Milch und Scheibenkäse das ist aus heutiger Sicht kein allzu breites und attraktives Sortiment für ein Kiosk. Doch 1930, als das Milchhäusl an der Sckellstraße hinter dem Wiener Platz eröffnet wurde, war die Stadt München eben noch in rührender Weise um die gesunde Ernährung ihrer Bürger besorgt.
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Da war nichts mit Schokolade, Würstchen oder Pommes nein, da waren ausschließlich Milch und Käse erlaubt, um die Fett- und Eiweißversorgung der Bevölkerung sicherzustellen.
Erst 1977 - die Bedürfnisse der Münchner hatten sich inzwischen grundlegend verändert - erlebte die Bude einen glänzenden »Aufstieg«. Von privaten Pächtern mit eigenen Mitteln renoviert, avancierte das Milchhäusl zum »Trink- und Imbisspavillon«.
Aus dem Haidhauser Stadtteilleben war es kaum mehr wegzudenken: Selbst Boris Becker kaufte hier die legendären »Pferdewürste« ein, und auf dem Weg zum Spielplatz an der Sckellstraße machte jede Mutter mit ihren Kleinen am ehemaligen »Milchhäusl« Rast. »Das war für mich als Kind sozusagen die erste Eisdiele in meinem Leben«, erinnert sich Anwohnerin Johanna Kuklok. »Und später wurde es so etwas wie das Stammlokal um die Ecke.«
Umso schmerzlicher empfanden es die Haidhauser, als das »Milchhäusl« letztes Jahr seine Pforten schloss, weil die alten Pächter sich zur Ruhe setzten. Für die Verwaltung des Englischen Gartens, auf dessen Grund sich das Häuschen befindet, war der Abriss des maroden Kiosks schon beinahe beschlossene Sache.
Doch die Stadtverwaltung und der lokale Bezirksausschuss Au-Haidhausen spielten nicht mit: Das älteste noch erhaltene Milchhäusl Münchens muss bestehen bleiben, so die einhellige Meinung. »Weil sich aber auch kein privater Investor fand, der die Sanierung übernommen hätte, haben wir den Kiosk in Eigeninitiative renoviert«, berichtet Thomas Köster, der Verwalter des Englischen Gartens.
Leicht war die Sanierung keineswegs. Billig auch nicht. Rund 50.000 Euro mussten insgesamt in Betonboden und Dach, Holzverkleidung, Wärmedämmung, ein neues Stromsystem, Entwässerung, den Einbau einer Toilette und ein begehbares Kühlhaus investiert werden. »Ein Neubau hätte etwa viermal soviel gekostet«, räumt Köster ein.
Schmunzelnd erinnert er sich an die Siebenschläfer, die es sich seit vielen Jahren im »Milchhäusl« bequem gemacht hatten: »Wenn man sie vertrieb, kamen sie immer wieder es war schließlich ihr Zuhause«. Inzwischen sind die »tierischen Stammgäste« aber endgültig ausquartiert. Dafür dürfen sich die Haidhauser freuen, dass ihr Kiosk jetzt in neuem Glanz erstrahlt und seit letzter Woche wieder eröffnet ist.
Die neuen Pächter, Matthias und Sonja Waldherr, sind alteingesessene Haidhauser und kennen den Kiosk von Kindesbeinen an. Beste Voraussetzungen also dafür, dass das »Milchhäusl« auch in Zukunft eine Institution im Stadtteil bleibt ob mit oder ohne Milch.