Veröffentlicht am 09.08.2007 00:00

Tödlicher Sommerspaß


Von red
Verbot zwecklos? Der Eisbach mitsamt seinen Surfern und Schwimmern ist eine Attraktion in München. 	 (Foto: gw)
Verbot zwecklos? Der Eisbach mitsamt seinen Surfern und Schwimmern ist eine Attraktion in München. (Foto: gw)
Verbot zwecklos? Der Eisbach mitsamt seinen Surfern und Schwimmern ist eine Attraktion in München. (Foto: gw)
Verbot zwecklos? Der Eisbach mitsamt seinen Surfern und Schwimmern ist eine Attraktion in München. (Foto: gw)
Verbot zwecklos? Der Eisbach mitsamt seinen Surfern und Schwimmern ist eine Attraktion in München. (Foto: gw)

Er gehört zu München wie Monopteros, Chinesischer Turm und Nackertenwiesen und schlängelt sich an all diesen Sehenswürdigkeiten auch vorbei – der Eisbach im Englischen Garten. Städter fliehen vor flirrender Hitze hierher, Jugendliche kühlen ihr Gemüt und Touristen legen gerne eine Rast am Ufer ein. Das ist die schöne Seite.

Surfen am Eisbach

München · Eisbach-Surfen mitten in der Stadt Themenseite zur Eisbachwelle, die Surfer-Profis sowie Zuschauer nicht loslässt

Die hässliche Seite kennzeichnen drei Namen: Mathias K., Ramnik L. und Rudolf S. Die drei Männer sind innerhalb eines halben Jahres im Eisbach ertrunken, ein trauriger Rekord. Der 27-jährige Doktorand Mathias K. wurde einen Monat lang vermisst, ehe er Mitte März tot aus einem Wehr am Tucherpark geborgen wurde.

Der gleichaltrige Student Ramnik L. aus Australien wurde beim Baden am 18. Juli von einer Wasserwalze auf den Grund gezogen, trotz aufwendiger Suche mit Feuerwehrtauchern und Spezialgerät konnte er erst drei Tage später gefunden werden. Nur wenig später wurde der 61-jährige Rudolf S., ein Gymnasiallehrer aus dem Lehel, tot am Tivolikraftwerk aus dem Eisbach gezogen.

Die Todesumstände sind nicht endgültig geklärt, in zwei Fällen war Alkohol im Spiel. Doch auf dramatische Weise zeigt sich wieder, wovor Thomas Köster schon lange warnt: „Der Eisbach ist so reißend, dass Sie nie mit den Füßen auf den Grund kommen!“ – auch wenn der Bach höchstens 1,50 Meter tief ist. Der Verwaltungschef des Englischen Gartens kennt die Gefahren genau: Auf dem Grund liegen zersplitterte Bierkrüge, rostige Fahrräder – auch Motorräder und sogar ein Auto haben Kösters Mitarbeiter schon geborgen.

„Da genügt ein aufgebogenes Schutzblech, um sich Beine oder Bauch aufzuschlitzen“, sagt er. Diese Fallen sind besonders heimtückisch, weil oberhalb der Wasserfläche nicht zu erkennen. Erst diese Woche versenkte ein Unbekannter einen 40 Kilo schweren Gullideckel mit Schacht an der Surferwelle neben dem Haus der Kunst – ein tödlicher „Gag“.

Doch auch ohne Unrat im Bachbett lauert stets die Gefahr. „32 Kubikmeter Wasser schießen jede Sekunde vorbei“, weiß Köster – und damit mehr als in der Isar bei Niedrigwasser. Diese Wassermassen setzen ungeahnte Kräfte frei. Wer von ihnen gegen ein Stauwehr gepresst wird, hat keine Chance. „Da bilden sich tonnenschwere Kräfte, die nicht zu überwinden sind“, sagt ein Helfer des Malteser Hilfsdienstes, der 2003 vergeblich versucht hatte, einen vierjährigen Buben aus den Fängen der Strömung zu befreien. Der Vater musste damals hilflos mit ansehen, wie sein Sohn ertrinkt.

