20 Zentimeter machen den entscheidenden Unterschied: Der Mobilitätsausschuss des Münchner Stadtrats hat kürzlich beschlossen, bei der geplanten Erneuerung der Eisenbahnüberführung Dachauer Straße auch die Durchfahrt einer Trambahn mitzuplanen. Statt 4,50 Meter soll nun eine Durchfahrtshöhe von 4,70 Meter gebaut werden. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, die Tramlinie 20 zu einem späteren Zeitpunkt bis in den Landkreis Dachau zu verlängern. Das eigentliche Brückenbauwerk könnte dann unverändert bleiben.
Der Landkreis Dachau hatte um die Berücksichtigung dieser Option gebeten, und auch das interkommunale Konzept Raum München Nord betont den Bedarf einer leistungsfähigen, tangentialen Schienenanbindung zwischen der Stadt Dachau und einem U-Bahn-Haltepunkt im Münchner Norden. Eine Machbarkeitsstudie hat nun bestätigt, dass eine solche Verlängerung verkehrlich sinnvoll wäre.
Laut Verkehrsmodell könnte eine Tram rund 10.000 Fahrgäste pro Tag befördern. Weitere Vorteile: Die Nutzer kämen schneller voran, die S-Bahn nach Dachau würde entlastet, der Umstieg vom privaten Kfz auf den öffentlichen Verkehr attraktiver. Die Eisenbahnüberführung Dachauer Straße soll durch die Deutsche Bahn AG erneuert und ausgebaut werden. Zur Verbesserung der Verkehrssicherheit sollen auf beiden Seiten getrennte Geh- und Radwege entstehen. Zudem sollen drei statt bisher zwei Fahrspuren entstehen. Die aktuelle Durchfahrtshöhe soll von 3,70 Meter auf nunmehr 4,70 Meter erhöht werden.
Im Karlsfelder Gemeinderat kommen die Pläne für eine Tramverlängerung grundsätzlich gut an. Die Karlsfelder Grünen begrüßen ausdrücklich die Münchner Beschlüsse zur Verlängerung der Tram aus Moosach über Karlsfeld nach Dachau. Denn die Gemeinde Karlsfeld ersticke schon seit Jahren im Durchgangsverkehr. Die Tram schätzen sie als leistungsfähiges Verkehrsmittel zu moderaten Kosten ein. Daraus resultieren aus ihrer Sicht größere Realisierungschancen als beispielsweise eine Verlängerung der U-Bahn aus Moosach oder Feldmoching. „Wichtig ist, dass Karlsfeld frühzeitig in die Streckenplanung einbezogen wird: Es nützt zum Beispiel wenig, wenn die Tram nur den Karlsfelder Bahnhof anbindet“, sagt Thomas Nuber, Mitglied des Gemeinderats. „Die einzige sinnvolle und ergänzende Anbindung führt von Moosach entlang der B304 über MAN/MTU und die Münchner Straße nach Dachau. Optimal wäre eine zweite Haltestelle, je nach Streckenführung zum Beispiel in der Rothschwaige.“
Die Idee einer Tramverbindung von Moosach über Karlsfeld nach Dachau sei im Kern nicht neu, wie Adrian Heim erklärt. „In den 90er Jahren wurde eine solche Strecke als Teil des Stadt-Umland-Bahn-Projektes (SUB) im Großraum München geplant. Die Verlängerung der Tram von Moosach über Karlsfeld nach Dachau wäre letztendlich ein Aufleben dieses Projekts unter neuen Vorzeichen“, so der Fraktionssprecher des „Bündnis für Karlsfeld“. Der große Erfolg der Buslinie 172 zeige, dass es als Ergänzung zur S-Bahn Bedarf für leistungsfähige und schnelle Verbindungen nach München gibt. „Ich würde daher die Trambahn unterstützen. Die große Frage ist aber, wo die Tram Platz finden könnte. In Karlsfeld müsste dazu der Autoverkehr auf der Münchner Straße auf zwei Fahrspuren reduziert werden – das ist ohne langen Tunnel wohl unmöglich. In der Stadt Dachau würde es sogar noch schwieriger.“
Jeder Öffentliche Nahverkehr sei ein guter Nahverkehr, meint auch Franz Trinkl. „Ich freue mich über die Idee, die Tram von Moosach nach Dachau zu verlängern. Für Karlsfeld kann die Tram den Verkehrszuwachs etwas abmildern, wenn sie zum Beispiel Pendler zur MAN/MTU befördert. Wir können nur gewinnen.“
Auch er verweist darauf, dass die Idee nicht neu sei. In den 90erJahren sei das vielversprechende Projekt an der leidigen Frage gescheitert, wer soll was bezahlen. „Das ist in unserem vielgliedrigen politischen System immer das größte Problem. Selbst wenn das Projekt unstreitig ist und es jeder haben will, sitzt doch jeder Politiker erst mal auf seiner eigenen Kasse“, erklärt der SPD-Fraktionssprecher. „Daher müssen solche Maßnahmen von Bund und Land großzügig unterstützt werden. Die Zeit ist reif dafür. Schnell wird es aber sicher nicht gehen.“
Man sei eine vom Verkehr hoch belastete Gemeinde am südlichen Ende des Landkreises Dachau, betont Bernd Wanka. „Die Karlsfelder CSU kämpft seit Jahren für verkehrliche Entlastungsmaßnahmen. Derzeit sind verschiedene Systeme wie Seilbahnverbindungen, Ottobahn, Magnetbahn der Firma Bögl, der S-Bahn-Nordring und die Tramverlängerung im Gespräch und in Untersuchungen“, so der Verkehrsreferent der Gemeinde weiter. Nur eine U-Bahnverlängerung aus Feldmoching oder Moosach sei ohne eine Stadtentwicklungsmaßnahme (SEM) im Münchner Norden unrealistisch. „Wir benötigen dringend einen zweiten schienengebundenen Anschluss an die Landeshauptstadt, um das Auto als erstes Verkehrsmittel der Wahl abzulösen. Ich bin mittelfristig optimistisch, dass ein zweiter Anschluss unter Einbeziehung von Karlsfeld gelingt, ob das dann die Tram ist, wird sich zeigen.“
Nach Ansicht des CSU-Fraktionssprechers im Gemeinderat sei die Landeshauptstadt gefordert, den Münchner Nordwesten beim Ausbau des schienengebundenen ÖPNV nicht zu vergessen. Welches Verkehrsmittel es dann werde, sei nicht so entscheidend. „Mein dringender Appell als Verkehrsreferent des Karlsfelder Gemeinderates lautet nun, die Machbarkeitsstudien abzuschließen, Strecken zu identifizieren, Verkehrsmittel wählen, Finanzierungen zu sichern und baldmöglichst in konkrete Planungen einzutreten.“