Veröffentlicht am 09.03.2016 00:00

Archäologische Untersuchungen im ehemaligen KZ-Außenlager verzögern sich


Von red
Die ehemalige KZ-Baracke an der Granatstraße steht unter Denkmalschutz. Hier könnten noch sterbliche Überreste liegen. 	 (Foto: Klaus Mai)
Die ehemalige KZ-Baracke an der Granatstraße steht unter Denkmalschutz. Hier könnten noch sterbliche Überreste liegen. (Foto: Klaus Mai)
Die ehemalige KZ-Baracke an der Granatstraße steht unter Denkmalschutz. Hier könnten noch sterbliche Überreste liegen. (Foto: Klaus Mai)
Die ehemalige KZ-Baracke an der Granatstraße steht unter Denkmalschutz. Hier könnten noch sterbliche Überreste liegen. (Foto: Klaus Mai)
Die ehemalige KZ-Baracke an der Granatstraße steht unter Denkmalschutz. Hier könnten noch sterbliche Überreste liegen. (Foto: Klaus Mai)

Schon lange vermutet der Stadtteilhistoriker Klaus Mai auf dem ehemaligen Außenlager des KZ Dachau an der Granatstraße die sterblichen Überreste von KZ-Häftlingen. Die für Mitte Februar geplanten archäologischen Untersuchungen verzögern sich nun aber.

So genau wollen die Stadt und der Freistaat anscheinend auch gar nicht wissen, was sich dort unter der Erde verbirgt – die von Mai geforderten, umfassenden Grabungen auf dem gesamten Areal sollen nach derzeitigem Stand nicht stattfinden.

Bislang sind es nur Indizien. Doch diese häufen sich. Im Rahmen seiner mehrjährigen Forschungen zu dem Thema hat Mai die Archive durchforstet und unter anderem Dokumente entdeckt, die auf verschwundene Akten zu ermordeten KZ-Häftlingen hinweisen, die auf der Fläche an der Granatstraße begraben worden sein sollen. Zudem werde die Vermutung von Berichten ehemaliger KZ-Häftlinge bestätigt, sagt der Geschichtsexperte: »Hier ist mehrfach von Aufträgen die Rede, die Toten in Ludwigsfeld zu begraben.«

Mai zufolge sind bei Kanalarbeiten in den 1950er Jahren an den ehemaligen KZ-Baracken auf dem Gelände 115 Leichen auf dem KZ-Gelände gefunden worden. Eine systematische Untersuchung der Fläche habe daraufhin aber nicht stattgefunden.

Nachdem Mai seine These im Sommer 2014 veröffentlichte, zeigte zunächst von staatlicher Seite aus niemand Interesse daran, den Verdacht zu bestätigen oder zu entkräften. Erst, seitdem es Pläne gibt, das Areal zu bebauen, hat sich die Situation geändert. Der Bauherr werde die Fläche archäologisch untersuchen lassen, kündigt Josef Meier-Scupin an, Sprecher der Projektgesellschaft Granatstraße, einem Zusammenschluss der Grundstückseigentümer. »Ich habe aber mit verschiedenen Historikern gesprochen und glaube nicht, dass an der Vermutung viel dran ist«, so Meier-Scupin. Ein Teil des Geländes sei bereits untersucht worden, sagt Professor Winfried Nerdinger, Leiter des NS-Dokumentationszentrums in der Brienner Straße. Dabei hätten sich keinerlei Hinweise auf ein Massengrab ergeben.

»Mit Glauben kommt man aber nicht weiter«, sagt Mai. Die in den 1950er-Jahren versäumte großflächige Grabung müsse nun endlich durchgeführt werden. Nur so könne man Gewissheit erlangen. Auf dem nördlichen Teil des Grundstücks herrschen derzeit jedoch chaotische Zustände, die archäologische Arbeiten schon aus praktischen Gründen vereiteln. Männer leben dort in ungenehmigten Wohncontainern und ein unzulässiger Lkw-Handel betreibt fragwürdige Geschäfte. Eine Räumungsklage mit Sofortvollzug sei bereits angeordnet, berichtet Ingo Trömer, Sprecher des Planungsreferats der Landeshauptstadt. Die Angelegenheit sei aber noch bei Gericht und werde etwas dauern.

Doch selbst wenn die Fläche frei ist, wird es eine vollständige Untersuchung des Gebiets voraussichtlich nicht geben.

»Archäologisch gegraben wird nur dort, wo Neubauten entstehen sollen«, sagt Dorothee Ott, Sprecherin des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege. Einen Termin für den Beginn der Arbeiten könne sie noch nicht nennen.

Unklar ist auch, was geschehen würde, wenn Mai Recht behält und die Archäologen tatsächlich auf ein Massengrab stoßen. In Bezug auf den Umgang mit solchen Funden gebe es völkerrechtliche Regelungen, erklärt zwar der Geschichtsforscher. Trömer räumt jedoch ein, bislang gebe es noch kein konkretes Konzept dazu, wie man in diesem Fall verfahren werde: »Darüber machen wir uns erst Gedanken, wenn wir das Ergebnis haben.« Hauptziel sei zunächst die Absiedlung. Kritisch sieht die abwartende Haltung der Behörden in Bezug auf das ehemalige KZ-Außenlager indes die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG).

Dieser Ort spiegle symptomatisch das Verdrängungsbewusstsein und die Geschichtsvergessenheit einer bestimmten, zu langen Phase der deutschen Nachkriegsgeschichte wider, sagt die IKG-Präsidentin und Beauftragte für Holocaust-Gedenken des World Jewish Congress, Charlotte Knobloch. Nicht zuletzt deswegen müssten die Lokalbaukommission sowie alle Verantwortlichen seitens der Stadt und des Landes jetzt ein geschichts- und verantwortungsbewusstes Konzept für die Gestaltung und Nutzung dieses sensiblen Areals entwickeln und umsetzen: »Sollte sich der Verdacht von Stadtteilhistoriker Klaus Mai bestätigen, muss alles getan werden, um die sterblichen Überreste dieser Menschen würdig zu behandeln«, betont Knobloch. Julia Stark

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