Selbstgeführte Stadttouren sind „in“. Eine Neuauflage ihres Kulturspaziergangs präsentierte nun die Stadt Starnberg zusammen mit der Tourismusförderungsgesellschaft gwt. Viele der im Jahr 2005 aufgestellten Infotafeln waren im Lauf der Zeit beschädigt oder absichtlich demoliert worden. Deshalb beschloss der Stadtrat 2021, die Tafeln zu erneuern und das ganze Konzept zu überarbeiten. So gibt es nicht nur neue Inhalte, sondern zum bereits vorhandenen Stadtrundgang auch einen „Wasserspaziergang“ am See entlang zum Bucentaurpark – und neuerdings auch einen Audioguide mit zehn Stationen.
Der Audioguide findet sich als rosa Eyecatcher auf den Stelen. Dampfersteg, Undosa, Lochmannhaus: Die Tracks mit einer Dauer zwischen fünf und acht Minuten bieten ein richtiges „Hörspielerlebnis“ mit Musik und Begleitgeräuschen im Hintergrund, wie Projektleiterin Isabell Bauch (gwt) sagte. Historische Persönlichkeiten erzählen aus ihrem Alltag. So freut sich etwa eine junge Frau aus den Zwanzigerjahren darauf, ihren neuen Badeanzug in der mondänen Badeanstalt Undosa vorzuführen und Theodor Hirneis klappert authentisch mit Töpfen und Pfannen. Hirneis war der ehemalige Hofkoch König Ludwigs I. und bereitete ihm auch die letzte Mahlzeit vor dessen Tod im See zu. Später gründete Hirneis einen Delikatessenladen in Starnberg – der Vorläufer des Traditionshauses Schindler, das mittlerweile von Feinkost Käfer übernommen wurde. Professionelle Schauspieler haben die Geschichten eingesprochen. Einer von ihnen ist zum Beispiel der in Berg lebende Philipp Moog, der als deutsche Stimme von Orlando Bloom und Owen Wilson bekannt ist. Dass die Audioguides ganz einfach zugänglich sind, sei ein wichtiger Bestandteil des Konzepts gewesen, betonte Bauch. Ein Scannen des QR-Codes genügt, dass die Geschichten starten. „Vielen Besuchern ist das Downloaden oder eine App zu mühsam, es erhöht nicht die Akzeptanz“, sagte sie. Für alle, die noch mehr historische Hintergründe erfahren wollen, gibt es einen weiteren QR-Code auf den Tafeln.
Das Starnberger Stadtarchiv hat den bisherigen Inhalt der Kulturtafeln überprüft – und allerhand Neues zu Tage gefördert. So sei das Gebäude der Musikschule anfangs ein Armenhaus gewesen, erst später ein Krankenhaus, erklärte Archivleiter Christian Fries. Noch spannender ist die Geschichte der Wassersportsiedlung. Die Nationalsozialisten hatten Großes damit vor und wollten sie zu einem führenden Sportzentrum Deutschlands ausbauen, aber dann kam der Krieg dazwischen, berichtete Fries. „Davon wissen die wenigsten Starnberger.“
Gästeführerin Dr. Claudia Wagner war für die inhaltliche Gestaltung verantwortlich. Ihr sei es wichtig gewesen, nicht nur vom Märchenkönig zu erzählen, sondern auch vom früheren Fischerdorf. Und die Jahre zwischen 1933 und 1945 nicht auszulassen. Dass nicht nur Touristen und Tagesgäste, sondern auch die Starnberger Einheimischen ihre Stadt mit Audioguide und den Kulturtafeln erkunden, wünscht sich Petra Brüderl vom Kulturamt. „Das ist Geschichte zum Anfassen”, schwärmte sie. „Damit kann man richtig in die Historie der Stadt eintauchen.“
Die Chancen stehen gut, dass der Audioguide bei den Besuchern ankommt. Darauf lässt die Beliebtheit des ähnlich konzipierten König-Ludwig-Spaziergangs am Ostufer schließen. Die gwt hat seine Nutzung gezählt. Über 43.000 mal wurde der Audioguide seit seiner Einführung im August 2021 aufgerufen, freute sich Isabell Bauch. Warum die Hörgeschichten so gut ankommen, weiß gwt-Geschäftsführer Christoph Winkelkötter: „Die Besucher wollen unterhalten werden nach dem Kaffeetrinken.“ Er betonte den großen Mehrwert der Audioguides für die Stadt Starnberg und stellte eine Fortsetzung in Aussicht, sofern sich die Finanzierung dafür findet. Zumindest ein neuer Audioguide ist bereits gesichert: Ein „Sisi-Spaziergang“ soll Ende des Jahres vorgestellt werden.