Veröffentlicht am 21.01.2009 14:23

Einmal hinter die Kulissen und zurück


Von cm
Hinter den Kulissen des Plenarsaals im Deutschen Bundestag. (Foto: cm)
Hinter den Kulissen des Plenarsaals im Deutschen Bundestag. (Foto: cm)
Hinter den Kulissen des Plenarsaals im Deutschen Bundestag. (Foto: cm)
Hinter den Kulissen des Plenarsaals im Deutschen Bundestag. (Foto: cm)
Hinter den Kulissen des Plenarsaals im Deutschen Bundestag. (Foto: cm)

Pink ist er, aus Plastik und gerade einmal so groß wie eine Telefonkarte. Genau drei Tage ist er gültig und wird mich während meines Aufenthaltes in Berlin überall hin begleiten. Das Datum, mein Name und ein großes „P“ für „Presse“ auf der Vorderseite kennzeichnen ihn eindeutig als Presseausweis und machen ihn damit zu meiner persönlichen Eintrittskarte in sämtliche Räumlichkeiten des Deutschen Bundestages. In die Hauptstadt bin ich auf Einladung der CSU und des Abgeordneten Hans-Peter Uhl hin gereist, um an einem von der Hanns-Seidel-Stiftung organisierten Medienseminar teilzunehmen. 40 Journalisten aus ganz Bayern sollen über Politik und Medien in Berlin informiert werden. 40 pinke Presseausweise sieht man nun an den Jacken, Pullis und Blusen unserer Journalistengruppe hervor blitzen.

„Den Ausweis deutlich sichtbar tragen!“, betont der Mann am Presseeingang des Deutschen Bundestages noch einmal, bevor wir der Reihe nach wie am Flughafen unsere Taschen durchleuchten lassen und von der Security abgetastet werden. Danach geht es sofort nach oben zur Pressetribüne im Plenarsaal. Hier haben sich bereits einige Fotografen die Plätze in der ersten Reihe gesichert und knipsen ein Bild nach dem anderen von Rednern und Reaktionen der Abgeordneten. Auch ich versuche, ein paar Bilder von Bundeskanzlerin Angela Merkel während ihrer Rede zur Haushaltsdebatte zu machen, habe jedoch Schwierigkeiten, weil Blitz verboten ist. Und unten im Plenum bewegt sich sehr viel. Die Rede der Kanzlerin gibt den Abgeordneten von FDP und Linke Anreiz für Zwischenrufe und Lacher. Im Gegenzug wird auf der Regierungsbank heftig getuschelt und auch mal eine SMS geschrieben, während Oskar Lafontaine seine Ansichten zur Haushaltsdebatte darlegt. Jedes Wort wird eifrig von den Stenographen mitgeschrieben und jede Geste über zahlreiche Kameras aufgenommen. Die Pressearbeit in Berlin lebt vom Geschehen im Bundestag.

Fernsehansprachen

Besonders deutlich kann man das in den Hauptstadtstudios der Fernsehanstalten beobachten. Ich bekomme im Rahmen des Medienseminars die Gelegenheit, das ARD-Hauptstadtstudio einmal von innen zu sehen. Den Presseausweis brauche ich hier als Besucherin nicht, dafür blaue Schuhüberzieher aus Plastik, mit denen man das Fernsehstudio betreten darf. „Wegen dem Salz auf den Gehwegen draußen“, erklärt die Führerin unserer Journalistengruppe. „Das ist an Ihren Schuhsohlen dran und würde ohne Überzieher das ganze Studio verschmutzen.“ Also werden wir mit „Schlumpf-Füßen“ durch den Fernsehregie-Raum mit Wänden voller Monitore und das TV-Studio mit Greenbox geführt.

Bei einer Greenbox setzen sich Politiker oder Pressesprecher vor eine grüne Wand und halten ihre Fernsehansprache. Bei der Ausstrahlung wird der grüne Hintergrund dann durch ein beliebiges Bild ersetzt und es scheint so, als wäre der Sprecher an diesem Ort. Alles Grüne wird ausgeblendet und erscheint durchsichtig. An einer Journalistin unseres Seminars, die einen grünen Pulli an hat, können wir den Effekt sofort beobachten: auf dem Monitor ist ihr Oberkörper unsichtbar. Die Greenbox ist eine häufig genutzte Technik zur Berichterstattung aus Berlin und genau darauf kommt es im Hauptstadtstudio an. „Wir sind als Korrespondenten eingesetzt“, erklärt Chefredakteur Markus Spieker, „unsere Aufgabe ist es, ganz Deutschland über die Geschehnisse im Regierungsviertel zu informieren.“

„Unter drei”

„Dabei helfen uns natürlich auch die Hintergrundkreise, in denen wir Journalisten uns oft „unter drei“ mit den Politikern unterhalten.“ Moment! Hintergrundkreise? „Unter drei“? Der Chefredakteur spricht schnell, gestikuliert stark, ist schon beim nächsten Thema und erzählt, dass man als Korrespondent in Berlin nur höchstens für sieben Jahre eingesetzt wird. An die „Journalistensprache“ muss ich mich erst noch gewöhnen. Auch Peter Ramsauer, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe, erwähnt im Gespräch mit unserer Gruppe einen von der CSU organisierten Hintergrundkreis, in dem strenge Regeln herrschen. Eine der ersten Fragen von der Bundesministerin für Landwirtschaft und Ernährung, Ilse Aigner, ist, ob wir hier beim Medienseminar „unter drei“ sind. Die Begriffe „Hintergrundkreis“ und „unter drei“ gehören für Politiker und Journalisten in Berlin zum ganz normalen Sprachgebrauch, wie in Bayern „Griaß di“ und „Pfiat di“.

