Veröffentlicht am 12.04.2011 00:00

Garching/München · Wie sicher ist FRM II?


Von red
Die Forschungs-Neutronenquelle und das Atomei in Garching sind auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. 	 (Foto: © Wenzel Schürmann/ TU München)
Die Forschungs-Neutronenquelle und das Atomei in Garching sind auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. (Foto: © Wenzel Schürmann/ TU München)
Die Forschungs-Neutronenquelle und das Atomei in Garching sind auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. (Foto: © Wenzel Schürmann/ TU München)
Die Forschungs-Neutronenquelle und das Atomei in Garching sind auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. (Foto: © Wenzel Schürmann/ TU München)
Die Forschungs-Neutronenquelle und das Atomei in Garching sind auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. (Foto: © Wenzel Schürmann/ TU München)

Die nukleare Katastrophe in Japan beschäftigt seit Wochen die ganze Welt. Viele Menschen haben auch hierzulande Angst vor dem Super-GAU. Allein in Deutschland stehen 17 Atomkraftwerke, die nun auf dem Prüfstand stehen. Dazu zählt allerdings nicht der Forschungsreaktor in Garching.

»Wir sind auch nicht von der Abschaltdiskussion betroffen, weil bei uns die Kernspaltung nur Mittel zum Zweck ist«, erklärt Andrea Voit, Pressereferentin der Technischen Universität München (TUM), Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier Leibnitz (FRM II). Die TUM betreibt den FRM II in Garching und hier gehe es um die Gewinnung von Neutronen.

Garching: FRM-II

Garching: FRM-II TU München verteilt Broschüren zum Thema

In der vergangenen Woche kommentierte Ludwig Wörner, energie- und umweltpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, die von der Bundesregierung angeordneten Sicherheitsüberprüfungen der Kernkraftwerke: »Auch der Garchinger Reaktor hält dem Absturz eines großen Passagierflugzeugs nicht stand. Dabei liegt der FRM II am Rande der Einflugschneise des Münchner Flughafens«. Bei einem Flugzeugabsturz auf die Reaktorhalle könnten nicht unerhebliche Mengen an Radioaktivität freigesetzt werden, so Wörner.

Das dementiert Andrea Voit entschieden und beruft sich dabei auf wissenschaftliche Erhebungen: »Der FRM II ist gegen ein 10.000-jähriges Hochwasser an der Isar ausgelegt. Die Wände des Reaktorgebäudes bestehen aus armiertem Beton und sind 1,80 Meter dick. Sie halten dem Absturz einer schnell fliegenden Militärmaschine, Phantom, und eines langsam fliegenden Passagierflugzeuges, Boing 747, stand. Dies ist von externen Gutachtern nachgerechnet worden.«

Aber was passiert, wenn der Airbus 380 über FRM II abstürzen würde? Dies mache, laut Voit, keinen Unterschied. Denn auch der Airbus 380 sei – im Vergleich zu den Militärflugzeugen – ein langsam fliegendes Passagierflugzeug und die Triebwerke so weit auseinander, dass sie im Falle eines Absturzes niemals den kompletten Reaktor treffen würden.

Wesentlich schlimmer seien die schnell fliegenden Militärflugzeuge, denn sie würden die Masse und Energie an einer Stelle deponieren. Die Triebwerke würden zudem so dicht nebeneinander liegen, dass sie auf jeden Fall den kompletten Reaktor treffen würden. Und genau diesem Szenario halte FRM II stand.

In einer Anfrage von Ludwig Wörner an die Staatsregierung, bei der es um die Umrüstung des Forschungsreaktors geht, stellt er unter anderem folgende Frage: Welche Menge (Gewicht und Stückzahl) an abgebrannten Brennelementen ist seit Beginn dessen Nutzung beim FRM II angefallen und wo werden diese abgebrannten Brennelemente gelagert? Dr. Wolfgang Heubisch, bayerischer Wissenschaftsminister: »Am FRM II sind nach dem zuletzt beendeten 25. Zyklus 25 abgebrannte Brennelemente vorhanden. Diese werden im Absetzbecken direkt neben dem Reaktorbecken in der Reaktorhalle gelagert. Jedes Brennelement hat eine Gesamtmasse von etwa 53 Kilogramm, Urananteil je zirka 8,1 Kilogramm.«

Laut Wörner lagern in Garching nun 1.325 Kilogramm hochradioaktive abgebrannte Brennelemente.

