Die Steinkirchner Straße ist eine schmale, nicht allzu lange Einbahnstraße, die neben der Neurieder Straße entlangführt. Sie ist als Tempo-30-Zone ausgeschildert; neben Parkbuchten und Gehweg verläuft ein - in beiden Richtungen benutzbarer - Radweg. Diesen Radweg soll man künftig nicht mehr benutzen müssen. Das möchte das städt. Kreisverwaltungsreferat (KVR) anordnen. Die Radweg-Schilder sollen entfernt und durch „Radeln-frei-in-beiden-Richtungen-Schilder” ersetzt werden. Man darf dann also auf der Fahrbahn radeln. Dürfen darf man das auf dem Radweg weiterhin - auch ohne Muss und ohne blaue Schilder.
Das Radeln wird durch die Neuregelung richtig kompliziert, denn nach wie vor bleibt das Zwei-Richtungs-Radeln hier erlaubt, sagt das KVR - nur nicht auf der Fahrbahn. Für Begegnungsverkehr ist die nämlich zu schmal. Wer also in der Einbahnrichtung radeln will, darf auf der Fahrbahn radeln, muss aber nicht. Er darf auch auf dem Radweg fahren, muss aber nicht. Wer indes gegen die Einbahnrichtung radeln will, darf auf dem Radweg radeln, muss aber nicht; auf der Fahrbahn darf er es jedoch nicht.
Der Bezirksausschuss (BA) im Münchner Süden bewertet diese „Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht“ ganz unterschiedlich: „Wir wollen, dass die Kinder diesen Weg benutzen“, erklärte Monika Reim (SPD). Nicht nur der Unterausschuss Verkehr des BA sei gegen die Aufhebung, sondern auch die Polizei, denn der Radweg sei für viele Kinder Teil ihres Schulwegs.
„In eine ganz andere Richtung denken“ hielt dem Inga Meincke (Grüne) entgegen. „Dieser Radweg ist nicht sicher“, argumentierte sie. Man begegne sich auf ihm ängstlich, es sollten aber auch unsichere Radler die Strecke benutzen können. Sie schlug daher vor, das Radeln auf der Fahrbahn besser zu ermöglichen. Das KVR bestätigte, dass der bestehende Radweg nicht an allen Stellen die eigentlich nötige Mindestbreite habe.
„Müssen da überhaupt Autos fahren?“, fragte Conrad Lausberg (ödp) und schlug vor, aus der Steinkirchner Straße „lieber einen gescheiten Radweg“ zu machen. Dass das nicht geht, erklärte Ludwig Weidinger (CSU): Die Steinkirchner Straße ist Erschließungsstraße für die Anwohner. „Da müssen Autos rein.“ Der Straßenraum sei allerdings so angelegt, dass er noch weniger zum Radeln einlade als der Radweg, meinte Weidinger. Seine Einschätzung: „Ein Großteil der Radler wir dort immer auf dem Radweg fahren.“
Juri Wostal (Grüne) zeigte für eine Pflicht, den Radweg zu benutzen, kein Verständnis. In 30er-Zonen sei eine Benutzungspflicht schlicht nicht möglich (die Straßenverkehrsordnung verbietet, dass sich benutzungspflichtige Radwege und 30er-Zonen überschneiden). Damit hat auch das städt. Kreisverwaltungsreferat die gewünschte Aufhebung der Benutzungspflicht begründet. Die Meinung der Polizei, dass Schulkinder den Radweg benutzten müssen sollten, bezeichnete Wostal als „befremdlich“.
„Wir wollen keine Schüler auf die Straße lenken“, erklärte die Forstenrieder Polizei ihre Einschätzung. In der Steinkirchner Straße gebe es viel Parkplatzsuchverkehr. Die Parkplatzsuche lenke einen Autofahrer aber genauso sehr ab wie das Telefonieren mit dem Handy. „Wir wollen kein Gestöpsel“, so die Polizei, „sondern die Radler schützen!“
Auch das KVR sieht in seiner Anordnung nicht unbedingt eine Verbesserung der Verkehrssicherheit. Mögliche Beeinträchtigungen der Verkehrssicherheit werden, so die Behörde, aber nicht „einschneidend” sein.
Henriette Holtz (Grüne) sprach daraufhin von „Heuchelei“, wenn man zum Schutz der Schüler nur das blaue Radwegschild vor Ort belasse. Sie schlug eine aufwändigere Alternative vor: Entweder müsse man den Radweg verbessern oder die Straße.
„Wenn man alles auf die Straße schiebt, riskiert man Unfälle“, fasste Reinhold Wirthl (CSU), Sprecher des Unterausschusses Verkehrs, die Haltung der „Pflicht-Befürworter“ zusammen.
„Uns eint doch alle das Ziel 'mehr Sicherheit'“, ging Inga Meincke (Grüne) auf die Bedenken ein. Der Zwang, einen engen Radweg benutzten zu müssen, könne da aber keine Lösung sein. „Es besteht Handlungsbedarf, weitere Lösungen zu suchen“, sagte sie, „seien wir mutiger!“ Womöglich könne man die Parkbuchten auflösen und so Platz für beidseitiges Radeln ermöglichen, regte sie an.
Bei Ludwig Weidinger (CSU) stieß diese Idee angesichts der Kosten eines Umbaus auf wenig Begeisterung: „Es gäbe in unseren Vierteln viele andere Stellen, wo man mit dem dafür nötigen Geld mehr für die Radler erreichen könnte“, sagte er.
Die lange Debatte wurde auf Antrag von Veronika Mirlach (CSU) beendet. Der Bezirksausschuss stimmte über die Radwegbenutzungspflicht ab und entschied mit Mehrheit, diese Pflicht beizubehalten. Damit stellt sich der BA gegen das Kreisverwaltungsreferat. Das Bürgergremium wird in diesem Fall von den Behörden aber nur angehört; es entscheidet nicht endgültig über den Steinkirchner Radweg.