Die Nachricht erschüttert die Kunstszene: der Würzburger Kunstmäzen Hermann Gerlinger zieht seine weltberühmte „Brücke“-Sammlung aus dem Buchheim-Museum ab. Das verliert damit auf einen Schlag 1.000 Bilder. Leer soll es in den Bernrieder Ausstellungssälen trotzdem nicht werden. Den Verlust will das Museum mit einer neuen Dauerleihgabe eines Tutzinger Privatsammlers auffangen – 1.300 neue Bilder kommen dazu.
Eigentlich waren die Medienleute ja zur Pressekonferenz zur recht unverfänglich klingenden neuen Ausstellung mit der Münchner Künstlerin Katharina von Werz gekommen. Doch dann kündigte Museumsleiter Daniel J. Schreiber einen „bunten Strauß“ an Themen an, in dem sich viel Zündstoff verbarg: „Wir müssen über den Weggang der Sammlung Gerlinger informieren.“ Zu den Hintergründen war nicht viel zu erfahren. Schreiber sagte nur so viel: „Es war der Wunsch des Sammlers, anderweitig darüber verfügen zu können.“
Eine Pressemitteilung erklärte das Ende „wegen grundlegender Meinungsverschiedenheiten über die Durchführung des Leihverhältnisses“. Es habe deshalb im März einen Aufhebungsvertrag gegeben, ergänzte Schreiber, das Leihverhältnis sei seit September de facto beendet. Er bedauerte den Schritt: „Die Sammlung war eine schöne Verdichtung unserer Bestände.“ Eine ziemliche Untertreibung, denn 2017 war der Zuwachs noch als Bravourstück gefeiert worden, mit dem das Buchheim-Museum seine Bedeutung als Expressionisten-Museum eindrucksvoll ausbauen konnte. Der Unternehmer und Kunstmäzen Hermann Gerlinger besitzt schließlich die größte Privatsammlung der Expressionisten-Gruppe „Die Brücke“. V
iele Gemälde haben Weltgeltung, die Mitglieder sowieso: Karl Schmidt-Rottluff, Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, auch Emil Nolde und Max Pechstein zählen dazu. Das Buchheim-Museum hatte mehrere hochkarätige Sonderausstellungen damit bestritten. Auf mindestens zehn Jahre war die Dauerleihgabe angelegt. Zwei geplante Ausstellungen werden mit ausgewählten Werken noch zu sehen sein, außerdem wird die wegen Corona abgesagte „Rahmen“-Ausstellung nachgeholt.
Gerlinger ist jedenfalls bekannt für seine Knall auf Fall gefällten Entscheidungen. Schließlich war das Buchheim-Museum nur deshalb Domizil für die „Brücke“-Bilder geworden, weil sich der Sammler mit dem Kunstmuseum in Halle überworfen hatte. Das hatte es fertig gebracht, eines der Bilder zu verlieren. Und davor war es mit einem anderen Museum schon mal bis zum endgültigen Zerwürfnis gekommen, weil sich Gerlinger ständig in alles einmischte, wie sich leicht im Internet googeln lässt. Kunstfreunde werden sich jetzt fragen, was der 90-jährige Unternehmer mit seiner hochkarätigen Sammlung von 1.000 Bildern vorhat. Doch das hat er nicht erzählt, jedenfalls nicht dem Bernrieder Museumsleiter.„Vermutlich weiß nur er ganz allein, was damit passiert“, sagte Schreiber dazu. Gut möglich, dass jetzt Gerlingers Heimatstadt Würzburg zum Zuge kommt, wenn sie die Sache mit den passenden Ausstellungsräumen endlich hinkriegt.
Die Lücke will das Buchheim-Museum mit der Sammlung Joseph Hierling schließen. Der in der Pressekonferenz offiziell vorgestellte Sammler, der in Tutzing lebt, hat dem Museum seine 1.300 Werke umfassende Sammlung des „Expressiven Realismus“ zugestiftet. Das bedeutet eine Vervierfachung des Museums-Bestands mit den rund 500 Bildern aus der Sammlung Buchheim. Hierling hatte eine leitende Stellung beim Bayerischen Rundfunk, außerdem war er leidenschaftlicher Galerist.
Der Expressive Realismus ist eine Strömung zwischen den beiden Weltkriegen. „Er verbindet Impressionismus und Expressionismus“, erläuterte Hierling, der es begrüßte, dass die Bilder dieser durch die Zeitumstände zu Unrecht „durchs Raster gefallenen Künstlergeneration hier an so prominenter Stelle“ zur Geltung kommen. „Es gibt viel zu entdecken und wir haben irre viel Ideen“, sagte Schreiber. Nicht unterkriegen lassen wollte sich auch der Vorstandsvorsitzende der Buchheim-Stiftung: „Es katapultiert uns in die Zukunft und ist eine große Perspektive für die Weiterentwicklung des Hauses“, schwärmte Dr. Walter Schön. Bislang war der Löwenanteil der Sammlung in der Kunsthalle Schweinfurt zu sehen gewesen. Ein richtiges Bäumchen-Wechsel-Spiel also in der Kunstszene.