Mit Ziegen ist es wie bei Menschen: Man muss sich erst einmal aneinander gewöhnen, gerade wenn man auf Dauer zusammenleben soll. Bei Tara und Micki war das so. Ihre erste Zusammenkunft basierte auf etwas bockigem Verhalten, auf Zickerei. Aber inzwischen leben sie in friedlicher Eintracht nebeneinander.
Micki und Tara wären wahrscheinlich gar nicht mehr am Leben. „Sie waren aussortiert, weil sie nicht so viel Milch geben”, sagt Blaz Romic. Eine Ziege, die sich „lohne”, müsse schon so drei bis fünf Liter Milch im Durchschnitt geben. Micki und Tara schaffen jeweils rund einen Liter. Seit gut drei Monaten leben die beiden Tiere am Rand des Forstenrieder Parks auf einem knapp 500 Quadratmeter großen Grundstück. Vor dreieinhalb Jahren hat Blaz Romic das Areal gekauft, jetzt hält er dort neben den beiden Ziegen auch Hühner. „Die Ziegenhaltung war für mich absolutes Neuland”, sagt der 40-jährige Gartenbauingenieur. Einige Leute hätten ihm gesagt, die bräuchten nur Heu und Wasser. „Aber so leicht ist es dann doch nicht”, erklärt er. Beim Veterinäramt hat Romic Hilfe bekommen. „Das war wirklich ein super Service. Die sind vorbeigekommen, haben sich alles angesehen und mir Tipps gegeben.” Inzwischen weiß Romic, was Ziegen mögen. „Kartoffelschalen zum Beispiel. Sie bekommen bei uns jede Menge Bio-Abfall”, sagt er. „Also Abfall im Sinne von Schalen, nicht etwa Müll”, fügt er an. Romic spricht ganz bewusst von „uns”, denn bei der Ziegen- und Hühnerpflege ist er nicht allein. „Ich habe viel Hilfe von Ivo und Marko. Darüber bin ich wirklich froh”, betont er. „Denn ich schaffe es vielleicht zweimal pro Woche hierher. Ich habe zwei Kinder und einen Beruf.”
Für Ivo und Marko sind die 500 Quadratmeter Garten mit den Tieren eine wichtige Insel in ihrem Leben. Die beiden haben keine Wohnung, sie leben im Männerwohnheim in der Pilgersheimerstraße. Hier am Rand des Forstenrieder Parks kümmern sie sich nahezu täglich um die Tiere, melken die Ziegen und sammeln die Eier ein. Gerade hat es bei den Hühnern Nachwuchs gegeben. Auch die Küken müssen versorgt werden.
Marko, der Ex-Tischler, präsentiert stolz den Ziegenstall, den er selbst gebaut hat, während Ivo geduldig Tara mit einer Bürste den Rücken striegelt. Blaz Romic verteilt inzwischen Kaffeebecher. „Hier auf dem Grundstück wird kein Alkohol getrunken”, sagt er entschieden. „Das war meine Bedingung.”
Dass es sich bei den Ziegen um die Rasse „Bunte deutsche Edelziege” handelt, hat übrigens einer auf den ersten Blick erkannt: der Florian Veitweber, 16 Jahre alt, Sohn des Försters und ein echter Naturbursch. Auch er schaut beinahe täglich bei den Tieren vorbei und kümmert sich. „Er hat's drauf”, sagt Blaz Romic mit anerkennendem Blick.
Weil Blaz Romic neun Hühner hat, braucht's auch einen Gockel. „Der geht dazwischen, wenn es Ärger zwischen den Hühnern gibt”, erklärt er. Dass so ein Gockel manchmal auch kräht, liegt in der Natur der Sache. Blaz Romic weiß, dass das auch mal lauter sein kann. „Als nächstes werde ich den Hühnerstall versetzen, weiter weg von der Wohnbebauung. Das sind dann nochmal gut 17 Meter.” Außerdem solle der Bauwagen ganz verschwinden. „Und auch die Beete werden wohl wegkommen. Dann ist mehr Platz für die Kinder.” Denn Kinder genießen das kleine Fleckchen Erde ebenfalls. „Besonders am Wochenende sind hier viele Mädchen und Buben”, sagt Blaz Romic und öffnet die Gartentür. Zeit für einen Spaziergang mit den Ziegen. Tara und Micki folgen wie zwei Hunde, recken neugierig die Köpfe und ernten so manchen erstaunten Blick von vorbeikommenden Fahrradfahrern.
Es ist ein illustres Grüppchen, das sich hier regelmäßig trifft – Blaz, der „Hausherr”, Ivo und Marko, die beiden Obdachlosen, und Florian, der Försterbub. Ihre Lebenswelten sind ganz unterschiedlich. Aber irgendwie ist es wie bei den Ziegen: Sie haben ziemlich schnell zusammengefunden.