In Hintergrundkreisen treffen sich Abgeordnete mit der Presse auf neutralem Boden, zum Beispiel bei einem Abendessen in einem Restaurant, und unterhalten sich über alles mögliche. Unter anderem über Politik. Dabei wird vor einer Äußerung genau festgelegt, ob, und auf welche Weise zitiert werden darf. Alles, was „unter eins“ gesagt wird, kann zitiert werden. Über Aussagen „unter zwei“ darf man zwar berichten, der Abgeordnete will jedoch nicht namentlich genannt werden. In den Nachrichten heißt es dann oft: „Wie uns aus sicherer Quelle bekannt ist...“. „Unter drei“ schließlich bedeutet, dass das Gesagte reine Hintergrundinformation für den Journalisten und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist. „Da spielt gegenseitiges Vertrauen eine wichtige Rolle“, betont Ramsauer.

Allerdings dürfe man auch nicht vergessen, dass jeder vom anderen abhängig ist, informiert uns der Chef vom Dienst des Bundespresseamtes, Claus Zemke. Wie sollten die Politiker ihre Wähler informieren, wenn nicht über die Presse? Und umgekehrt: Über was sollten die Journalisten in Berlin berichten, wenn nicht über die Regierung?

Das Medienseminar, auf dem ich mich befinde, heißt „Politik und Medien in Berlin“ und der Name hält, was er verspricht. In den drei Tagen bewege ich mich nur im Regierungsviertel der Bundeshauptstadt und lerne zahlreiche Politiker persönlich kennen. Sie kommen mit unserer Journalistengruppe ins Gespräch und sind für mich einmal hautnah zu erleben. Ja, Ilse Aigner ist tatsächlich so zielstrebig und wortgewandt, wie sie im Fernsehen auftritt. Ja, der Generalsekretär der CSU, Karl-Theodor zu Guttenberg, sieht auch live so gut aus, wie auf Zeitungsbildern und wirkt nur leicht gestresst, weil an diesem Tag im Plenum namentliche Abstimmungen zum Thema „Erbschaftssteuer“ stattfinden. „Aber als Politiker muss man mit Stress umgehen können“, sagt er mit einem Lächeln und konzentriert sich dann ganz auf die Fragen aus unserer Runde. Dass für Politiker Stress zum Alltag gehört, bestätigen auch Aigner, als sie über ihre Verhandlungen in Brüssel erzählt, und Ramsauer, der von langwierigen Koalitionsverhandlungen berichtet.

Uhl hautnah

Inzwischen kenne ich mich im Regierungsviertel schon gut aus, trage meinen Presseausweis immer deutlich sichtbar und denke daran, in Konferenzräumen vor und nach dem Sprechen den Knopf am Mikrofon zu drücken. Eigentlich sollte ich hier im Herzen Berlins auch Hans-Peter Uhl, den Abgeordneten meines Wahlkreises, für ein persönliches Gespräch treffen. Die Sekretärin seines Büros macht mir jedoch am Telefon klar, dass sein Terminkalender das nicht zulässt. So treffe ich den 64-jährigen schließlich in München in einer schicken Kanzlei über den Dächern Münchens.

Uhl ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe Innenpolitik der CDU/CSU-Fraktion und hat daher in den Sitzungswochen in Berlin viel zu tun. Ein Tag in der Bundeshauptstadt beginnt für ihn um acht Uhr im Büro, beinhaltet regelmäßige Sitzungsvorbereitungen, Koalitionsgespräche, Fraktions- und Plenarsitzungen und endet erst spät abends, oft nach langen Gesprächen mit Journalisten. „Ich kenne mich in Berlin kein bisschen aus! Ich bewege mich tatsächlich nur im Regierungsviertel“, erzählt er.

Am Wochenende und außerhalb der Sitzungswochen kommt er nach München und nimmt Termine im Wahlkreis wahr. „Ich fliege manchmal nur für einen oder zwei Tage nach München zurück, aber es lohnt sich: Einerseits bin ich im Wahlkreis präsent und andererseits treffe ich meine Familie.“ Über den damit verbundenen Stress beklagt sich auch er nicht, lächelt viel und freut sich, dass wir ein Foto draußen auf dem Dach in der Sonne machen.

Als ich mich zum Gespräch mit Hans-Peter Uhl anmelde, fällt mir auf, dass etwas fehlt. Hier in München muss ich keinen pinken Presseausweis mehr herzeigen, um ins Gebäude gelassen zu werden. Die kleine Plastikkarte habe ich in Berlin wieder abgegeben. Direkt langweilig und farblos kommt mir mein weißer Pulli jetzt vor. Aber vielleicht besitze ich ja irgendwann wieder diese besondere Eintrittskarte in den Bundestag und hinter seine Kulissen. Dann sichere ich mir einen Stammplatz in der ersten Reihe auf der Pressetribüne im Plenarsaal. Im Moment bin ich jedoch noch Praktikantin in der Redaktion des Werbe-Spiegel-Verlags und am Anfang meines Weges zu einer Journalistin, die in großen Konferenzräumen und Hintergrundkreisen verkehrt. Daran könnte ich mich allerdings gewöhnen.

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