Robert Ramsak ist kürzlich mit der deutschen U17-Nationalmannschaft in Indonesien Fußballweltmeister geworden und spielt beim FC Bayern München. Im Mai 2024 macht er am Städtischen Theodolinden-Gymnasium sein Abitur. Wie geht das zusammen? Eine ganz besondere Schule in der Münchner Bildungslandschaft macht es möglich.
„Servus Weltmeister! Herzlichen Glückwunsch“. Als Robert Ramsak drei Tage nach dem Turniersieg der deutschen U17-Nationalmannschaft an einem Dienstagmorgen wieder durch durchs Schultor tritt, empfangen ihn die Leistungssportklassen mit einem selbstgemalten Plakat mit buntem Schriftzug. Drei Tage zuvor hatte Ramsak in einem dramatischen Spiel den Weltmeistertitel geholt, im Elfmeterschießen gegen Frankreich die Nerven behalten und vom Punkt getroffen. Es war der erste WM-Titel einer deutschen U17 überhaupt – ein Erfolg, der viele Menschen in Deutschland begeisterte, der landauf, landab durch die Presse ging. Zu den prominenten Gratulanten zählte unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz.
„Über den Empfang in der Schule nach meiner Rückkehr habe ich mich sehr gefreut. Vor allem, als ein Lehrer mir gesagt hat, dass er sich meinetwegen zum ersten Mal ein Fußballspiel angeschaut hat“, sagt Ramsak und strahlt. Die feierliche Stimmung im Klassenzimmer weicht aber sofort wieder der Anspannung. Denn gleich am Dienstag um 8 Uhr steht eine Deutschklausur an, auf die sich Ramsak während des Turniers vorbereitet hat. Noch in Indonesien während des Turniers hatte er zudem eine Sport-Klausur geschrieben, unter Aufsicht von zwei Lehrern, die der DFB eigens für die Ausbildung der jungen Spieler mitgeschickt hatte. Nur wenige Tage nach der Rückkehr aus Südostasien sollte Ramsak eigentlich wieder in der UEFA Youth League antreten, der Champions League der Junioren, wo sein Verein FC Bayern München zu Gast in Manchester ist. Doch da liegt er krank im Bett. Die Anstrengungen der vergangenen Tage und Wochen waren einfach zu viel.
Robert Ramsak ist erst 17 Jahre alt, führt aber schon beinahe das Leben eines gestandenen Fußballprofis, der mit der Nationalmannschaft und seinem Verein ständig unterwegs ist. Neben dem normalen Ligaalltag mit der U19 des FC Bayern München stehen häufig internationale Spiele mit seinem Verein und mit der DFB-Auswahl an. Gleichzeitig ist Ramsak aber auch Schüler am Städtischen Theodolinden-Gymnasium und bereitet sich als letzter Jahrgang G8 auf das Abitur 2024 vor – das es bekanntermaßen nicht geschenkt gibt.
Dass sich diese beiden maximalen Belastungen vereinbaren lassen, ermöglicht das Städtische Theodolinden-Gymnasium (TLG) in Harlaching, das in der Bildungslandschaft der Stadt München etwas Besonderes ist: Die Schule bietet neben dem normalen Gymnasialbetrieb talentierten jungen Fußballerinnen und Fußballern die Chance, ihre Schulbildung in Einklang mit den Anforderungen des Leistungssports zu bringen. Aufgrund der Doppelbelastung brachen in der Vergangenheit junge Fußballer die Schule häufig einfach ab, um sich auf ihre Karriere im Sport konzentrieren zu können. Das Problem ist allerdings: Nur sehr wenige schaffen den Sprung zu den Profis, werden reich und berühmt. Wer es sein wird, lässt sich kaum vorhersagen. Im Zweifel bedeutete das Aus dann vor allem eins: Junge Menschen stehen plötzlich ohne Schulabschluss oder Ausbildung da.
Dass es dazu nicht kommt, hat sich das Theodolinden-Gymnasium seit fast 25 Jahren zur Aufgabe gemacht. „Auf der einen Seite sind wir eine ganz normale städtische Schule mit rund 1000 Schülern und einem sozialwissenschaftlichen sowie einem sportwissenschaftlichen Zweig”, sagt Schulleiter Werner Ziegler. „Aber wir sind in Zusammenarbeit mit dem DFB und dem Bayerischen Fußballverband eben auch Eliteschule des Fußballs, weshalb wir pro Jahrgang je eine Fußballklasse haben. Insgesamt sind das derzeit rund 140 Kinder und Jugendliche.”
In den Fußballklassen versammeln sich Schülerinnen und Schüler, die ein erfolgreiches Sichtungstraining beim Bayerischen Fußballverband (BFV) bestanden haben, oder die bereits bei den Profivereinen FC Bayern München, TSV 1860 München und SpVgg Unterhaching spielen. So wie Robert Ramsak, den Scouts des FC Bayern mit acht Jahren bei seinem Jugendverein TSV München-Solln entdeckten und ihn zum Rekordmeister lotsten. „Als Eliteschule des Fußballs konzentrieren wir uns ganz auf die Anforderungen des Fußballs und können hier sehr auf die individuellen Anforderungen dieser Sportart eingehen“, sagt Schulleiter Ziegler, „anders als beispielsweise das Gymnasium München Nord, das als Eliteschule des Sports die Belange vieler verschiedener Sportarten unter einen Hut bringen muss.“
„Der Koordinationsaufwand ist enorm, aber die Mühe lohnt sich“, sagt Stefan Munz, Sportlehrer und Koordinator für die Leistungssportklassen am TLG. Er steht mit Verantwortlichen von DFB, BFV, FC Bayern, TSV 1860 und der SpVgg Unterhaching regelmäßig in Kontakt, um individuelle Pläne für die Schüler zu besprechen. An zwei Vormittagen die Woche gehen die Spieler des FC Bayern und 1860 zu Fuß zum Training auf das Gelände ihrer Vereine, die nur eine Steinwurfweite von der Schule entfernt liegen. Die Unterhachinger holen ihre Schützlinge mit dem Bus ab und bringen sie pünktlich zur nächsten Unterrichtsstunde wieder zurück. „Für den Unterricht während der DFB-Auswahllehrgänge in der Ferne ist dann eine App zentral, in der die Lehrer ndividuell anstehende Aufgaben an ihre Schüler schicken können“, sagt Munz.
Als die Eliteschule des Fußballs 1999 gestartet war, war das noch alles anders. Damals habe noch viel improvisiert werden müssen, sagt Leistungssportkordinator Munz, der seit 2000 an der Schule ist: „Es gab es noch keinen Nachmittagsunterricht und keine Mensa, die erst fast zehn Jahre später gebaut wurde. So lange mussten wir uns anderweitig behelfen. Die ersten Jahre haben die Schüler nebenan an der Säbener Straße zu Mittag gegessen.“ Doch das hat sich mittlerweile alles eingespielt.
Robert Ramsaks Tage am Theodolinden-Gymnasium sind derweil gezählt. Seine Noten bisher sind ausgezeichnet, das Abitur ist in greifbarer Nähe. Nach dem Abschluss im Juni will sich der Stürmer erst einmal ganz auf seine Fußballkarriere konzentrieren und wahrscheinlich irgendwann studieren. Mehr freie Zeit als heute wird er dann wohl schon haben, die ist derzeit spärlich gesät. „Freizeit habe ich, wenn ich kein Training habe und auch nichts mehr für die Schule zu tun habe”, erklärt Ramsak. „Und das kommt wirklich selten vor.”