Rund eine Viertelmillion Jugendliche beginnen jedes Jahr staatlich geförderte Maßnahmen mit Praktika in Betrieben oder Qualifizierungskursen, weil sie nach der Schule keinen Ausbildungsplatz finden. Dabei wäre ein großer Teil von ihnen in der Lage, direkt eine Ausbildung aufzunehmen. Diese Einschätzung geht aus einer bundesweiten Befragung unter Fachkräften hervor, die junge Menschen beim Übergang von der Schule in den Beruf begleiten. Aus ihrer Sicht bräuchte es mehr individuelle Unterstützung für die Jugendlichen beim Start ins Berufsleben – zumal Zehntausende Ausbildungsplätze unbesetzt sind.
Fast 70.000 Ausbildungsplätze blieben in Deutschland im Jahr 2024 unbesetzt. Zugleich beginnen jedes Jahr fast 250.000 Jugendliche eine Maßnahme im sogenannten Übergangssektor, weil sie nach der Schule keinen Ausbildungsplatz finden oder weil ihnen wichtige Kompetenzen fehlen. Im Übergangssektor sollen SchulabgängerInnen ohne Ausbildungsplatz berufliche Grundkenntnisse erlangen. Bei den staatlich geförderten Maßnahmen handelt es sich zum Beispiel um Kurse zum Erwerb berufsbezogener Fähigkeiten mit Praktika in Betrieben oder das Nachholen von Schulabschlüssen.
Knapp zwei Drittel der jungen Menschen im Übergangssektor bringen allerdings die Voraussetzungen mit, um sofort eine Ausbildung aufzunehmen, ein Teil davon mit Begleitung. So lautet die Einschätzung von Fachkräften, die Jugendliche beim Übergang von der Schule in den Beruf unterstützen. Dabei handelt es sich etwa um Mitarbeitende in Jobcentern, Berufsschulen, Bildungsträgern oder Einrichtungen der Jugendhilfe. An der von der Bertelsmann Stiftung und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung erstmals beauftragten Befragung beteiligten sich 1.540 Fachkräfte bundesweit.
Nach Auffassung der Fachkräfte könnte mehr als ein Viertel der Jugendlichen im Übergangssektor sofort eine Ausbildung beginnen, wenn es einen passenden Ausbildungsplatz für sie gäbe (26,3 Prozent). Mehr als einem Drittel der jungen Menschen trauen die Fachleute dies ebenfalls zu, sofern sie dabei professionell begleitet werden (36,4 Prozent). Ein ähnlich großer Anteil wäre nach Ansicht der Befragten trotz Begleitung derzeit nicht in der Lage, eine Ausbildung aufzunehmen (37,3 Prozent). „Für rund ein Drittel der jungen Menschen im Übergangssektor sind dessen Angebote tatsächlich sinnvoll. Die große Mehrheit aber könnte, teils mit Begleitung, direkt eine Ausbildung aufnehmen, anstatt eine staatlich geförderte Maßnahme absolvieren zu müssen. Mit Blick auf den Fachkräftemangel, aber vor allem auf die Jugendlichen selbst, sollte dieses Potenzial unbedingt genutzt werden“, sagt Clemens Wieland, Experte bei der Bertelsmann Stiftung für berufliche Bildung.
Durch die Maßnahmen im Übergangssektor sollen die Jugendlichen idealerweise binnen eines Jahres eine Ausbildung antreten können. Tatsächlich jedoch gelingt nur etwa zwei Drittel von ihnen innerhalb von drei Jahren der Übergang in eine Ausbildung. Viele junge Menschen bleiben auch langfristig ohne Ausbildungsabschluss: Die Quote der Ungelernten zwischen 20 und 34 Jahren ist mittlerweile auf knapp 20 Prozent gestiegen, was fast drei Millionen Menschen entspricht.
Zwar geben fast 80 Prozent der befragten Fachkräfte an, dass ihre Tätigkeit im Übergangssektor in den vergangenen fünf Jahren insgesamt schwieriger geworden sei – doch sie sehen auch positive Entwicklungen: Knapp 60 Prozent sind der Ansicht, dass sich die Angebotssituation am Ausbildungsmarkt verbessert hat, und für mehr als drei Viertel sind die Qualifikationsanforderungen der Betriebe einfacher geworden (35 Prozent) oder gleichgeblieben (42 Prozent). Gefragt nach gewünschten Veränderungen für ihre Arbeit, hätten die meisten Fachkräfte gerne mehr Kapazitäten für die direkte Arbeit mit Jugendlichen (83 Prozent).
„Wenn wir mehr jungen Menschen die Möglichkeit geben, direkt eine Ausbildung zu beginnen, verschaffen wir den Fachkräften im Übergangssektor gleichzeitig mehr Kapazitäten, um die Jugendlichen individuell zu fördern, die dringend Unterstützung benötigen. Das wäre ein großer Gewinn für alle Beteiligten“, betont Andreas Knoke-Wentorf, Bildungsexperte der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS).
Darüber hinaus wäre es laut Befragungsergebnissen wichtig, die Übergänge in den Ausbildungsmarkt flexibler zu gestalten. Knapp drei Viertel der befragten Fachkräfte sind der Meinung, dass für junge Menschen im Übergangssektor verstärkt Teilqualifikationen angeboten werden sollten, bei denen berufliche Kenntnisse schrittweise erworben werden. Rund 60 Prozent sprechen sich zudem für die Möglichkeit einer Teilzeitausbildung aus.