Wirtschaftsminister Robert Habeck wolle Arbeitsräume nur bis zwölf Grad beheizen, heißt es im Netz. Das stimmt nicht. Die Grenze gilt laut einer neuen Verordnung nur bei schwerer körperlicher Arbeit in öffentlichen, unbewohnten Gebäuden.
„Habeck will nur noch 12 Grad in Arbeitsräumen“, schreibt ein Nutzer auf Twitter. Auch auf Facebook verbreitet sich diese Behauptung. Eine Nutzerin kommentiert dort: „Wenn ich nur noch 12 Grad im Büro habe, bilden sich Eiszapfen an meinen Fingern.“ Beide Beiträge verlinken einen Artikel der Nachrichtenseite News.de vom 17. August mit der Überschrift „Kampf gegen Gas-Notlage: Nur noch 12 Grad in Arbeitsräumen! So will Habeck nun Energie sparen“. Die Beiträge suggerieren, eine Grenze von zwölf Grad Celsius beziehe sich auf alle Arbeitsräume, also auch auf Büros. Unsere Recherche zeigt: Das ist irreführend.
Es geht um eine Verordnung, die nicht generell für Arbeitsräume gilt, sondern für öffentliche Arbeitsstätten, etwa Rathäuser. Pflegeheime, Kitas oder Kliniken sind davon ausgeschlossen. Die Grenze von zwölf Grad gilt nur für körperlich schwere Tätigkeiten. Schon seit Jahren empfiehlt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin für solche Tätigkeiten eine Raumtemperatur von mindestens 12 Grad.
Am 16. August berichtete Business Insider vorab über einen Entwurf der neuen Verordnung. Demnach gelten in öffentlichen Gebäuden unterschiedliche Höchstwerte je nach Art der Tätigkeit. Für „körperlich leichte und überwiegend sitzende Tätigkeit wie im Büro“ seien es 19 Grad, für körperliche leichte Tätigkeit überwiegend im Stehen oder Gehen 18 Grad, für mittelschwere und überwiegend sitzende Tätigkeit 17 Grad, für mittelschwere Tätigkeit überwiegend im Stehen oder Gehen 16 Grad und für körperlich schwere Tätigkeit 12 Grad.
Die Bundesregierung hat am 24. August zwei Verordnungen zum Energiesparen beschlossen und veröffentlicht: eine mit kurzfristigen Maßnahmen und eine mit mittelfristigen Maßnahmen. Die Verordnung mit kurzfristigen Maßnahmen enthält die oben genannten Temperaturgrenzen. Sie tritt am 1. September 2022 in Kraft und gilt für sechs Monate.
Die Information, für welche Arbeitsräume welcher Grenzwert gilt, findet sich auch im Text von News.de, der in Sozialen Netzwerken aber nur teilweise verlinkt wird. Teilweise wird auch nur ein Screenshot der Überschrift geteilt – und diese ist irreführend. Sie suggeriert fälschlich, die Höchsttemperatur von zwölf Grad beziehe sich auf alle Arbeitsräume – und dass dies eine völlige Neuerung sei.
Tatsächlich gab es die Empfehlung von mindestens 12 Grad für Räume, in denen schwer gearbeitet wird, schon vorher. Sie wurde in den technischen Regeln für Arbeitsstätten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin festgelegt. Für Arbeitsräume bei leichter körperlicher Arbeit im Sitzen lautete die Empfehlung bislang mindestens 20 Grad – das ist ein Grad mehr als in der neuen Verordnung. Diese Regeln waren bisher nicht verpflichtend.
Für eine Reihe öffentlicher Gebäude gelten die neuen Maßnahmen nicht, wie aus der Verordnung hervorgeht. Ausgenommen sind medizinische Einrichtungen, Schulen und Kitas. Die Temperatur-Grenzen in der Verordnung beziehen sich zudem lediglich auf sogenannte „Nichtwohngebäude“ – damit sind zum Beispiel Pflegeheime ebenfalls nicht betroffen.
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