Veröffentlicht am 18.06.2013 00:00

Schwabing · Sozialbau woanders


Von red

Der letzte Tropfen Benzin ist längst in irgendeinen Autotank geflossen, die letzten Großeinkäufe in der »Metro« sind gemacht, auch Gäste kommen freilich nicht mehr ins »Holiday Inn« – es ist bereits abgerissen.

Projekt »Schwabinger Tor«

Schwabing · Bauprojekt »Schwabinger Tor« Themenseite zum Bauprojekt »Schwabinger Tor«

Tankstelle, Großmarkt und Hotel gehören nun der Vergangenheit an. Die Zukunft auf dem Areal zwischen der Leopoldstraße und der Berliner Straße heißt »Schwabinger Tor«. Gemeint ist damit ein an der Oberfläche komplett autofreies Stadtquartier, das Platz bietet für Läden und Büros, Spielplatz und Kleinkunstbühne, Gaststätten und ein Hotel der Spitzenklasse. Und natürlich für zig Wohnungen, und zwar aller Preisniveaus. Doch der ursprüngliche Plan, Sozial- und Luxuswohnungen in einem Bau unterzubringen, gerät nun ins Wanken. Der Grund: Der Bauherr, die Jost-Hurler-Gruppe, hält das nun aus Kostengründen für nicht mehr umsetzbar. Daher sollen Sozialwohnungen der zweiten Kategorie – also die preiswertesten – nun auf einem benachbarten Grundstück im Norden entstehen.

»Es ist ein ausgesprochen glücklicher Zufall, dass wir das Grundstück jüngst dazu erwerben konnten«, so Stefanie Schusser, eine Sprecherin der Jost-Hurler-Gruppe. Konkret gemeint ist der ziemlich marode Gebäudekomplex an der Leopoldstraße 202 a, durch dessen Abriss sich nun die neue Möglichkeit auftut, für sozial schwächere Familien »besonders attraktives Wohnen« zu schaffen, wie Schusser sagt. Mehrere fünfgeschossige Wohnhäuser würden an der Grünzone Berliner Straße gebaut, in unmittelbarer Supermarkt-, Tram- und Spielplatznähe und »gut in das Gesamtumfeld integriert«.

»Man kann eindeutig sagen, dass die Wohnungen sich dann in einer viel schöneren Lage befinden werden«, so Schusser. Die Änderungen wurden dem Bezirksausschuss Schwabing-Freimann (BA 12) in seiner Sitzung Anfang Juni von Geschäftsführer Lars Johannsen vorgestellt. »Wir unterstützen ausdrücklich den Vorschlag, die sogenannten EOF-Wohnungen in eigenen Gebäuden unterzubringen«, kommentiert BA-Chef Werner Lederer-Piloty. Die Lagequalität sei deutlich höher als am ursprünglich vorgesehenen Standort an der ­Johann-Fichte-Straße, gegenüber der Polizei. »Wir schlagen zudem vor, die Änderungen in einem städtebaulichen Vertrag festzuhalten«, so der SPD-Politiker weiter. So müsse der rechtsgültige Bebauungsplan nicht erneut ­»aufgeschnürt« ­werden. Die Entscheidung in dieser Sache liegt freilich beim Planungsreferat, und diese ist nach eigener Angabe noch nicht gefallen. In jedem Fall aber kann davon ausgegangen werden, dass die Stadt München ein besonderes Auge darauf hat, dass das »Schwabinger Tor« keinesfalls zu einem – wie mancherorts befürchtet wird – reinen Luxusquartier wird.

Eine fast unmögliche Aufgabe

30 Prozent öffentlich geförderte Wohnungen sind laut Bebauungsplan vorgesehen, darunter München-Modell-Wohnungen ausschließlich für Bürger der Stadt und Wohnungen mit Einkommensorientierter Förderung (EOF). Würde sich das Planungsreferat bezüglich der neuen Planungen quer stellen, so sieht sich die Jost-Hurler-Gruppe vor einer »fast unmöglichen Aufgabe«. Im Grunde sei es nicht machbar, in einem Komplex dermaßen unterschiedliche Standards umzusetzen, sagt Stefanie Schusser. So gibt es beispielsweise eine Kostenobergrenze nach der Wohnraumförderungsbestimmung, die es einzuhalten gilt. Die hohen Schallschutzbestimmungen, die an der Leopoldstraße und somit im ursprünglich vorgesehenen Bau zu beachten sind, können unter Maßgabe dieser Richtwerte und unter Beibehaltung ansprechender urbaner Architektur kaum erreicht werden. Auch, so die Unternehmenssprecherin weiter, könnten die Vorgaben, was Zimmergrößen und Raumaufteilung angeht, in einem Haus mit derlei multipler Nutzung nur unter erheblichem technischen – und damit hohem Kostenaufwand realisiert werden.

Eventuell kommt hier die Frage auf, warum man das nicht vorher wusste? Also vor der überraschenden Grundstücksübernahme im Norden. Das beschäftigt auch Patric Wolf: Der Fraktionssprecher der CSU im BA 12 zweifelt an der Argumentation des Bauherrn. Er versteht nicht, warum man sich nicht dafür entscheide, die Luxuswohnungen im Norden zu bauen, »wenn es da so viel schöner ist«. Wolf will zwar nichts unterstellen, doch er sagt, es liege der Verdacht nahe, dass das Unternehmen Sozialwohnungen aus »ihrem schönen Hauptprojekt« raus haben wolle.

Demnächst Beginn mit dem Rohbau

Ungeachtet der neuen Pläne werden die Rohbauarbeiten in den nächsten Wochen beginnen. Mit der Fertigstellung des Bauabschnitts Nord ist 2016 zu rechnen, der Bauabschnitt Mitte-Süd soll 2017 fertig sein. Lederer-Piloty ist sich sicher, dass das »Schwabinger Tor« ein großer Gewinn für Schwabing wird. »Der BA 12 erwartet ein lebendiges und urbanes Stadtquartier, das die Bereiche beiderseits der Leopoldstraße miteinander verknüpft und damit eine deutliche Aufwertung des gesamten Areals bewirkt«, so der BA-Vorsitzende.

Sylvie-Sophie Schindler

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