Im Jahr 2015 wird die Autobahn A 96 vom Mittleren Ring bis zur Stadtgrenze unter einem Deckel verschwunden sein. Lärm, Autoabgase und Feinstaub werden dann in dieser Tunnelröhre bleiben, dort gefiltert und wie bei anderen ähnlichen Systemen abgeleitet werden. Die durch die Autoschneise voneinander getrennten Stadtteile sollen dann wieder zusammenwachsen. Haderns Dorfkern wird in sieben Jahren wie einst das Zentrum eines Stadtteils bilden. Laim, Hadern und die Blumenau werden wie vor dem Bau mit dem Westpark verbunden sein. Auf der gewonnenen Oberfläche werden Kinder Fußball spielen, Skateboard fahren, Märkte zum Kauf einladen und die Bewohner vielfältige Möglichkeiten haben, sich zu treffen. Der Zeitplan für dieses große menschenfreundliche Vorhaben steht, die Finanzierung der „Einhausung” der A 96 ist konkret ausgearbeitet. Sie soll 120 Millionen Euro kosten. Eine Utopie?
Marion Kutscher, Jürgen Weckerle und Josef Köck, Sprecher der „Bürgerinitiative BAB96 München – zum Schutz der Anwohner der Autobahn A 96 gegen Lärm, Schmutz und Abgase“ feuerten bei der ersten Mitgliederversammlung in der Gaststätte „Schienhammer” in Kleinhadern ein wahres Feuerwerk an Fakten und Argumenten ab. Sie sind überzeugt davon, dass die „Einhausung“ Wirklichkeit werden wird. Für ihre professionelle, sach- und fachkundige Arbeit ernteten sie vom Publikum viel Lob. Auch von Manuel Restle.
Der Sprecher der Lärmschutz-Initiative Münchener Bürger an der A 95 informierte sich über die Aktivitäten der Nachbar-Initiative: „Da kann man ja richtig neidisch werden, Wahnsinn.“ „Schwer beeindruckt“ war auch Georg Eisenreich (CSU), Mitglied des Landtags. Er beglückwünschte die „BIBAB96“ dazu, dass es ihr seit der Gründung im August innerhalb von drei Monaten gelungen ist, 550 Mitglieder zu werben. Johann Stadler (CSU), Vorsitzender des Bezirksausschusses Hadern, sagte anerkennend: „Ich finde das toll, dass sie sich so reingekniet haben.“ Dies Engagement werde, so hoffe er, ein Ergebnis zeitigen und „wir am Schluss alle profitieren”.
Marion Kutscher fährt täglich mit dem Rad von Laim über die Autobahnbrücke in den Stadtteil Sendling-Westpark. Die Staus auf der Autobahn regen sie an. „Das motiviert mich ungeheuer, etwas zu bewegen“ sagt die rührige „BIBAB96“-Sprecherin. Marion Kutscher: „Die Gesundheit unserer Kinder ist jetzt schon gefährdet und der Verkehr wird immer mehr.“
„Wir sind alle leidgeprüft“, trug ein aufgebrachter Vater in der Versammlung vor, zu der rund 120 Mitglieder gekommen waren. „Als wir 1991 hierher gezogen sind, hatten wir ein pumperlgesundes Kind. Im Herbst 1992 ist dann eine Neurodermitis festgestellt worden.“ Das habe mit der Schadstoffbelastung an der A 96 zu tun, vermute eine Ärztin. „Die Autobahn macht krank“, sind die Mitglieder der Bürgerinitiative überzeugt. Viele machten ihrem Ärger und ihrer Sorge Luft. Der Verkehr, der, seit die Spange der A 99 von der Stuttgarter Autobahn an die Lindauer Autobahn angebunden worden ist, drastisch zugenommen und damit auch die Lärm- und Schadstoffbelastung an der Autobahn verstärkt hat, sei für die Anwohner unzumutbar und gesundheitsschädlich geworden, klagen sie. Heuschnupfen bei Kindern und Atemprobleme – „es gibt viele Anwohner die Asthmaanfälle haben“ – träten bei ihnen gehäuft auf.
Die Leidensgeschichten ähneln einander. Lärm, Abgase und Feinstaub machen das Atmen und das Leben schwer. Wolfgang Walters Einfamilienhaus steht in der Langbehnstraße direkt neben der Autobahn. „Das Obst aus unserem Garten ist ungenießbar. Es ist von einem dicken Ölfilm überzogen“, sagt er resigniert. „Ich kann im Garten nichts mehr anpflanzen.“ Die Anwohner sind sich einig: „Wir fordern einen Deckel über die Autobahn.“ Nur eine solche „Einhausung“, das wäre eine Art überirdischer Tunnel, bringe ihnen Lebensqualität zurück. Die gewonnene Fläche von rund 23 Hektar auf der Oberfläche des Deckels biete neue Chancen für urbanes Leben, für grüne Orte der Entspannung und Erholung im Münchner Westen.
Selbst bei ohrenbetäubenden Werten von 70 Dezibel – an der A 96 liegt er häufig über 65 Dezibel – bestehe rechtlich kein Anspruch auf Lärmschutz an der A 96, trug Marion Kutscher vor. Der Grund: Es werde zwischen Lärmvorsorge bei neuen und Lärmsanierung bei alten Autobahnen unterschieden. Die „BIBAB96“-Sprecherin: „Diese Verordnung des Bundesimmissionsschutzgesetzes ist nicht haltbar.“ J
etzt sucht die Initiative Zeitzeugen, die sich daran erinnern oder durch Fotos beweisen könnten, dass an der A 96 zusätzliche Fahrspuren gebaut wurden. Denn: Aus solch einem „erheblichen baulichen Eingriff“ in einen bestehenden Verkehrsweg leitet sich wiederum ein Rechtsanspruch auf Lärmschutz ab. Kutscher mahnte das sowohl von der Stadt als auch im Grundgesetz der Bundesrepublik garantierte Recht der Bürger auf körperliche Unversehrtheit an. Stadt und Staat müssten ihrer Fürsorge- und Schutzpflicht nachkommen. Die „BIBAB96“-Sprecherin: „Für den Feinstaub ist die Stadt München zuständig. Für den Lärm der Bund. Das macht das Ganze so schwierig.“ Dennoch schaut die Initiative nach vorn.
Marion Kutscher:„Es gibt bereits tolle Beispiele. Hamburg und Linz machen es uns vor.“ Georg Eisenreich ergänzte: „Das ist nicht nur eine spinnerte Idee.“ Er plädiert dafür, sich mit Vertretern der Gemeinde Gräfelfing zusammenzusetzen, denn auch die wollten die „Einhausung.“ Als nächstes Ziel hat die „BIBAB96“ eine Machbarkeitsstudie für die „Einhausung“ angepeilt. Die Zahl ihrer Mitglieder dürfte weiter steigen, denn „zigtausende“, wie ein Mitglied vermutet, seien als Leidtragende der A 96 betroffen. Johann Stadler schätzt deren Zahl auf 10.000. Jürgen Weckerles Annahme geht sogar von 70.000 Menschen aus.