlung Sendling-Westpark. In den Zufahrtsstraßen gebe es allerdings viel Staus, z.B. neuerdings in der Waldfriedhofstraße. Immer wieder treten Probleme auf, sobald sich der Verkehr im Tunnel staut. „Bei er geringsten Störung weichen die Fahrer an die Oberfläche aus und machen den Stadtbezirk dicht”, so Keller.

Er erklärte, dass die Ampelschaltungen noch nicht alle optimal abgestimmt seien, was gegenwärtig nachgebessert werde. Das eigentliche Problem sei aber die immer weiter wachsende Verkehrslawine, deutlich abzulesen an den Vergleichszahlen vor und nach dem Tunelbau: Um bis zu 19 Prozent habe der Verkehr auf dem Mittlerern Ring von 2009 auf 2016 zugenommen. In der Garmischer Straße fahren jetzt 130.000 Kfz täglich (allerdings nur noch 14.000 an der Oberfläche). Er kritisierte, dass weder Bund noch Freistaat oder Stadt ein Konzept hätten, um die Verkehrsflut einzudämmen, die jeden Werktag auf den Stadtbezirk zukomme.

Mehr Belastung rundherum

Anwohner der Murnauer Straße klagten über die Zunahme der Verkehrs- und Lärmbelastung durch den Tunnel, da es keine Zufahrt zum Tunnel über die Höglwörtherstraße gebe. Die Bürgerversammlung empfahl, hier die Lärm- und Verkehrsbelastung ebenso wie die Schadstoffemissionen statistisch zu erfassen. Auch die Anwohner an der A 96 klagen über mehr Verkehr seit der Tunnelöffnung. Marion Kutscher (BIBAB96) drängte auf die versprochenen Schadstoffmessungen. Die Bürgerversammlung empfahl, diese transparent zu gestalten: Beauftragte Firmen, Standorte der Messungen, die verwendete Software sowie die Ergebnisse sollen den Bürgern mitgeteilt werden. Diese sollen zudem die Messstellen selbst besichtigen können. Keller bat die Anwohner im Viertel um Geduld: Erst wenn alle Baustellen im Umfeld des Luise-Kiesselbach-Platzes abgeschlossen sind, könne man belastbare Verkehrszahlen erheben. Erst dann könne man z.B. entscheiden, ob man am Luise-Kiesselbach-Platz Lärmschutzmaßnahmen brauche. Erst dann sind laut Stadtverwaltung auch die zugesagten Verkehrsmessungen zu erwarten.

Und so wurde entschieden:

Empfohlen: Tram-Westtangente bauen

„Mit der Tram-Westtangente geht es seit zwei Jahren nicht vorwärts”, klagte Ingrid Notbohm und erinnerte daran, dass die Bürgerversammlung der Tangente in früheren Jahren bereits zugestimmt habe (Anm. d. Red.: 2013 hatte die Bürgerversammlung dem Vorhaben zugestimmt; 2010 hatte sie sich allerdings dagegen ausgesprochen). Wie von Notbohm vorgeschlagen, empfahl die Bürgerversammlung, die Planungen zügig fortzuführen und abzuschließen und endlich über den Baubeginn zu entscheiden. Auch ein zweiter Antrag, der die Umsetzung der Westtangente verlangt und dabei auf einen 26 Jahre alten Stadtratsbeschluss verweist, wurde von den Bürgern angenommen.

Die Stadtplaner kündigten an, Anfang des kommenden Jahres dem Stadtrat die überarbeiteten Pläne vorzustellen.

Abgelehnt: Schreibfehler im Tunnel korrigieren

Warum schreibt man „Hölderlinstraße” zusammen, aber „Fürstenrieder Straße” getrennt? Die Regel ist einfach: Straßen, die mit einem Substantiv (z.B. Personenname) benannt sind, werden zusammengeschrieben. Ist hingegen ein Adjektiv Pate, schreibt man meist getrennt.

Eine Passauer Straße hat daher eine ganze andere Bedeutung als eine Passauerstraße. Die Erste verweist auf die Drei-Flüsse-Stadt, die Zweite auf eine Person namens Passauer - in Sendling-Westpark ist es der Student Anton Passauer, einer der aufständischen Oberländer anno 1705.

Anton Passauer drängte damals die Aufständischen zum Marsch nach München, obwohl diese vor der Übermacht der kaiserlichen Truppen dort gewarnt wurde. Während bei der Sendlinger Mordweihnacht 1.100 Oberländer niedergemetzelt wurde, entkam er.

Im Viertel und in Sendling verweisen viele Straßennamen und Erklärungen auf diesen Teil der Heimatgeschichte. 310 Jahre später geht diese Verbindung zu den historischen Wurzeln des Viertels langsam verloren: Im neuen Heckenstaller Tunnel gibt es eine widersprüchliche Beschilderung an der Ausfahrt zur Passauerstraße. Im Trog ist der Name richtig geschrieben, im Tunnel falsch.

