Veröffentlicht am 18.08.2011 00:00

Länderspiele in Giesing


Von red

Nach dem Ausbau des Sechzger-Platzes zu Münchens erstem Stadion lieferte das Länderspiel Deutschland – Schweiz am 12. Dezember 1926 den ersten Höhepunkt in der neuen Spielstätte. Das erste Spiel der DFB-Auswahl auf Münchner Boden seit 15 Jahren (Deutschland – Ungarn am 17.12.1911 auf dem MTV-Platz an der Marbachstraße) stieß auf riesiges Interesse.

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Bereits nach dem Vorverkauf stand fest, dass es zu einem neuen Münchner Zuschauerrekord kommen würde. Rund 35.000 Zuschauer drängten sich im Stadion. Die Süddeutsche Zeitung sprach von einem „Markstein für die Entwicklung Münchens zur Sportstadt“. Im Spiel gegen die Schweiz geriet die deutsche Elf schnell mit 0:2 in Rückstand und unterlag am Ende mit 2:3. In der Aufstellung der deutschen Mannschaft hatte sich dafür der Aufstieg der Münchner Vereine in die deutsche Spitze abgezeichnet. Mit Emil Kutterer, Ludwig „Wiggerl“ Hofmann (beide FC Bayern) und Torwart Georg Ertl (FC Wacker) waren drei Münchner im Nationaltrikot aufgelaufen.

Aufgrund der im Vergleich zu anderen Städten geringen Fassungsvermögens des Münchner Stadions dauerte es neun Jahre, ehe mit der Partie gegen Finnland wieder ein Länderspiel auf Giesings Höhen stattfinden sollte. Am Sonntag 18. August 1935 kamen die ersten Zuschauer bereits um sieben Uhr in der Früh an die Grünwalder Straße, um eine der restlichen Eintrittskarten zu ergattern. Sonderzüge und Autobusse brachten Zuschauer aus ganz Bayern nach München. Aus mehreren hundert Kilometern Entfernung kamen am Mittag verstaubte Radfahrer den Giesinger Berg empor. Bereits zwei Stunden vor Spielbeginn war das Stadion mit gut 35.000 Zuschauern restlos gefüllt. „Der Blick auf die Stehhalle war geradezu überwältigend“, schrieb der Völkische Beobachter. Auch vor dem Stadion wohnten mehrere tausend Menschen, die keine Karte mehr bekommen hatten, dem Spiel bei. Deutschland feierte in diesem Vorbereitungsspiel für die 1936 in Berlin anstehende Olympiade einen nie gefährdeten 6:0 (3:0)-Erfolg gegen die schwachen Finnen.

Auch beim Länderspiel gegen Bulgarien am 20. Oktober 1940 war das Stadion voll besetzt. Die Nationalmannschaft erfüllte nach Beginn des 2. Weltkrieges einen ähnlichen Zweck wie die Filme der UFA: Die notleidende Bevölkerung sollte für einige Stunden heitere Ablenkung vom Kriegsalltag genießen dürfen. Daneben wollten die Nazis aber auch aller Welt beweisen, wie gelassen das Leben in Deutschland weiter ging, während anderswo in Europa Krieg herrschte. Daher wurden im Jahr 1940 allein zehn Länderspiele veranstaltet.

Beim Länderspiel gegen Bulgarien erlebten die anwesenden Zuschauer ein wahres Scheibenschießen der deutschen Elf, bei der mit Hammerl (Post SV), Kapitän Goldbrunner und Streitle (beide FC Bayern) auch drei Münchner mitwirkten. Das letzte A-Länderspiel an der Grünwalder Straße endete mit 7:3. Es sollte für 32 lange Jahre auch das letzte in München sein, ehe 1972 das Olympiastadion eröffnet wurde.

Einmal spielte die deutsche Elf dann vorher doch noch mal in München-Giesing: Zur Vorbereitung auf die WM-Endrunde 1962 in Chile ließ Bundestrainer Sepp Herberger eine Reihe von Testspielen gegen Vereinsmannschaften austragen. Die Partien galten zugleich als Dankeschön für diejenigen Vereine, die in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg Nationalspieler abgestellt hatten. Da darunter kein Spieler des TSV 1860 war, hieß die Kombination für das Spiel in München FC Bayern (6 Nationalspieler) – BC Augsburg (2 Nationalspieler). Rund 20.000 Zuschauer fanden sich am Mittwoch, 3. Januar 1962, im Sechzger-Stadion ein. Der Augsburger Helmut Haller spielte in der ersten Hälfte für die Kombinierten, ehe er nach der Pause im DFB-Dress mit zwei Toren den 3:2-Sieg der Nationalelf sicherte. SZ-Jounalist Hans Schiefele stellte die sportliche Aussagekraft der auf schneebedecktem Rasen ausgetragenen Partie in seinem Bericht in Frage: „Die glatte Schneefläche war eher für ein Eishockeyspiel geeignet, als für Fußball. [...] Das Spiel hat seinen Zweck nicht erfüllt. Es sei denn, die Weltmeisterschaft findet nicht in Chile, sondern in Alaska statt.“

von Roman Beer

(Autor des Buchs „Kultstätte an der Grünwalder Straße“)

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