Es fehlt - in Ost wie in West - an Wissen sowie an einem unvoreingenommenen Diskurs über die Zeitgeschichte der deutschen Einheit nach 1990, der Klischees hinterfragt und nicht zuletzt im Westen ein Bewusstsein für das Ausmaß der Umbruchserfahrungen stiftet, die in der ostdeutschen Gesellschaft fortwirken. Hier setzt die Ausstellung “Umbruch Ost. Lebenswelten im Wandel” an, die derzeit im vhs-Bildungszentrum in Vaterstetten besichtigt werden kann.
Die Ausstellung thematisiert mit Bildern und Texten die Erwartungen und das Vertrauen, das die Ostdeutschen mit der Wiedervereinigung verbunden hatten. Sie ruft die innerdeutsche Solidarität und Hilfsbereitschaft in Erinnerung, die die Anfangszeit prägten. Die Schau erzählt von den Neuanfängen und Aufbrüchen, wie auch vom Willen, die SED-Diktatur aufzuarbeiten. Sie dokumentiert die Verzweiflung, die mit dem wirtschaftlichen Zusammenbruch und dem Anstieg der Arbeitslosigkeit einherging und die Verlusterfahrungen und Ängste, die die 1990er Jahre in Ostdeutschland prägten. Themen sind die Gleichzeitigkeit von Sanierung und Rückbau der ostdeutschen Städte, die Situation der Frauen und Familien, eine Jugendkultur zwischen Techno, Punk und Rechtsradikalismus. Themen sind Ressentiments, bis hin zu politischer Gewalt, aber auch die Frage nach Identitätsstiftern, das Miteinander mit den östlichen Nachbarn, der Aufbau Ost und seine Ergebnisse wie auch die neuen gesellschaftlichen Spaltungen, die in den letzten Jahren zu verzeichnen waren. Jede Ausstellungstafel präsentiert sieben Bilder renommierter Fotografen, erläuternde Bildlegenden sowie einen feuilletonistischen Ausstellungstext im Umfang von 1000 Zeichen. QR-Codes verlinken zu Zeitzeugenvideos, die der Ausstellung eine zusätzliche multimediale Dimension verleihen. Die Herausgeber kooperieren dabei mit dem Norddeutschen Rundfunk, der aus Anlass von 30 Jahren Friedlicher Revolution das multimediale Storytelling-Projekt "Mauerfall: Neu geboren 1989" realisiert hat. Drei Ergänzungstafeln des Online-Portals Statista präsentieren die wichtigsten Zahlen und Fakten zu den Entwicklungen seit 1990.
Die Ausstellung in Vaterstetten wurde ergänzt mit fünf Tafeln von Bürgern aus den neuen Bundeländern, die heute in Vaterstetten leben und ihre persönliche Umbruch-Ost Geschichte erzählt haben. Die Interviews wurden in der VHS gemacht und mit einigen Privatfotos ergänzt. Zusätzlich wurden auf jedes Plakat Lieder gesetzt, die mittels QR-Code abspielbar sind. Außerdem wurde eine Vitrine mit Alltagsgegenständen aus DDR-Tagen befüllt. Sehr interessante Dinge sind hier dabei. Am besten einfach vorbeischauen. Die Ausstellung ist noch bis 27. November im 2. Stock des vhs-Bildungszentrums zu sehen.