Veröffentlicht am 26.01.2008 00:00

München - Wenig rasante Planung


Von red

„Den zweiten Tunnel wird es niemals geben“, Grünen-Stadtrat Jens Mühlhaus brachte es auf der ersten Vollversammlung des Stadtrates am Mittwoch, 23. Januar, nach drei Stunden mit seiner These auf den Punkt. Er glaubt nicht mehr an die Realisierung der zweiten S-Bahn-Stammstrecke.

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Zu widersprüchlich waren die Aussagen der DB-Projektbau GmbH und dem Bayerischen Verkehrsministerium, die den gesamten Stadtrat im wahrsten Sinne des Wortes über ein Jahr lang über die Planungsänderungen im Dunkeln gelassen hatte.

Bereits im Jahr 2006 wurden die Pläne zur zweiten S-Bahn-Stammstrecke geändert, gab die stellvertretende Leiterin der Verkehrsabteilung des bayerischen Verkehrsministeriums Gudrun Gmach erst nach mehrmaligem Nachfragen zu. Sie stellte zusammen mit dem Projektleiter der zweiten S-Bahnstammstrecke Albert Scheller die aktuellen Umplanungen vor.

Hauptgrund der Änderungen sei eine Kostensteigerung gewesen: „Dadurch hat sich der Kosten-Nutzen-Faktor verschlechtert“, erklärte Gmach. Die neue Planung beinhalte nun die Verlegung eines Stellwerkes von Osten in die Nähe der Donnersbergerbrücke im Westen. Vorher betrugen die Kosten 1,85 Milliarden, nun soll das Großprojekt 1,6 Milliarden Euro teuer werden.

An den Maximiliansanlagen soll die Stammstrecke in zwei Äste geteilt werden. Ein so genannter Ostast führt vom Leuchtenbergring zum Ostbahnhof. Der Tunnel biegt von der Innenstadt kommend unter die Orleansstraße und den Haidenauplatz ein. Der zweite Ast führt zu einer neuen S-Bahn Station „Ostbahnhof”, die 80 Millionen Euro kosten soll. Beide Äste könnten unabhängig voneinander gebaut und in Berieb genommen werden.

Mehr Informationen gab es auch diesmal nicht. Der von Scheller gehaltenen Präsentation waren keine nennenswerten Fakten zu entnehmen: „Ist das der Weisheit letzter Schluss? 2005 sollte Baubeginn sein, 2008 planen wir noch. Bis 2010 sind wir lange nicht fertig. Warum gab es denn nicht gleich diese Vorschläge?“, entgegnete Boris Schwartz (Die Grünen). Eine Antwort blieb aus.

Vielleicht könne man ja mit der ersten Bauphase bis 2016 fertig werden, prognostizierte Gmach schließlich. Bis zum Jahr 2015 müsse durch den Zuzug in den Raum München mit 18 Prozent mehr Fahrgästen gerechnet werden. Derzeit werde aufgrund von technischen Problemen nicht einmal der Standard von dreißig Zügen pro Stunde erreicht.

„Die Störanfälligkeit soll durch die zweite Strecke vermindert werden, um dem neuen Fahrgast-Ansturm während der olympischen Winterspiele 2018 gerecht zu werden. Ist eine der beiden Stammstrecken von Störungen betroffen, kann auf der anderen problemlos weitergefahren werden.“, erklärte sie. Ob die Spiele überhaupt nach München kommen, ist derzeit noch völlig offen.

Scheller versuchte die Neuerungen zu erklären: „Anstatt einer offenen Bauweise unter der Kirchenstraße soll der zweite Tunnel in Haidhausen nun unter der Wörthstraße verlaufen. Danach bewegen sich die Züge unter der Balanstraße und der Tunnel biegt dann in die St.-Martin-Straße ein“, erklärte er. Die offene Baugrube am Orleansplatz wäre damit hinfällig. Der Schutt werde über die Schienen durch eine zwanzig Millionen teure Maschine an der Berg-am-Laim-Straße an die Oberfläche gebracht werden.

Die anwesenden Haidhausener Bürger trugen die Änderungen mit Fassung. Schon auf den Bürgerversammlungen im Stadtbezirk in der vergangenen Woche waren immer wieder Anträge zu den Neuerungen gestellt worden. Die Bürger kritisieren die mangelnden Informationen und forderten unabhängige Gutachter.

Auch die Vorsitzende des Bezirksausschuss Au-Haidhausen (BA 5), Adelheid Dietz-Will, war auf der Stadtratssitzung anwesend. Sie brachte auf den Punkt, was viele Stadträte schon gefordert hatten: „Ehrliche Auskünfte von Seiten der S-Bahn wären wünschenswert.“ Bislang sei die Arbeit mit Scheller „abenteuerlich“ und „überfallartig“ gewesen. „Die richtigen Anekdoten hebe ich mir für die Bürgerversammlung auf“, erklärte Dietz-Will. Scheller konterte trocken: „Da komme ich nicht.“ Das U-Bahnreferat stehe dagegen im engen Kontakt mit dem BA und melde sich frühzeitig bei Veränderungen.

Einen konkreten Baubeginn konnten weder Gmach noch Scheller nennen. Der Freistaat wolle im Jahr 2009 mit den Bauarbeiten beginnen. Die zweite Bauphase würde dann im Jahr 2020 beziehungsweise 2022 ihren Abschluss finden. Mühlhaus und seine Fraktionskollegen glauben nicht daran.

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