Veröffentlicht am 28.12.2020 12:10

Kindheitserinnerungen an das Arbeitslager II in der Ludwigsfelder Straße


Von Walter Demmel
Bild 3 (Foto: Sammlung Demmel)
Bild 3 (Foto: Sammlung Demmel)
Bild 3 (Foto: Sammlung Demmel)
Bild 3 (Foto: Sammlung Demmel)
Bild 3 (Foto: Sammlung Demmel)

Nur noch eine Hausnummer (Bild 1) erinnert daran, dass in der Ludwigsfelder Str. 32 einst ein Haus stand. Bild 2 zeigt dieses Haus in den 40ern mit der kleinen, heute nicht mehr bestehenden Straße, die zu Krauss-Maffei führte. Aber nun überlassen wir meiner Zeitzeugin das Wort, die dort zwischen 1936 und 1956 mit ihren Eltern wohnte.

„Mit meinen Eltern und meiner Schwester wohnten wir in einem kleinen Haus an der Ludwigsfelder Str. 32. ca. 10 Minuten zu Fuß weg vom Kriegsgefangenenlager II, auch an der Ludwigsfelder Straße.

Täglich mußte ein gefangener Italiener mit einer Schubkarre und Milchkanne in Allach bei einem Bauern Milch holen. Es kam auch öfters ein Schullehrer vorbei, und wenn er uns Kinder sah, blieb er an unserem Gartentürl stehen und redete gebrochen Deutsch mit uns und unserer Mutter. Er sagte, dass er von Beruf Lehrer ist, und war Sanitäter im Krieg. Mir schenkte er dieses Marienbild (Bild 3) zum Andenken!

Eine Woche später war um die Mittagszeit ein Fliegerangriff, eine Sprengbombe fiel direkt in den Erdbunker; es kamen ca. 30 Italiener ums Leben, auch dieser Schullehrer! Nur einer von diesen Italienern überlebte, dieser war zu der Zeit in der Küchenbaracke und schaute nach dem Mittagessen, sein Name war „Mario“. Ich kann mich noch erinnern, dass dieser Mario geweint hat um alle seine Kameraden. Am Anfang von den Baracken stand ein Eichenbaum, an diesem wurde vom Ortsgruppenleiter Allach ein kleiner Kranz befestigt. Unsere Oma wohnte gerade gegenüber, im ersten von drei Häusern, die heute noch stehen.“

Das erste Haus links (Bild 4) ist das noch heute bestehende der schon längst verstorbenen Oma einer damals 11-Jährigen. Der geschilderte Erdbunker war nicht weit von diesem Haus, in dessen Vorgarten durch die Explosion der Sprengbombe auch Leichenteile geschleudert wurden. Diesen Text schrieb mir Frau M. R., geb. Mannhardt, und gab ihn mir in meiner Allach-Untermenzinger Geschichtswerkstatt. Sie war bei den geschilderten Erlebnissen erst 11 Jahre alt. Der Text ist mir besonders wertvoll, weil er vor unseren Augen ein schon fast vergessenes Arbeitslager und seine Insassen entstehen lässt. Ort, Zeit und Entfernung stimmen; ich bin die Strecke zu Fuß abgegangen und habe sie mit dem Fahrradcomputer ausgemessen: 800 m und ca.10 Minuten zu Fuß. Das Elternhaus ist längst abgerissen, es musste dem Ausbau der Ludwigsfelder Straße weichen. Das Haus der Oma steht noch als Nr. 49 dieser Straße.

Der gefangene Italiener, von dem die Rede ist, mußte zum Milchholen bei einem Allacher Bauern sicher die Bahnlinie bei Krauss-Maffei überqueren, weil auf der östlichen Seite weit und breit kein Bauernhof ist und war. Er wird auch nicht mehr auszumachen sein. Dass auch ein Schullehrer an der Ludwigsfelder Str. 32 vorbeikommen konnte, lässt sich nur mit der Nähe des Lagers erklären, einer etwas großzügigen Aufsicht oder mit dem noch näheren Erdbunker, in dem der Lehrer von Zeit zu Zeit zu tun hatte.

Meine Zeitzeugin dachte zuerst, sie hätte das Marienbild von einem italienischen Lehrer zum Andenken geschenkt bekommen „Sich erinnern an mich!“, der Text schien mir aber tschechisch zu sein, was ein mir bekannter gebürtiger Tscheche bestätigte und alle Texte des Bildes übersetzte. Es sei nur das „Gebet (Modlitba)“ links unten herausgegriffen. Die Übersetzung lautet:

„O Mutter des Herrn,

erhöre unsere Klagen und Wehmut,

verweigere uns nicht Deine Hilfe

in unserer Not und Unruhe.

Wenn unser Kummer täglich wächst

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