Veröffentlicht am 23.06.2009 15:18

Wer zahlt fürs Semesterticket?


Von DS

Wirtschaftsminister Martin Zeil und Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (beide FDP) halten das Angebot der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) für ein Semesterticket für „nachbesserungsbedürftig”, die Stadtpolitik solle die „Bremsen” der MVG lösen - so stand es vorige Woche in der Süddeutschen Zeitung. Ein Satz, der die SPD-Stadtratsfraktion so richtig auf die Palme brachte und eine ausführliche Erklärung des Oberbürgermeisters provozierte. Was die Stadtpolitiker so ärgert: Der Freistaat hat nicht die Absicht, auch nur einen Cent Zuschuss zu bezahlen, hat im Gegenteil in den letzten Jahren seine Zuschüsse für den Ausbildungstarif um 13 Millionen Euro gekürzt und damit für einen überdurchschnittlichen Anstieg der Fahrpreise für Studenten gesorgt. Außerdem sorgt er durch die Erhebung der Studiengebühr von 500 Euro pro Semester zusätzlich für Finanznot bei den Studierenden.

Problem: der Erfolg

In vielen Städten gibt es das Semesterticket bereits, mit dem alle Studenten für einen günstigen Pauschalpreis die öffentlichen Verkehrsmittel (ÖPNV) nutzen können. Die Kosten, die durch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel durch Studenten entstehen, werden auf alle Studenten umgelegt, also auch auf jene, die zu Fuß gehen, mit dem Fahrrad oder mit dem eigenen Auto fahren. In München wird darüber seit 1992 (!) diskutiert - ohne Ergebnis. Das Dilemma erklärt Oberbürgermeister Christian Ude mit dem Erfolg des MVV: In vielen deutschen Universitätsstädten lag der Anteil der ÖPNV-Benutzer bei Einführung des Semestertickets bei nur 20 bis 25 Prozent. In München dagegen benutzen bereits 60 (Sommersemester) bis 70 Prozent (Wintersemester) der Studenten den MVV, was viel höhere Kosten bedeutet.

„Krokodilstränen”

„Das Thema Semesterticket hat vor allem deshalb an Bedeutung und Brisanz gewonnen, weil die Finanznot der Studenten zugenommen hat”, erklärt Ude. Die Verantwortung dafür trage allein der Freistaat Bayern, der Studenten mit der Einführung der Semestergebühren um jährlich bis zu 1000 Euro mehr belastet. „Es ist nicht hinnehmbar, wenn der Freistaat zu seiner eigenen finanziellen Entlastung die Studenten finanziell in die Enge treibt und dann Krokodilstränen vergießt, weil sie sich immer schwerer tun, die MVV-Tickets zu bezahlen. Lassen Sie es mich etwas drastisch sagen: Wenn sich ausgerechnet bayerische Landesminister jetzt den Studenten als Interessensvertreter andienen wollen, ist dies ungefähr so, als ob ein Taschendieb sich seinen Opfern als anwaltlicher Vertreter bei der Schadensregulierung empfiehlt”, erklärt der Oberbürgermeister.

Beispiel NRW

Als positives Beispiel für preisgünstige Semestertickets werden von den Studentenvertretern immer wieder die nordrhein-westfälischen Universitätsstädte angeführt. Dies sei nur möglich, weil das Land Nordrhein-Westfalen jährlich einen Zuschuss von 21 Millionen Euro leiste, informiert Ude. „Wenn der Freistaat Bayern dem Beispiel NRWs folgt, könnte sofort ein preisgünstigeres Semesterticket im Bereich des MVV angeboten werden. Die zuständigen Minister des Freistaats beteuern zwar den Studenten ihre Sympathie in Ticketfragen, zeigen ihnen aber gleichzeitig die kalte Schulter, wenn es darum geht, den warmherzigen Worten entsprechende Taten folgen zu lassen”, giftet Ude.

Studiengebühren benutzen

Dies gelte leider auch für die Leitungen der Hochschulen, die zwar für die Verbesserung der Studienbedingungen bis zu 1000 Euro jährlich von den Studenten kassieren, aber bis zur Stunde nicht bereit seien, davon auch nur einen kleinen Prozentsatz für die Erreichbarkeit des Studienplatzes zu erschwinglichen Bedingungen abzuzweigen. Die Erreichbarkeit des Studienplatzes gehöre aber mit Sicherheit zur Verbesserung der Studienbedingungen, die bei der Einführung der Studiengebühren versprochen wurde.

Wenn der Freistaat, der für die Hochschulen und die Subventionierung der Ausbildungstarife zuständig ist, die Lasten eines Semestertickets auf die Verkehrsunternehmen abwälzen wolle, so bedeute dies in Wahrheit eine Mehrbelastung der Berufstätigen, die den Öffentlichen Personennahverkehr benutzen, analysiert der Oberbürgermeister.

north