Insgesamt 3,4 Milliarden Euro möchten Bund und Freistaat in den kommenden Jahren für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in München ausgeben. Viel Geld in Zeiten knapper Kassen, zumal diese Summe in zwei Projekte gesteckt werden soll, die beide höchst umstritten sind: Mindestens 1,6 Milliarden Euro würde der Transrapid zwischen Hauptbahnhof und Flughafen kosten (siehe eigener Artikel) und 1,55 Milliarden schluckt der Bau des zweiten S-Bahn-Stammstreckentunnels zwischen Hackerbrücke und Ostbahnhof beziehungsweise Leuchtenbergring.
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Während immer noch unklar ist, ob es den Flughafen-Transrapid irgendwann tatsächlich geben wird, sind die Planungen für die zweite Stammstrecke schon weiter gediehen: Das Projekt befindet sich bereits im Planfeststellungsverfahren, schon 2007 sollen die ersten Bagger und Tunnelfräsen anrollen (wir berichteten). Jetzt allerdings könnte der knappe Zeitplan ins Wanken geraten: Wie der Bundesrechnungshof auf Anfrage des SamstagsBlatts bestätigte, läuft in der Bonner Behörde derzeit ein Prüfverfahren über die Rentabilität der neuen Stammstrecke.
Der Hintergrund: Der Bund soll knapp 60 Prozent der Baukosten tragen.
Als sich dieser allerdings vor vier Jahren dazu verpflichtete, war das gesamte Investitionsvolumen des Projekts mit höchstens 600 Millionen Euro beziffert. Heute gehen alle Investitionspläne von mindestens 1,3 Milliarden Euro Baukosten plus mindestens 250 Millionen Euro Verwaltungs- und Prozesskosten aus.
Der Kosten-Nutzen-Quotient, der bei solchen Bauvorhaben immer in einem recht komplizierten Verfahren ausgerechnet wird, liegt nach Aussage des bayerischen Verkehrsministeriums derzeit bei 1,07. Ein Wert unter eins würde bedeuten, dass das gesamte Projekt unrentabel wäre. Der Bundesrechnungshof muss nun prüfen, inwiefern dies bereits jetzt durch die veranschlagten Mehrkosten der Fall ist.
Wir können leider nicht sagen, wie lange die Prüfung dauern wird, erklärt Christel Langen, die Sprecherin der Behörde. Sollte der Rechnungshof das Projekt für unrentabel erklären, könnte der Bund seine Zahlungszusage zurückziehen. Eine Alternative ist, das Projekt weiter abzuspecken. Das wäre zum jetzigen Zeitpunkt allerdings problematisch, da es sich bei der jetzt diskutierten Variante ohnehin schon um eine im Vergleich zu den ersten Planungen sehr reduzierte Version handelt.
So rechnet man derzeit mit lediglich zwei neuen Haltestellen am Hauptbahnhof und Marienhof; frühere Planungen dagegen hatten bis zu sechs neue Haltestellen entlang der neuen Stammstrecke vorgesehen.
Auch denkt der MVV im Gegensatz zu früher derzeit lediglich an einen durchgängigen 15-Minuten-Takt, unterstützt durch einige Express-S-Bahn-Linien und eventuell noch mit einer vom Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) ins Spiel gebrachten neuen Express-S-Bahn-Linie zum Flughafen (MAEX) als Alternative zum Transrapid. Ein Zehn-Minuten-Takt auf allen Linien dagegen erscheint sogar nach Aussage des MVV-Chefs Alexander Freitag als sehr unwahrscheinlich.
Der Münchner Grünen-Stadtrat Jens Mühlhaus jedenfalls, schon immer einer der profiliertesten Kritiker der neuen Stammstrecke, stichelt schon seit geraumer Zeit, dass sich der Freistaat das Projekt schön gerechnet habe. Er fordert schon lange, dass spätestens nach dem Planfeststellungsverfahren der Kosten-Nutzen-Quotient neu berechnet werden solle: Mühlhaus hält Baukosten von mehr als zwei Milliarden Euro für realistisch. Seiner Forderung wird der Bundesrechnungshof nun nachkommen.
Der bayerische Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU) indes hält die S-Bahn-Stammstrecke, allen Kritikern zum Trotz, genau wie übrigens den Transrapid, für unbedingt notwendig: Die alte Stammstrecke schöpft bereits heute ihr äußerstes Leistungsvermögen aus. Kleinste betriebliche Störungen führen unweigerlich schon heute zu Beeinträchtigungen des Gesamtsystems, erklärt er. Außerdem werde die Siedlungsdichte im Großraum München noch weiter zunehmen. Deshalb brauchen wir die zweite Stammstrecke.
Dass diese nicht mehr gestoppt wird, hält er für wahrscheinlich: Das Prüfverfahren des Bundesrechnungshofes bereitet uns kein Kopfzerbrechen, erklärt eine Sprecherin des Ministeriums auf Anfrage. Im Gegenteil: Das ist bei solchen Projekten reine Routine, außerdem haben wir unsere Daten immer sofort an den bayerischen Rechnungshof weitergeleitet, der sich nie beschwert hat. Wir sind optimistisch, dass auch der Bundesrechnungshof nichts gegen das Projekt einwenden wird. Zumal Huber im Fall der Stammstrecke einen starken Bündnispartner an seiner Seite weiß: Die Stadt München unterstützt das Projekt; den Transrapid indes nicht. Von Filippo Cataldo