Dass München wächst, wächst und wächst, macht sich nicht nur in puncto Verkehr, Wohnungsnot oder dem Mangel an Kita-Plätzen bemerkbar: Auch viele Sportvereine stoßen längst an die Grenzen ihrer Kapazität. Im innerstädtischen Bereich kommt noch das Problem dazu, dass es praktisch keine Flächen für neue Turnhallen oder Sportplätze gibt. Da braucht es ausgefallene Ideen - warum nicht also auf dem Dach einer Halle eine weitere bauen?
Von einer "kreativen Lösung", einem "innovativen, beeindruckenden" Projekt sprach Münchens Zweiter Bürgermeister Manuel Pretzl (CSU), als er kürzlich zu Gast beim TSV München-Ost war. Der Traditionverein aus der Au hatte zum Richtfest eingeladen. Auf seinen Anlagen an der Sieboldstraße errichtet der TSV derzeit eine neue Dreifach-Turnhalle. Das vereinseigene Gelände, keine 500 Meter vom Rosenheimer Platz entfernt, ist ringsherum dicht bebaut. Platz, sich auszudehnen, gibt es keinen - aber genau das müsste der Verein mit seinen diversen Abteilungen von Boxen bis Volleyball: Derzeit zählt er um die 4300 Mitglieder, Tendenz steigend. Dafür sorgen allein die Neubaugebiete im Viertel. Dabei wollen nicht nur die Zugezogenen, sondern generell immer mehr Münchner im Verein Sport treiben.
Die alte Turnhalle stammt aus dem Jahr 1954. Sie wurde damals aber nicht normgerecht gebaut und ist so etwa für Handballspiele zu klein, berichtete TSV-Präsident Uli Hesse. Eine neue Halle musste dringend her. "Für uns hieß es: nicht anstatt, sondern zusätzlich", sagte Hesse. Auf dem Dach des Bauwerks ist in den vergangenen Monaten die neue Dreifach-Turnhalle mit einer laut Bürgermeister Pretzl "beeindruckenden Stahlkonstruktion" entstanden. Die alte Halle wird zudem umgebaut und kann aktuell nicht genutzt werden. Anfang Dezember 2020 soll das komplette Gebäude fertig sein, zum 15. Februar 2021 in Betrieb genommen werden. Bis zu diesem Tag hat der TSV München-Ost Ersatzhallen bei der Stadt München angemietet. "Alle Angebote konnten aufrecht erhalten werden", betonte Hesse, der den kommunalen Verantwortlichen ein großes Lob für die Zusammenarbeit aussprach. Mit dem Richtfest, das traditionell begangen wird, wenn die Dachkonstruktion fertig ist, lag man voll im Zeitplan.
Finanziell unterstützt die Landeshauptstadt den TSV Ost mit einem direkten Zuschuss von 3,3 Millionen Euro. Dazu kommt ein zinsloses Darlehen in gleicher Höhe. Fast sechs Millionen Euro muss der Verein jedoch selbst stemmen. "Wir haben unsere Mitglieder befragt, ob sie mit einer zweckgebundenen Beitragserhöhung von 50 Prozent einverstanden sind", erklärte Hesse. Die große Mehrheit stimmte den Plänen zu. Ungewöhnliche Projekte erfordern eben ungewöhnliche Maßnahmen. B. Schuldt