162 Liter Kaffee trinken die Deutschen pro Kopf im Jahr – mehr als Wasser, Tee oder Bier. Im Deutschen Museum gibt es jetzt eine anregende, neue Sonderausstellung zum Lieblingsgetränk der Deutschen. Mit 198 Exponaten, an 22 Medien-, Film-, Hör- und Spielstationen und mit 16 interaktiven Elementen erfährt man auf 800 Quadratmetern alles über Biologie, Chemie, Technik und Ökonomie bis hin zu Kult und Kultur rund um die Bohne. Den „Kosmos Kaffee“ kann man mit allen Sinnen auf der Münchner Museumsinsel entdecken.
„Kaum ein Lebensmittel bewegt die Gemüter der Menschen so stark wie Kaffee. Rund um den Globus haben wir eine besondere Beziehung zu diesem Getränk entwickelt und begeistern uns daran. Uns erfüllt ein wohliges Gefühl der Geborgenheit bei dem Gedanken an eine Tasse heißen Kaffee“, sagt Wolfgang M. Heckl, der Generaldirektor des Deutschen Museums. „Das war auch der Ausgangspunkt für das konzeptionelle und gestalterische Leitmotiv der Ausstellung „Kosmos Kaffee“, die dazu einlädt, sich von der Einzigartigkeit und Vielschichtigkeit dieses Getränks faszinieren zu lassen.“
Der Blick wandert über grüne Blätter, weiße Blüten, rote Früchte. Der Duft von Jasmin steigt in die Nase. Aus dem kleinen Wald dringen Dschungelgeräusche ans Ohr. Und mit einem Fingertipp bringt man – per Augmented Reality – eine Pflanze zum Sprießen. „Unser Kaffeewald steht beispielhaft für das Grundkonzept der ganzen Ausstellung: Wir stellen einen sinnlichen Bezug zur Technik her und vermitteln spannende Informationen auf einer spielerischen Basis“, erklärt Melanie Jahreis, eine der Kuratorinnen von „Kosmos Kaffee“.
So gehören zum Bereich Biologie neben dem Kaffeewald auch mikroskopische und makroskopische Einblicke in die Pflanzen; oder das Klimaregal, das die Auswirkungen der Erderwärmung oder die Bedrohung durch Krankheiten für den Anbau zeigt. Daneben wird natürlich auch die Wissenschaftsgeschichte präsentiert und die aktuelle Forschung thematisiert. Immer wieder gibt es interaktive Elemente, wie das „Kaffeeanbau-Spiel“ oder den „Sinnesrausch“. „Hier fasst man eine Tasse an und riecht die gerösteten Bohnen, hört, wie sie gemahlen und aufgebrüht werden und spürt, wie sich das Gefäß erwärmt“, sagt Sara Marquart, ebenfalls Kuratorin der Sonderausstellung.
Den Aromen und den medizinischen Aspekten kann man dann noch intensiver im Bereich Chemie nachspüren. Sei es beim „Mundriechen“ mit Strohhalmen oder in den Schubladen des Apothekenregals, wo vergangene Mythen über die gesundheitlichen Schäden („macht impotent“) und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse („Kaffeetrinker leben länger“) versammelt sind.
Rösten, Mahlen und Brühen – die gesamte Technik für Genießer, ist ein weiterer großer Bereich. „Im Maschinenregal stehen 37 hochkarätige Exponate – vom ersten Handfilter von Melitta Bentz aus dem Jahr 1908 über Faema- und Cimbali-Modelle unterschiedlicher Epochen bis hin zum V12- Motorblock“, sagt Sara Marquart. Ebenso kann man hier die teuerste Espressomaschine und die älteste Herdkanne der Welt bestaunen – die berühmte „La Cornuta“, eine Leihgabe des MUMAC (Museo della macchina per caffè) di Gruppo Cimbali und die erste Bialetti aus der Sammlung Enrico Maltoni. An anderer Stelle kann man dazu erfühlen, welcher Mahlgrad sich für welche Art der Zubereitung eignet.
Der nächste Schritt auf dem Weg durch den Kosmos Kaffee führt in die Welt der Wirtschaft. Auf der einen Seite stehen die Produzenten, die Kaffeebauern rund um den Äquator und ihre Arbeitsbedingungen. „Wir zeigen die Entwicklungen von der Kolonialzeit mit der Sklavenarbeit bis hin zur Fair-Trade-Bewegung von heute“, sagt Melanie Jahreis. Auf der anderen Seite geht es um den Handel und die Endverbraucher, die vor allem auf der Nordhalbkugel der Erde leben. Hier wird erklärt, von welchen Faktoren der Kaffeepreis abhängt. Es gibt eine Börsenwand nebst interaktivem Spiel, bei dem man selbst mit Kaffee handeln kann. Von der Ware zur Mangelware – auch die Versorgungskrisen nach dem Krieg oder in der DDR werden beschrieben. „Da wurde dann fleißig für Ersatzstoffe geworben“, erzählt Sara Marquart. „Wobei das Original doch deutlich besser ankam.“ Wie auch die zahlreichen Motive mit Werbung im Wandel der Zeit beweisen.
Von der Reklame verläuft der Übergang fließend in den letzten großen Ausstellungsbereich zur Kultur. Auf einer großen Videoleinwand kann man hier die verschiedensten Zubereitungsrituale aus aller Welt verfolgen. Gegenüber wird der Kaffee in den Kontext mit Politik und Gesellschaft gesetzt. Es gibt ein „Trinkgefäßeregal“ mit 30 Behältern - von der Barttasse bis zum Lego-Becher. „Da steht auch die Besucher-Tasse, die immer wieder ausgetauscht wird", erläutert Melanie Jahreis. "Das sind Tassen, die wir mitsamt ihrer persönlichen Geschichte von unseren Besuchern bekommen haben - und hoffentlich noch bekommen werden."
Biologie, Chemie, Technik, Ökonomie und Kultur – im „Kosmos Kaffee“ fehlt eigentlich nur noch eins: der Genuss. Den kann man sich vor, während oder nach dem Besuch der Ausstellung im angeschlossenen Café gönnen. Die Sonderausstellung läuft bis 31. Mai 2020.