»In der Antwort auf die Anfrage an Herrn Wörner heißt es übrigens, dass zur Zeit 25 Brennelemente à 8,1 Kilogramm Uran abklingen, was eine Menge von 202,5 Kilogramm hochradioaktiven Materials ergibt, nicht 1.325 Kilogramm, wie von Herrn Wörner angegeben«, erklärt Andrea Voit.

Derzeit betrage die Uran-Anreicherung in den am FRM II verwendeten Brennelementen 93 Prozent.

In einer Nebenbestimmung zur Betriebsgenehmigung des FRM II sei vereinbart, dass die Neutronenquelle auf einen Brennstoff von maximal 50 Prozent Anreicherung umgerüstet werde, »sobald der neue Brennstoff entwickelt, qualifiziert und industriell verfügbar ist«. Dieser Zusatz wäre auch vom damaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) bei der Genehmigung des FRM II mitgetragen. Derzeit gebe es aber weltweit noch keinen derartigen Brennstoff für Neutronenquellen.

Die Sicherheit habe stets Vorrang

»Oberste Priorität hat bei uns, neben der wissenschaftlichen Qualität, höchstes Maß an Sicherheit«, sagt Professor Dr. Winfried Petry, Wissenschaftlicher Direktor der Forschungs-Neutronenquelle. »Deshalb werden wir natürlich erst auf einen neuen Brennstoff umrüsten, wenn er ausreichend getestet wurde und sich als ebenso sicher wie der derzeitige erweist.«

FRM II ging am 2. März 2004 in Betrieb und ziehe jährlich rund 1000 Gastwissenschaftler an, die an den 26 wissenschaftlichen Geräten ihre Messungen vornehmen. Zweck des FRM II ist es, Neutronen für die Forschung dieser Wissenschaftler zu liefern. Die Neutronen werden als Sonden in der Physik, Chemie, Biologie und den Materialwissenschaften eingesetzt. Das diene zum Beispiel dazu, neue Materialien für die Energiespeicherung zu entwickeln oder um die Funktion von Proteinen aufzuklären und Radioisotope für die Medizin herzustellen.

Drei Stunden Nachkühlzeit

Im Vergleich zu einem Kernkraftwerk mit 2000 bis 4000 Megawatt Wärmeleistung sei die Leistung des FRM II mit 20 Megawatt sehr gering. »Der FRM II wird mit einem einzelnen Brennelement mit 8,1 Kilogramm Uran 60 Tage lang betrieben«, berichtet Voit. Pro Jahr gebe es vier solcher Zyklen à 60 Tage. Nach einer Reaktorschnellabschaltung müsse die Neutronenquelle drei Stunden lang aktiv über Pumpen nachgekühlt werden.

Anschließend funktioniere die Kühlung rein massiv, ohne Pumpen und ohne Strom über 700 Kubikmeter Beckenwasser. Das übernehme im Naturumlauf die Kühlung des Brennelementes. Das Wasser im Reaktorbecken reiche aber auch ohne Pumpen aus, um das Brennelement nach einer Abschaltung abzukühlen. Dabei erwärme es sich im ungünstigsten Fall auf 80 Grad Celsius, es entstehe also kein Dampf. »Das ist im Bericht der Strahlenschutzkommission und der Reaktorsicherheitskommission zur Genehmigung des FRM II bestätigt«, versichert die Pressereferentin.

Bei einem Stromausfall versorge Notstrom die dreifach vorhandenen Nachkühlpumpen über Batterieanlagen. Sie seien ebenfalls in dreifacher Ausführung vorhanden. Zusätzlich stünden zwei unabhängige Notstromdiesel zur Verfügung, um elektrische Energie unabhängig vom Stomnetz zu liefern. Wärme aus dem Kühlkreislauf werde über einen Kühlturm abgegeben.

Verdunstungsverluste im dritten Kühlkreislauf würden über einen eigenen Brunnen auf dem Gelände des FRM II nachgespeist werden und nicht über Isarwasser.

Tag der offenen Tür gibt es jedes Jahr

Jedes Jahr veranstaltet die Forschungs-Neutronenquelle der Technischen Universität München einen Tag der offenen Tür. Dieses Jahr haben Interessierte wieder am Samstag, 15. Oktober, die Möglichkeit, die Experimentiereinrichtung und das Reaktorbecken zu sehen. Auch während des Jahres können Gruppen ab fünf Personen sich beim Besucherdienst des FRM II anmelden. Telefon: 28 91 21 47. Silke Leuendorf

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