Lassen wir zunächst die Vergangenheit mit der Zukunft beginnen. Die in unserem Stadtbezirk bekannte und geschätzte Göpfert Elektrotechnik GmbH in der Allacher Str. 233 sucht seit mehreren Jahren nach einem neuen und größeren Standort. Bei Göpfert handelt es sich um einen mittelständischen Betrieb, der Wert auf den Verbleib in unserem Stadtbezirk legt und gerne in einem neugestalteten Junkersgelände unterkommen möchte. Aber der Wettbewerb um die begehrten Plätze hat bereits begonnen, obwohl bis zum Bezug noch viel zu tun ist. Die SZ befasste sich damit neuerdings wieder am 28.01.2021 unter dem Titel „Ganzheitlicher Ansatz“.
So nahm die Stadt bereits 2011 die Planungen für das Hochtief- und Junkersgelände auf, 2013 setzte sich der BA 23 für den Bau einer Straße von der Ludwigsfelder Straße bis zur Pasteurstraße ein (Bild 1). Für die Straßenbauarbeiten hat der Stadtrat inzwischen die Entwurfsplanung gebilligt, sie sollen 2021 starten, wenn bis dahin wieder einmal die Umsiedlung der Zauneidechsen gelungen ist. Die Gewerbeflächen auf dem Junkersgelände werden dann neu parzelliert und mit neuen Zufahrten versehen. Nun wird es Zeit, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen und verschiedenen Fragen nachzugehen, wie z.B. woher die Bezeichnung Junkersgelände stammt.
Hugo Junkers (1859-1935), nach dem das Gelände seit 1938 benannt ist, war ein deutscher Ingenieur und Unternehmer (Bild 2), der in Dessau (Sachsen-Anhalt) die Firma Junkers & Co. gründete und bis 1932 Eigentümer der Junkers Motorenbau GmbH und Junkers Flugzeugwerke war. Die damalige Weltwirtschaftskrise brachte seine Werke in finanzielle Schwierigkeiten. Zudem stand er dem neuen Regime der Nationalsozialisten im Wege und wurde unter Androhung eines Landesverrats-Prozesses enteignet. Der ihm eigene Zwang, wissenschaftliche Forschung zu betreiben, führte ihn zunächst nach Bayrischzell und anschließend nach Gauting, wo er aber bereits im Februar 1935 überraschend verstarb. Sein Leben war ein Leben für die Technik, aber das Ziel, uns mit dem Junkersgelände zu beschäftigen, läßt ein weiteres Eingehen auf den genialen Techniker nicht zu. In München gründete Junkers noch die „Forschungsanstalt Professor Hugo Junkers GmbH“. Nach seinem Tode erwarb seine Witwe Therese Junkers 1936 das frühere Hammerschmiede-Gelände Schneider (Bild 3) und baute dort eine Forschungsanstalt für Freikolben-Kompressoren auf. Für die Firma Johann Schneider, München Türkenstr. 52 und 54, die wenigen Allachern bekannt ist, liegt im Stadtarchiv vom 26.09.1921 eine Arbeitsordnung vor. Auf dem Bild von 1919 sehen wir nördlich anschließend an die Firma Sager und Wörner das Gelände von Johann Schneider – und östlich der Bahnlinie ganz oben die Waldkolonie.
Rudolph zeigt in seinem Stadtteilbuch ein Archivfoto vom Richtfest am 22.02.1936 (Bild 4). Der „Völkische Beobachter“, das publizistische Parteiorgan der NSDAP, schrieb am 24. Februar, dass dem offiziellen Teil des Richtfestes ein von wahrhaftem Gemeinschaftsgeist getragenes geselliges Beisammensein im „Allacher Garten“ folgte. Der „Würmtalbote“ hob besonders den Direktor Mierzinsky, die 100 Mann starke Belegschaft, den Allacher Bürgermeister Bäumer und den Sohn des Forschers, Erhard Junkers, hervor.
Ein von mir im Stadtarchiv aufgefundenes Schriftstück vom 22. November 1935 betreffend die „Forschungsanstalt Professor Junkers“ beschreibt die Planung folgendermaßen: „Bei der projektierten Anlage handelt es sich grundsätzlich um einen technisch-wissenschaftlichen Forschungsbetrieb. Als Projekt der Forschung stehen zur Zeit im Vordergrund: Freiflugkolben-Diesel-Kompressoren, Dieselmotoren und Metall-Leichtbau, einschließlich aller sich daraus ergebenden technischen Fragenkomplexe (wie beispielsweise das Gebiet der Raumbeheizung, -Lüftung und Beleuchtung bezüglich der Anwendung des Leichtbaues auf den Hausbau oder die Frage der Geräuschbekämpfung im Zusammenhang mit der Motorenforschung usw.). Aus dem Forschungsbetrieb ergibt sich einerseits zwangsläufig die Notwendigkeit werkstattmäßiger Fertigung als Forschungsbasis und als Forschungsobjekt, andererseits ist die fertigungsmäßige Entwicklung von Forschungsergebnissen bis zur praktischen Betriebsreife erwünscht oder auch erforderlich.“
Der werkstattmäßige Betrieb bestand aus den Abteilungen Mechanische Werkstatt, Schlosserei, Schmiede, Härterei, Schweißerei und Klempnerei. Die Anordnung der projektierten Gebäude waren aus einem mir nicht vorliegenden Übersichtsplan ersichtlich. Als Bauherr unterschrieb Frau Therese Junkers, geb. Bemhold. In den Industriehallen in Allach sind nur die Tonnendächer in der Zollbau-Lamellendach-Konstruktion (Bild 5) hergestellt. Dieses Bausystem, auch Zollbauweise genannt, wurde vom Merseburger Stadtrat Friedrich Zollinger Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt. In Allach ist das Dach auf Stahlbetonstützen fest aufgebracht, die Außenwände des dreischiffigen Hallentypus sind, wie im Gutachten des Denkmalpflegeamtes von 1992 vermerkt, mit basilikalem Querschnitt gemauert. Errichtet wurden die Hallen 4 und 6 nach Auskunft von Bernd Junkers 1937 und 1939. Aufgrund dieser Expertise wurden beide Hallen in die Denkmalliste aufgenommen. Für den Experten interessant sind auch die beiden noch vorhandenen Bodenbunker, von denen einer unmittelbar von der Halle aus betretbar war, jetzt ist der Eingang zugemauert.
In einem Teil 2 beschäftigen wir uns mit dem nun abgetragenen Erdbunker, den denkmalgeschützten Fassaden der noch vorhandenen Gebäude und den beiden Arbeitslagern in der Pasteur- und Schöllstraße, in denen die bei Junkers und Sager & Woerner beschäftigten Zwangsarbeiter untergebracht waren, und natürlich auch mit den Zukunftschancen für Gewerbetreibende.