Zwei Jahre lang waren die dreizehn Hobby-Historiker der Pasinger Geschichtswerkstatt auf jüdischer Spurensuche im Münchner Westen unterwegs. Die Ergebnisse ihrer Forschung sind derzeit in der Ausstellung „Ins Licht gerückt“ in der Pasinger Fabrik zu sehen. Das gleichnamige Begleitbuch fasst auf 300 Seiten die Ausstellung sowie nicht gezeigte Exponate ausführlich zusammen.
In Kooperation der Münchner Volkshochschule/Stadtbereich West, der Pasinger Fabrik und der Stadtbibliothek Pasing anlässlich der hundertjährigen Stadterhebung Pasings entstanden, wollte die Werkstatt individuellen jüdischen Lebens- aber auch Firmengeschichten nachgehen. „In der Lokalgeschichte fehlte die jüdische Dimension“, erklärte Dr. Bernhard Schoßig während der Vernissage die Motivation der Gruppe, wobei diese zuallererst die Abgrenzung des Begriffs „Jüdisch“ vornahm. „Viele haben sich selbst nicht als Juden im religiösen Sinn empfunden und wurden in der Nazizeit wieder zu Juden gemacht. Auch das ist ein wichtiger Aspekt unserer Ausstellung“, konstatierte er.
Der promovierte Gründungsinitiator und Moderator Schoßig beschäftigte sich sein ganzes Berufsleben mit historisch-politischen Hintergründen und konnte daher den ehrenamtlichen Historikern die nötigen fachlichen Hinweise geben. Geforscht wurde innerhalb des Zeitrahmens von 1890 bis 1960. „Es ging uns darum, die Juden in Pasing als Teil der Gesellschaft wahrzunehmen. Juden sind nicht Opfer allein, sondern treibende Kraft bei der wirtschaftlichen Entwicklung über wirklich lange Zeit, auch wieder nach dem Krieg“, betonte Schoßig.
Die Gruppe konnte die Lebenswege von rund 200 jüdischen Familien aufzeigen. Was sie zutage brachte, übertraf selbst ihre eigenen Erwartungen. „Wir haben mehr gefunden, als wir jemals dachten“, äußerte der Initiator. Am Ende seiner Ansprache in der Wagenhalle der Pasinger Fabrik dankte er nicht nur seinen unermüdlichen Werkstatt-Mitstreitern für die enorme Leistung in den vergangenen zwei Jahren, den Unterstützern aus Stadt und Land, sondern vor allem auch den vielen Angehörigen für ihr Vertrauen und das Überlassen sehr persönlicher Erinnerungsstücke und Fotos für die Ausstellung. Unter anderem steht der Flügel des jüdischen Opernsängers Berthold Sterneck als Leihgabe in der Ausstellung.
Ans Aufhören denken die Geschichtswerkstattler allerdings noch nicht. Schoßig wünscht sich einen Mobilisierungseffekt unter den Besuchern der Ausstellung, damit weitere historische Quellen erforscht werden können. „Wir haben in die Ausstellung eine Last-Minute-Vitrine aufgestellt für alle Fotos und Exponate, die uns während der Ausstellung übergeben werden. „
Gastredner und Besucher zeigten sich überwältigt von der Fülle der Informationen. Doch die größte Anerkennung für die geleistete Arbeit war der Dank der betroffenen Familien, vorgetragen von Esther Sterneck, Enkelin von Berthold Sterneck: „Es ist sehr bewegend und ein wunderbarer Triumph, dass wir hier versammelt sein dürfen. Gemeinsam mit anderen Familien, die ein ähnliches Schicksal wie das unsere durchlitten haben.“
Insgesamt zwölf Familien waren der Einladung zur Vernissage gefolgt und kamen aus ganz Deutschland, Europa und Amerika. Der Sterneck-Enkel Peter Sanders übernahm mit seiner Partnerin Cornelia Heymann die musikalische Umrahmung der Vernissage und spielte außerdem auf dem Flügel seines Großvaters ein seiner Mutter gewidmetes Stück.
Ellen Presser, Leiterin des Kulturzentrums der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, verlas das Grußwort der Präsidentin des Zentralrates der Juden, Charlotte Knobloch. „Ohne Ihr Wirken und Ihre Phantasie wäre diese hervorragende Ausstellung nicht zustande gekommen“, dankte sie in dem Schreiben der Geschichtswerkstatt. Knobloch hatte als kleines Kind in der Nazizeit Unterschlupf bei der Familie Sterneck im Münchner Westen gefunden und fühlt sich daher auf besondere Weise mit dem Gezeigten verbunden, so dass sie gern die Schirmherrschaft über die Ausstellung übernommen hatte.
Selbst die Gebäude der Pasinger Fabrik seien mit den jüdischen Spuren eng verbunden, meinte der Geschäftsführer des Hauses Frank Przybilla. „Die Pasinger Fabrik ist mehr als nur Ausstellungsort, denn ihr historischer Kern war Firmenkontor der ehemaligen Schuhfabrik der Unternehmer Julius Stein und David Heymann.”
Hans-Georg Küppers, Kulturreferent der Landeshauptstadt München war ebenfalls voll des Lobes für die Hobby-Historiker: „Die Stadt München dankt Ihnen für Ihr beispielhaftes ehrenamtliches Engagement. Sie haben die Erinnerungen mit Leben gefüllt.“
Zeitgleich wurden zwei weitere Ausstellungen über jüdische Künstler in der Pasinger Fabrik eröffnet. Zum einen zeigt der Lichthof das Lebenswerk von Rudi Weissenstein, als hochgeschätzter israelischer Fotograf, der das vielfältige, facettenreiche israelische Leben dokumentierte. Sein eine Viertelmillion Negative umfassendes Archiv wird das visuelle Gedächtnis des jüdischen Staates genannt. Konzept und Idee der Fotoschau stammt von Rachel Heller.
Zum anderen sind die Werke des „geheimnisvollen Malers“ Bahumil Samuel Kecir aus der Tschechei als Teil der Ausstellungsserie „curators choice“ zu sehen. Kecir, der viele seiner Werke aufgrund seiner Verfolgung zu NS- und kommunistischen Zeiten in Strafanstalten oder psychiatrischen Kliniken geschaffen hat, gilt als Könner lyrisch-expressiver Abstraktionen. Die gezeigte Werkschau entstammt einer österreichischen Privatsammlung.
Alle drei Ausstellungen sind bis zum 25. Mai zu sehen.