Ingrid Notbohm beantragte, den Schreibfehler der Tunnel-Anzeige zu korrigieren. Das lehnten die Bürger allerdings ab, nachdem der Vertreter des städt. Kreisverwaltungsreferats auf die Kosten hingewiesen hatte: Die digital gesteuerte LED-Anlage lässt sich nicht so einfach austauschen wie ein „normales” Straßenschild. Dafür wäre ein „fünfstelliger Betrag” nötig, so der KVR-Mann, und präzisierte auf - sechsstellige - „gut 100.000 Euro”.

Abgelehnt: Busspur wiederherstellen

Für einen Fehler hält Dieter Klein, dass die separate Busspur in der Waldfriedhofstraße mit dem Tunnelbau aufgegeben wurde. Seit der Tunnel fertig ist, komme es in den Nebenstraßen an der Oberfläche nun zu Staus. Durch die am Straßenrand haltenden Busse werde der Verkehr noch mehr blockiert, was zu Verspätungen auch für die Busse führe. Daher schlug er vor, für die Busse Haltebuchten einzurichten, um die Fahrspuren frei zu halten.

Die MVG erklärte, dass es dann zu noch mehr Verzögerungen komme, wenn sich die Busse aus der Haltebucht in den fließenden Verkehr einordnen müssten. Dass sie auf der Fahrspur halten, diene ihrer Beschleunigung - denn so können sie nach dem Halt sofort weiterfahren. Diese Argumentation überzeugte die Bürgerversammlung, die Kleins Vorschlag ablehnte.

Empfohlen: Spuren anders markieren

Vier Spuren umfasst die auf dem Luise-Kiesselbach-Platz nach Norden führende Fahrbahn. Die Bürgerversammlung empfahl, die Markierung an der Kreuzung mit der Waldfriedhofstraße anders zu markieren. Von den vier Spuren sind gegenwärtig zwei nur für Linksabbieger markiert. Eine Linksabbiegerspur reiche aber aus, dafür benötige man mehr Raum für den Geradeausverkehr, so die Bürger.

Das städt. Kreisverwaltungsreferat wies darauf hin, dass die Markierungen am Luise-Kiesselbach-Platz erst dieser Tage abgeschlossen werden. An der Tunneloberfläche sei etliches noch nicht fertig. Erst nach Abschluss der Markierungsarbeiten könne man den Verkehrsfluss bewerten und anpassen. So werde es auch weitere Änderungen an Ampelschaltungen rund um den Platz geben. „Wir versuchen, zusammen mit dem Bezirksausschuss ein Optimum zufinden”, versprach das KVR.

Unerledigt: Zugang zum S-Bahnhof Mittersendling

Direkt am S-Bahnhof Mittersendling sind in den letzten Jahren 500 neue Wohnungen am Distlhofweg gebaut worden, geplant ist zudem ein barrierefreies Kinderhaus (für 111 Kinder). Der Bahnsteig hat inzwischen einen Lift bekommen, so dass er barriererfrei zugänglich ist - jedoch nur von Sendlinger Seite aus. Die Anwohner am Distlhofweg hingegen haben Bahnsteig samt Lift direkt vor der Nase - kommen aber nicht gut hin. Sie müssen einen Umweg von 600 bis 800 m gehen, um unter den Gleisen auf die Sendlinger Seite zu wechseln und den Lift zu erreichen.

Um z.B. Eltern mit Kinderwägen das Leben ein bisschen leichter zu machen, hat die Bürgerversammlung bereits vor einem Jahr einstimmig empfohlen, auch am Distlhofweg einen barrierefreien Zugang zum Bahnsteig-Lift zu öffnen. Da das Areal der früheren Bananenreiferei unmittelbar neben dem Bahngelände verkauft und mit Wohnungen bebaut werden soll, habe man dafür sogar neue Möglichkeiten.

Die Bearbeitung der Bürgerversammlungsempfehlung ist aber seit einem Jahr nicht abgeschlossen. Die jetzt gestellte Frage nach dem Sachstand beantwortete das städt. Planungsreferat wenig konkret: Der von den Bürgern geforderte Zugang sei „wichtig”, eine Stellungnahme der Stadt zu dem Bürgerwunsch werde es aber erst im kommenden Jahr geben.

Empfohlen: Ladestation am Partnachplatz

Eine Ladestation für Elektroautos wie es sie z.B. in der Parzivalstraße gibt, wünschen sich die Bürger auch am Partnachplatz. Sie empfahlen der Stadt, die Stadtwerke zu deren Einrichtung aufzufordern. Eine Ausschreibung der Stadt für solche Ladestationen gibt es bereits, teilte das städt. Planungsreferat mit. Weil einer der Interessenten gegen die Ausschreibung vor Gericht gegangen sei, komme man damit aber gerade nicht weiter.

