Auf der ganzen Welt kennt man den St. Patricks Day. Die irische Tradition wird auf dem ganzen Globus gefeiert. Man kann sich vorstellen, wie das in Irland aussieht. Oder direkt bei Irland. Wers nicht kann, kann sich die Eindrücke des Giesinger Austauschschülers Philipp von der Wippel (16) zu Gemüte führen.
Goodbye Germany, England were coming
Philipp auf der Insel - Kolumne: Austauschschüler Philipp berichtet drei Monate lang über seine Erlebnisse und den Unterschieden bzw. Gemeinsamkeiten von Deutschen und Engländern
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Grüne Gestalten, grüne Fahnen, grünes Essen der Traum jedes Farb-Fetischisten, der selbst eine lange und beschwerliche Reise auf sich nehmen würde, um Teil des Spektakels zu sein. Am 17. März genügt es hier, vom Bett aus dem Fenster zu blicken, und die Welt erstrahlt in Glanz durch die kleeblattgrüne Party-Brille. Vor einer Woche hat mich meine aus Irland stammende Patentante per E-Mail beauftragt, irische Mitbewohner ausfindig zu machen, die Farbe Grün in Person zu werden und dann pünktlich am Samstag mit der grasgrünen Menschenmenge gemeinsam den Tag über den Nationalheiligen Patrick der britischen Nachbarinsel zu feiern. Beim Startschuss zum Wochenende im Doppeldeckerbus nach der letzten Schulstunde fällt uns mit einem Blick auf den Kalender siedendheiß ein, dass in weniger als zwölf Stunden der irisch-grüne Wahnsinn ausbrechen wird. Als dann noch Alan, der Gastvater von Leandro und Thomas, beim gemeinsamen Pesto-Nudel-Essen mit Vorfreude über das ganze Gesicht verkündet, dass er morgen mit seinen Verwandten aus Texas einen Flug nach Dublin nimmt, um in der Urheimat des Festivals mit den Krügen zusammenzustoßen, fängt unser Herzschlag an, schneller zu werden.
Drei Blicke genügen und die Entscheidung steht felsenfest: Da müssen wir hin egal wie! Meine Erinnerungen an die St. Patricks Day Umzüge in München, die überraschenderweise sogar zu den größten der Welt gehören, beschleunigen unser Suchen nach abstrusesten Möglichkeiten, auf welchem Wege auch immer nach Irland zu gelangen. Aber die kurzfristige und erschwingliche Option bleibt aus. Die Fähre würde nachts um zwei Uhr starten und braucht sieben Stunden einfach, das Flugzeug kostet vierhundert Pfund, mehr als ein Trip nach New York.
»Wer sagt denn, dass es nur in Irland Iren gibt?« Wo Thomas Recht hat, hat er Recht St. Patricks Day beschränkt sich schon lange nicht mehr auf die Grüne Insel und wird weltweit von New York über Tokio bis nach Sydney gefeiert.
9.57 Uhr: Der Schaffner pfeift, die Türen schließen und der Zug setzt sich in Bewegung in Richtung Liverpool, wo sich besonders viele Iren niedergelassen haben. Die über den Sitzen herausragenden überdimensionalen Hüte mit lautlachenden Trägern bestätigen den richtigen Zug und lassen uns sanft ahnen, was uns beim Aussteigen am Bahnsteig erwartet: laut schallende irische Zithermusik, Volkslieder singende Rotschöpfe und der Sog der Menge schnurstraks zusteuernd auf Albert Dock, das Herz von Liverpool, angrenzend an die Westküste Englands.
Die Parade zieht sich entlang der gesamten Küste und der eine oder andere grüßt auf die andere so naheliegende Seite des Ufers. Die Menschen singen, die Menschen lachen, die Menschen strahlen. Die Menschen sind einfach glücklich. Der an jeder Hauswand zu findende und von den Balkonen hängende Slogan »The friendliest day of the year« bringt es auf den Punkt: Man muss sich nicht kennen, man hat vielleicht gar nichts gemeinsam und doch ist man sich vertraut. Es genügt fröhlich zu sein!
Die Atmosphäre scheint mir vertraut. Na klar das Oktoberfest! Die Parade gegen den Einzug der Wirte, die Pubs gegen die Bierzelte, grüner Dress-Code gegen Dirndl und Lederhosen und irische Zithermusik gegen bayrische Volksmusik ausgetauscht und der Münchner fühlt sich wie dahoam. Wie auf dem Oktoberfest Menschen aus aller Herren Länder auf einer Bierbank sitzen, alle politischen und sozialen Konflikte im wahrsten Sinne des Wortes komplett unter den Tisch kehren und gemeinsam schunkeln, wird hier im traditionellen Pub nach der Parade jeder unter dem Arm gepackt, um das Tanzbein zu schwingen.
Lá Fhéile Pádraig, wie der wichtigste Tag im Jahr auf Irisch heißt, beschränkt sich schon länger nicht mehr auf den Umriss der Insel, sondern drückt ein Bekenntnis aus: Heute hoffen wir alle in grün!