Manchmal hat man so sein Kreuz mit den Gedenkstätten, wird sich dieser Tage Bayerns Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle (CSU) gedacht haben.
In Gedenken an die Opfer des Olympia-Attentats 1972 Themenseite zur Entwicklung der Gedenkstätte im Olympiapark München
Denn sein Vorhaben, der Bau eines Mahnmals zu Ehren der Opfer des Olympia-Attentats mitten im Olympiadorf auf dem Connollyberg, wurde vor wenigen Tagen gestoppt per Bürgerentscheid!
Geschichtsstunde: Am 5. September 1972 stürmen acht bewaffnete Mitglieder der palästinensischen Terrororganisation »Schwarzer September« das Wohnquartier der israelischen Mannschaft während der Olympischen Sommerspiele in München und nehmen elf Sportler als Geiseln. Sie fordern die Freilassung von 234 palästinensischen Gefangenen in Israel sowie der deutschen RAF-Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof. Die Geiselnahme endet in einem Massaker. Zwei Geiseln sterben nach Schüssen noch vor Ort im Quartier in der Connollystraße 31, die restlichen neun Geiseln sowie ein deutscher Polizist und fünf Terroristen in der Nacht bei einem wilden Feuergefecht auf dem Militärflugplatz Fürstenfeldbruck.
Der Connollyberg ist seither nicht nur ein aufgeschütteter Erdwall im Nirgendwo. Hunderte Schaulustige und Medienvertreter aus aller Welt nutzten damals den Berg als willkommene Aussichts-Plattform auf das grausige Geschehen. Als Kultusminister Spaenle vor gut einem Jahr das Parteifreunde-Kabinett in München über seine Pläne einer »würdigen Gedenkstätte« in Kenntnis setzte, fand dies uneingeschränkte Zustimmung, wohl auch, weil die Standortfrage zu diesem Zeitpunkt noch kein Thema war. Das sollte sich ändern als die Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit und das Staatliche Bauamt München 2, von der Staatsregierung als offizielle Vertreter für das Vorhaben eingesetzt, vor wenigen Wochen stolz einen Mahnmal-Siegerentwurf des oberpfälzischen Architekten-Büros »Brückner+Brückner« präsentierten.
Aus dem Off sozusagen. Zumindest bis dahin unter Ausschluss der politischen Opposition, der Medien und wie nachlässig der Öffentlichkeit. In Teilen dieser formierte sich in Windeseile eine Bürgerwehr, angeführt von der Innenarchitektin und Oly-Dorflerin Jennie Niedermaier. »Nein zur Bebauung des Connollyberges«, so die kämpferische Parole. Die Begründung: Die Gedenkstätte raube den Anwohnern, besonders Kindern und Jugendlichen, eine wichtige und liebgewonnene Freizeitfläche. Zudem würde so ein offenes Bauwerk zum Vandalismus geradezu einladen, was zusätzlich ein umfangreiches und teures Sicherheitskonzept erfordere (Videoüberwachnung, Sicherheitspersonal etc.). Last not least gäbe es genügend alternative Orte wie auch architektonische Lösungen, die diskussionswürdig seien diesmal jedoch bitte unter Einbeziehung der Einwohner, Anwohner und Eigentümer des Olydorfes. Bedenken statt Gedenken.
Auch in politischen Kreisen. Besonders unglücklich und wenig basisdemokratisch bewerteten Teile der SPD das Vorgehen des Ministeriums. Allen voran MdL Ruth Waldmann, die im Gespräch mit der Münchener Nord-Rundschau vor allem die mangelnde Bereitschaft des Kultusministeriums für einen offenen Dialog kritisierte und mehr Transparenz einforderte. Die Einberufung einer Bürgerversammlung sei bei einem Vorhaben dieser Größenordnung Pflicht, so die SPD-Landtagsabgeordnete, die zusätzlich bemängelte, dass auch der zuständige Bezirksausschuss 11 (Milbertshofen/Am Hart) erst aus der Zeitung von der geplanten Bebauung erfahren habe. Der Herr Staatsminister müsse aufpassen, so Ruth Waldmann, nicht zum Hauptdarsteller einer Posse zu werden. Wird er nicht. Ein einsichtiger und von den Bürgerprotesten spürbar beeindruckter Kultusminister kürzlich in einem SZ-Interview: »Dieses Projekt ist sehr sensibel und ich will es im Konsens entscheiden.« Im Radius von ein paar hundert Metern um den Connollyberg herum, soll nun nach alternativen Plätzen gesucht werden. Mit dem Connollyberg in seiner ursprünglichen Form bliebe zudem ein weiterer historischer Ort erhalten, ein Ort, der darüber hinaus für die Identität des Olympiadorfes eine hohe Bedeutung hätte, betonte Spaenle weiter.
Was bleibt also nach all dem Gezänk und etwaigen Missverständnissen: Der alle Parteien verbindende Wunsch nach einem Ort des Gedenkens für die Opfer des 5. September 1972. Am selben Tag im Jahr 2016 soll er in München feierlich eingeweiht werden. Statt der ursprünglich 800 m² soll die Stätte nach neuesten Informationen aus dem Kultusministerium nur noch circa 140 m² messen. Warum auch nicht. Gedenken braucht nicht viel Platz, spielt es sich doch letztlich ausschließlich in unseren Köpfen und Herzen ab. Jürgen Schütt