Empohlen: Bürger mitmachen lassen

Den Bürgerdialog zum Erhalt der Grünfläche auf dem Lusie-Kiesselbach-Platz nannte Richard Stahnsdorf eine großen Erfolg. Die überwältigende Mehrheit der Bürger habe sich dabei gegen eine Bebauung ausgesprochen. Als „erfolgreiche und zufriedenstellende Maßnahme” empfahl die Bürgerversammlung auf seinen Vorschlag, einen solchen Bürgerdialog zu zwei weiteren Angelegenheiten im Viertel durchzuführen: zur Nutzung des Westparks (der Park werde jetzt einseitige durch Griller und Radler genutzt, was nicht im Sinne der Allgemeinheit sei) und zur Gestaltung des Luise-Kiesselbach-Platzes (diese gehöre in die Hände der den Platz nutzenden Bürger).

„Die Bürger wollen die Zukunft mitgestalten”, sagte auch Marion Kutscher (BIBAB96). Sie schlug eine Diskusssionsreihe im Rathaus vor, bei der die Bürger unabhängig vom erwarteten neuen Verkehrsentwicklungsplan ihre Vorstellungen einbringen können. Während die Stadtverwaltung diesen Verkehrsentwicklungsplan für das richtige Forum für Diskussionen hält, empfahl die Bürgerversammlung sowohl die beiden Bürgerdialoge als auch die Diskussionsreihe.

Empfohlen: Palliativstation in St. Josef einrichten

Das Haus St. Josef mit seinen 300 Plätzen sollte eine Palliativstation bekommen, regte Seniorenvertreter Richard Stahnsdorf an. Die Bürgerversammlung empfahl, in dem Haus am Luise-Kiesselbach-Platz eine Abteilung für stationäre Sterbebegleitung einzurichten. „In dem Haus gibt es sieben verschiedene Abteilungen, aber keinen eigenen Platz zum Sterben”, erläuterte Stahnsdorf, „Gesundheitspflege und Sterbebegleitung finden praktisch im gleichen Zimmer statt.” Das sei eine Zumutung für die Pflegebedürftigen und das Personal.

Abgelehnt: Neue Route für den Bus 132

Bereits vor drei Jahren hat die MVG eine von Bezirksausschuss Sendling-Westpark und Seniorenvertretung ins Gespräch gebrachte Routenänderung für den Bus 132 abgelehnt. Anstatt über Johann-Clanze- und Passauerstraße sollte der Bus über die Sachsenkamstraße zum Partnachplatz fahren, so der damalige Vorschlag. Dadurch wären Geschäfte, Ärzte und U-Bahn am Partnachplatz besser erreichbar. Die MVG wies erneut auf die die Bedeutung der Haltestelle Johann-Clanze-Straße hin: Von dort fahren besonders viele Menschen mit dem 132er Bus zum Harras. Bei einer neuen Route müsste diese Haltestelle aufgegeben werden; der Bus 53 könne die Fahrgastzahlen hier aber nicht alleine bewältigen. Die Bürgerversammlung akzeptierte die Erklärung der MVG und sprach sich gegen eine Routenänderung aus.

Das wollen die Bürger

In der Bürgerversammlung wurden auch folgende Empfehlungen ausgesprochen:

Als Spielstraße beschildern

Distlhofweg und Bauernbräuweg sollen Spielstraßen werden. Der Distelhofweg ist ohnehin keine Durchgangsstraße, sondern eine Sackgasse im neuen Wohnquartier an der Bahnlinie in Mittersendling, in dem viele Familien zuhause sind und ein Kita zu finden ist.

Durchfahrt wegen Beschädigungen sperren

Staltacher und Bernrieder Straße sollen für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen Gewicht gesperrt werden. Die Anwohner wollen damit die Durchfahrt von Hebebühnen-Mietfahrzeugen der Firma Sixt unterbinden, auf die sie nicht aufgeklärte Unfallschäden an ihren parkenden Autos zurückführen.

Auf Kohle verzichten

Schnellstmöglich soll die Kohleverbrennung im Heizkraftwerk Nord aufgegeben werden. Die Verbrennung von Steinkohle führe zu einer hohen Kohlendioxidbelastung und erzeuge „schmutzigen Strom”.

Dixie-Klo am Partnachplatz

Eine öffentliche Toilette wünschen sich die Bürger am Partnachplatz - seit über 30 Jahren. Eine werbefinanzierte Toilette ist grundsätzlich möglich, teilte Bezirksausschussvorsitzender Günter Keller mit. Voraussetzung sei, dass im Viertel im Gegenzug beleuchtete Litfaßsäulen aufgestellt werden. Standorte für diese haben Seniorenvertretung und Bezirksausschuss bereits aufgelistet. Für Keller ist nun wieder die Stadtverwaltung am Ball. Die Bürger empfahlen, bis zur Umsetzung ein Dixie-Klo am Partnachplatz aufzustellen.

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