Was als Anfrage in der Ortsteilversammlung vor rund fünf Jahren in Widdersberg begonnen hatte, hat sich zu einer schier unendlichen Geschichte entwickelt. Es geht um das alte Rathaus. Damals forderten die Widdersberger, dass das in die Jahre gekommene Gebäude saniert und gegebenenfalls erweitert werden solle. Der Gemeinderat stimmte grundsätzlich zu. Es folgten erste Planungen, eine Machbarkeitsstudie, zusätzliche Wünsche wurden geäußert und unversehens war aus der Sanierung ein kompletter Neubau für rund 800.000 Euro geworden. Nicht jedem gefiel dies, denn das alte Rathaus mit seinem schönen Garten hat seinen eigenen Charme. Außerdem stellte sich die Frage, ob das kleine Dorf überhaupt ein Bürgerhaus zu einem solch stolzen Preis brauche, schließlich könnten sich die Widdersberger auch an anderen Orten im Gemeindebereich treffen. Viele Sitzungen, Briefe, Besprechungen und Diskussionen später soll nach dem jahrelangen Hin und Her endlich eine Entscheidung fallen, die dem Wunsch der Bürger entspricht. Vor ein paar Tagen wurden deswegen Briefe mit einer Umfrage an alle wahlberechtigten Widdersberger verschickt. Darin wird die grundsätzliche Haltung zum Gemeindehaus abgefragt werden.
Bis zum Sonntag, 16. September können die Bürger jetzt die Fragebögen ausfüllen und an die Gemeinde Herrsching zurücksenden, zu den Öffnungszeiten abgeben oder in den Rathaus-Briefkasten einwerfen. Die Bögen werden dann in der Verwaltung umgehend ausgewertet und die Ergebnisse dem Ratsgremium in der Gemeinderatssitzung vom 17. September vorgestellt. Inhaltlich werden die Bürger gefragt, ob sie wollen, dass beim Gemeindehaus alles so bleibt wie es ist, ob sie die große Lösung mit einem Neubau wünschen oder die kleine Lösung mit Verbesserung der Toiletten, Terrasse und einer Markise. Möglichst einfach und klar verständlich wurden die Fragen konzipiert. Schließlich gehe es nur um die grobe Richtung und nicht um Detailfragen, versicherte Bürgermeister Christian Schiller.
Das alte Rathaus stammt aus den 1950er Jahren und wird heute vor allem von den Widdersberger Vereinen, dem Brauchtumsverein, dem Freundeskreis Backhäusl und der katholischen Kirchengemeinde genutzt. Vor 1954 wurden die Gemeindeakten in der Stube des jeweiligen Widdersberger Bürgermeisters verwahrt. Die gute Stube fungierte auch als Sitzungssaal. Bis 1972 war das Dorf eine eigenständige Gemeinde. Ende der 1930er Jahre wohnten 120 Einwohner in Widdersberg. Nach dem Krieg zogen „Bombenflüchtlinge“ aus Bayern und Vertriebene in den Ort. Die Bevölkerung im Dorf stieg auf rund 300, so dass ein Gemeindehaus mit Amtszimmer für Bürgermeister und Arbeitsraum für die Sekretärin, Feuerwehranbau und zwei Wohnungen im Dachgeschoss beschlossen wurden. Architekt war der Professor der Baukunst und Hochbaukonstruktion, der Widdersberger Sigismund Göschel (1875-1962). 1954 wurde der Neubau eingeweiht und bis zur Eingemeindung als Rathaus genutzt. Anschließend wurde das Gebäude als Gemeindehaus von Vereinen und Einrichtungen genutzt.
Was aus dem Gebäude werden soll, das können jetzt die Bürger entscheiden.