Veröffentlicht am 26.09.2021 16:24

Mythos und Wahrheit

Lothar-Günther Buchheim begründete den Mythos um U 96. (Foto: Sigrid Neubert)
Lothar-Günther Buchheim begründete den Mythos um U 96. (Foto: Sigrid Neubert)
Lothar-Günther Buchheim begründete den Mythos um U 96. (Foto: Sigrid Neubert)
Lothar-Günther Buchheim begründete den Mythos um U 96. (Foto: Sigrid Neubert)
Lothar-Günther Buchheim begründete den Mythos um U 96. (Foto: Sigrid Neubert)

Vor drei Jahren wurde die alte Dauerausstellung „Das Boot“, die Museumsgründer Lothar-Günther Buchheim seinerzeit noch selbst kuratiert hatte, abgebaut. Denn nach umfangreichen Recherchen war klar: Die Biografie Buchheims und auch die Entstehung seines Weltbestsellers „Das Boot“ muss neu geschrieben werden.Vor kurzem eröffnete jetzt die neue Boot-Dauerausstellung im Museum der Phantasie in Bernried. Sie klärt den Mythos um „Das Boot“ und die historischen Hintergründe und geht dabei auch auf Distanz zum Museumsgründer.

Buchheim inszenierte sich als Mahner

Lothar-Günther Buchheim fuhr 1941 auf dem U-Boot U-96 in die Atlantik-Schlacht. Sein Roman „Das Boot“ wurde als Buch und später als Film zum Welterfolg. In vielen Bücherregalen steht sie noch, die Erstauflage von 1973. Dort heißt es im Klappentext: „Jedes Wort im Buch ist wahr. Es ist die Wahrheit eines Autors, der alles, was hier berichtet wird, erlebt hat.“ Doch Buchheims Phantasie reichte für mehrere Wahrheiten – und mehrere Bücher. Es war der Journalist Gerrit Reichert, der zu Buchheims 100. Geburtstag (2018) herausgefunden hatte, dass dieser kein kleines Rädchenwar, sondern viel tiefer in die Propagandamaschinerie der Nationalsozialisten verstrickt, als er sich selber eingestand und als die Öffentlichkeit ihn wahrnahm. Buchheim inszenierte sich nach dem Krieg gern als Unbequemer, als Mahner, und hinterließ mit „Das Boot“ eines der größten Antikriegs-Bücher. Heutzutage steht vieles in anderem Licht dar.

Vieles verwendete er wieder

Buchheim war kein Nazi, das muss klar gesagt werden. Doch Buchheim war einer, der mit den Wölfen gut zu heulen wusste und dies hinterher nicht mehr wahrhaben wollte. Insgesamt zeige sich laut Schreiber, „wie subtil, gezielt und erfolgreich sich Lothar-Günther Buchheim von einem der privilegiertesten, sichtbarsten und einflussreichsten „PK“-Männer der Wehrmacht zu einem unbedeutenden oppositionellen Kriegsberichter der Kriegsmarine umstilisierte”. Er war ein williger Helfer des Regimes: Dank seiner vielseitigen kreativen Begabung – malen, fotografieren, schreiben- machte er als Kriegsberichterstatter und Kriegspropagandist seine Aufgabe so gut, dass er von Karl Dönitz - dem Oberbefehlshaber der Kriegsmarine - persönlich die Order zum Propagandabestseller namens „Jäger im Weltmeer“ bekam, in dem es viel um den heroischen U-Boot-Krieg und die heldenhaften Männer an Bord gehen sollte. Die gleichen Erlebnisse auf der mehrwöchigen Fahrt im Herbst 1941 dichtete er 30 Jahre später zu seinem Roman „Das Boot“ um.

„Viele Textpassagen aus 'Jäger im Weltmeer' verwendete Lothar-Günther Buchheim in 'Das Boot' wieder,” so Museumsdirektor Daniel J. Schreiber. Aber war Dönitz beispielsweise in „Jäger des Weltmeers“ noch oberste Respektsperson, lässt Buchheim die Mannschaft in „Das Boot” ihn abfällig als „Maulhelden“ bezeichnen. Solche Beispiele gibt es viele. Insgesamt zeige sich, wie subtil, gezielt und erfolgreich sich Lothar-Günther Buchheim von einem der privilegiertesten, sichtbarsten und einflussreichsten „PK“-Männer der Wehrmacht zu einem unbedeutenden oppositionellen Kriegsberichter der Kriegsmarine umstilisierte.

Es ist die verblüffende Quintessenz der Ausstellung, die an dieser Stelle schlussfolgert: „Es ist kaum zu glauben, aber wahr: Der als Friedensbuch wahrgenommene Weltbestseller ‚Das Boot‘ geht im Kern auf einen Auftrag von Karl Dönitz für ein Propagandabuch der Kriegsmarine zurück.“

Neuer Audioguide

Zentrum der neuen Ausstellung „Das Boot« ist der Audio-Guide, der die Stoffgeschichte vom Roman „Das Boot” auf drei Ebenen nachvollzieht. Auf der ersten Ebene werden zentrale Passagen aus dem Kriegstagebuch des Kommandanten von U 96, Heinrich Lehmann-Willenbrock („Der Alte“) und aus dem privaten Tagebuch des Leitenden Ingenieurs, Friedrich Grade, vorgelesen. Die zweite Ebene sind Passagen aus Lothar-Günther Buchheims Kriegspropandawerk „Jäger im Weltmeer“ (1943/44), die dritte Ebene Passagen aus dem Roman »Das Boot« (1973). Im Nebeneinander dieser drei Ebenen verdeutlichen sich die zeitgenössische Realität der 7. Feindfahrt von U 96 und die fiktionale Realität, die Lothar-Günther Buchheim in Krieg und Nachkrieg daraus erschuf.

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