Alle wollen ans schnelle Internet, und die Förderpolitik von Freistaat und Bund treibt aktuell Blüten, die für Diskussionsstoff sorgen könnten.
Der Nachholbedarf auch im Landkreis Erding ist dabei schon von Hubert Aiwanger, dem Landesvorsitzenden der Freien Wähler, unmissverständlich beschrieben worden: »In der Türkei ist das Glasfasernetz besser ausgebaut als in Bayern.« Das sagte Aiwanger ausgerechnet in einer der Gemeinden, wo in diesem Bereich derzeit besonders viel passiert, nämlich in der Verwaltungsgemeinschaft Wartenberg. Aber genau hier lässt sich exemplarisch auch die größte Schwäche des derzeitigen Ausbaus darstellen.
Bürgermeister Peter Deimel aus Langenpreising, ausgewiesener Kenner der Materie, weil promovierter Physiker, hat es auf den Punkt gebracht:
»Wenn wir das machen, sind die Außenbereiche viel besser dran.«
»Das«, das ist das derzeitige Förderprogramm, mit dem selbst der letzte Aussiedlerhof draußen noch an die Datenautobahn gebracht werden soll. Das geschieht mit Glasfaserkabeln, in der Telekommunikationsbranche »Fibre to the home« genannt, vom Bürgermeister allgemeinverständlich übersetzt: »Die kriegen das Glasfaserkabel bis an die Kellerwand.«
In den Kernorten, wo vor vielen Jahren der Ausbau schon einigermaßen wirtschaftlich war, sind seinerzeit noch Kupferkabel verbaut worden, weil die Glasfasertechnik noch nicht so weit war.
Die Konsequenz: Wer auf große Bandbreiten angewiesen ist, muss jetzt in die dörflichen Randlagen, in die Einöden ziehen. Im Süden des Landkreises bekommt die Gemeinde Ottenhofen gerade zu spüren, was es bedeuten würde, wenn es zu einer weiteren Ausbaustufe in den bereits bebauten Ortskernen kommt: Über die gesamte Länge der Ortsdurchfahrt muss der vor wenigen Jahren erst hergerichtete Bürgersteig wieder aufgerissen werden. Bürgermeisterin Nicole Schley versteht das nur bedingt und hat jetzt das Problem, das den Bürgern erklären zu müssen.
Aber es gibt offenbar auch Grenzen und die sind jetzt im Norden des Landkreises offen zutage getreten: Der Ausbau wird zu teuer. Über 600.000 Euro für zehn Anschlussnehmer, das ist der Allgemeinheit kaum noch vermittelbar. In Berglern wurde jetzt überlegt, die Ausschreibung wieder aufzuheben. Die Rechtsgrundlage dafür wäre da. Aber die Gemeinden haben auch eine politische Zielvorgabe. Demnach darf es keine »Bürger zweiter Klasse« geben, und beim schnellen Internet ist man da besonders ambitioniert. Was also tun?
In Berglern behalf man sich mit dem Beschluss, nach Einsparmöglichkeiten zu suchen und vertagte die Entscheidung erst mal. Überhaupt ist »sich behelfen« in der Branche ein großes Thema, denn in den Ortskernen, wo nach der aktuellen Ausbaustufe in Teilen gerade mal eine Bandbreite von 25 Mbit pro Sekunde zur Verfügung stehen, will die Telekom als Branchenprimus natürlich ihre Kunden nicht hängen lassen, zumal sie auch ihre Streaming-Produkte verkaufen will, die leistungsfähige Übertragungsraten voraussetzen. Also bohrt sie mittels »Vectoring«, eine neue Technologie zur Verbesserung der Leistung der Kupferkabel, die vorhandenen Anschlüsse nach Möglichkeit auf, und zwar bis auf 100 Mbit pro Sekunde.
Doch Peter Deimel bleibt skeptisch, geht davon aus, dass auch das »Vectoring« nur eine Übergangslösung darstellt. Das wird von den Marketing-Leuten der Telekom nicht einmal bestritten, wie bei Vertragsabschlüssen nach erfolgter Ausschreibung zuletzt in Wartenberg deutlich wurde. Viele Lokalpolitiker gehen davon aus, dass dem »Vectoring« dasselbe Schicksal droht wie allen Provisorien: Es wird enorm dauerhaft sein. Denn die Fibre-to-the-home-Lösung benötigt eben Tiefbauarbeiten, entsprechende Fachkräfte sind aufgrund der großen Nachfrage aber nicht so einfach zu bekommen. Das führt zu steigenden Baupreisen im Tiefbau. In der Konsequenz kommen unwirtschaftliche Ausschreibungsergebnisse zustande und einzelne Planungen werden wie möglicherweise in Berglern ausgesetzt. kw