Doch was tun, um die Gefahren für Leib und Leben zu entschärfen? Die Polizei wünscht sich, die Münchner und ihre Besucher würden sich einfach an das Badeverbot halten. Denn was nur wenige wissen: Nicht nur Surfen an der Prinzregentenbrücke, sondern auch Baden ist im gesamten Englischen Garten verboten. Allerdings hält sich kaum einer daran.

„Wir gehen regelmäßig Streife und holen auch mehrmals täglich Badende heraus“, berichtet Polizeisprecher Dieter Gröbner. Das ist allerdings „eine Sisyphusarbeit – sobald wir gehen, springen die wieder rein“. Das größte Problem sieht er ohnehin in der Selbstüberschätzung der zumeist jugendlichen Badegäste – besonders in der Kombination mit Alkohol.

Müssen strengere Verbote und Kontrollen her? Auch im Internet tobt die Debatte um die richtige Lösung. „Zumindest Schilder auf Englisch, die vor der Gefahr warnen“, fordert ein User namens „buddenbrook“. „Das kann es ja wohl nicht sein, einfach irgendwo ein Schild ,Baden verboten‘ aufzustellen und dann nichts weiter zu tun“, schreibt „Petra_44“. „Ich schwimme seit über 20 Jahren im Eisbach und die ,Walze‘, an der vermutlich der Australier verunglückte, ist seit jeher nicht ganz ungefährlich – vor allem aufgrund der Strudel. Soweit ich weiß, wurde diese Stelle aber nie entschärft, geschweige denn hängen dort Rettungsreifen“, ereifert sich „DonCabron“.

Tatsächlich wurden 2003 mehrere versteckte, unterströmige Wehre beseitigt, obwohl es historische Bauten waren, berichtet Garten-Chef Köster. Aber um das Gefälle und damit die Fließgeschwindigkeit zu regulieren, bedarf es mehrerer Schwellen. Die sind bisweilen nur wenige Zentimeter hoch, erzeugen jedoch die berüchtigten Unterströmungen.

„Ohne Schwellen wäre der Eisbach noch reißender“, erläutert Köster, beseitigen ließen die sich also nicht. Dabei gönnt er Badefreunden wie auch Surfern ihr Vergnügen – im Englischen Garten sei es nur einfach zu gefährlich. Sein Vorschlag: Eine stehende Surfwelle mit allen Sicherungsmaßnahmen in der Isar installieren. Genau dies plant derzeit das Projekt „Dreamwave“ an der Wittelsbacherbrücke – die Realisierung aber ist ungewiss. Für überzeugte Eisbach-Surfer wäre so eine Welle zudem keine Alternative, alleine schon, weil sie mit Eintrittsgeldern finanziert werden müsste.

Die Polizei sieht die Stadtspitze in der Verantwortung. Wie mit den Eisbach-Gefahren umgegangen werden soll, „ist eine grundsätzliche Angelegenheit der Stadt“, sagt Polizeisprecher Gröbner. Diese drückt sich allerdings um eine klare Aussage. Während die zuständige Abteilung im Baureferat vor den Gefahren warnt, wirbt das Tourismusbüro mit den Surf- und Badefreuden. Für dessen Chefin Gabriele Weishäupl gehören die Surfer denn auch „zum sommerlichen München wie die Nackerten im Englischen Garten“.

Tatsächlich ist besonders die stehende Ein-Meter-Welle am Haus der Kunst mit ihren Surfern neben Oktoberfest, FC Bayern und Hofbräuhaus eine weltweit bekannte Attraktion und hat es in internationale Surf-Verzeichnisse geschafft, nicht nur für Andreas Probst von den Großstadtsurfern ist „München die weltweit beste Surfstadt ohne Meer“.

Wie die Stadt nun dazu steht, will Stadtrat Richard Quaas (CSU) mit einer Anfrage klären, die er diese Woche eingereicht hat. Wie die Antwort ausfällt und wann sie kommt, ist ungewiss. Sicher ist nur: Bis etwas geschieht, ist die Badesaison vorbei.

Der vermutlich wirkungsvollste Vorschlag lautet, den Eisbach einzuzäunen. Doch in diesem Punkt sind sich Polizei, Stadt, Gartenverwaltung und Surfer einig. Die einhellige Antwort: „Das wollen wir nicht!“

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