Es hat sich viel getan in den 110 Jahren, die das Münchner Waisenhaus inzwischen besteht. Das wurde einmal mehr beim liebevoll organisierten Sommerfest in der vergangenen Woche deutlich, zu dem wie immer auch alle Nachbarn und Interessierten eingeladen waren.
Bunte Ballone, Hüpfburg, Riesenkicker, viele Stände mit Aktionen für Kinder und Jugendliche sowie die Möglichkeit bei Kaffee und Kuchen oder Gegrilltem zusammenzusitzen und sich zu unterhalten, machten das Fest zu einem lebhaften, wirklichen Miteinander. Wie immer hatten sich auch viele Politker und Förderer eingefunden, darunter Stadtrat Marian Offmann, Johann Rak von der Sparda-Bank Neuhausen, die Leiterin des Stadtjugendamtes, Dr. Maria Kurz-Adam, die Schirmherrin des Festes, Edith von Welser-Ude, Elisabeth Schosser, langjährige Verwaltungsbeirätin des Waisenhauses, sowie Ingeborg Staudenmeyer, Barbara Marc und Ursula Zeitlmann vom Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg.
Wie sehr sich die Einrichtung im Laufe der Jahre gewandelt hat, dokumentierte eine historische Ausstellung in einem der Aufgänge. Erinnerungen von Anna Hausner, die von 1929 bis 1940 Zögling im Waisenhaus war, wurden kombiniert mit Fotos der Vergangenheit. „Jeder Schlafsaal im 1. und 2. Stock bot Platz für 16 Betten. Zu jedem Bett gehörte ein Hocker, und am Gang hatte jedes Kind seinen Kleiderschrank. In der Ecke des Saales, hinter einem weißen Vorhang schlief die Mater, die tagsüber die Kinder betreute”, steht in einer der Notizen der Zeitzeugin. Anna Hausner schreibt, dass Mädchen und Jungen – sogar Geschwister – in den Aufenthaltsräumen streng getrennt worden sind und dass es morgens zum Frühstück Milch und trockenes Brot gab.
Heute sind es kleine Wohneinheiten innerhalb des Hauses, in denen die rund 130 Kinder und Jugendlichen leben. Meist sind es an die zehn Kinder, die sich eine „Wohnung” mit Wohnzimmer, Küche, Bad und Einzel- oder auch Doppelzimmern teilen. Die Räume sind individuell gestaltet. Während die Wohngemeinschaften mit den kleineren Kinder das Essen aus der zentralen Küche beziehen, kochen die älteren Jugendlichen zum Teil selbst.
Es hat schon Tradition im Waisenhaus, dass während des jährlichen Sommerfestes Hausführungen angeboten werden, bei denen man einen Blick in einige der Wohneinheiten werfen und weitere Räume wie Bibliothek, Computerraum und die Schutzstelle besichtigen kann. Waisenkinder sind es kaum noch, die in der Einrichtung ein zweites Zuhause finden. Die meisten Kinder haben eine Familie, in der sie aus den verschiedensten Gründen vorübergehend nicht leben können. Das Ziel ist daher immer die Rückführung in die Herkunftsfamilie oder aber die Vorbereitung auf ein selbständiges Leben. Auch minderjährige unbegleitete Flüchtlinge werden im Waisenhaus aufgenommen.
Im Oktober des vergangenen Jahres wurde hier auch eine Schutzstelle speziell für Babys und Kleinkinder eröffnet, die die bereits vorhandene Schutzstelle für ältere Kinder ergänzt. Und das nächste Projekt ist gerade in Vorbereitung: Ende 2009/ Anfang 2010 wird eine zweite Außenwohngruppe in einem Haus in Forstenried eingerichtet. Acht Kinder und Jugendliche werden dort zusammen mit ihren Erzieherinnen und Erziehern einziehen. In Laim besteht eine solche Wohnform bereits erfolgreich seit einigen Jahren.