Veröffentlicht am 24.01.2022 09:15

Chancen mit Haken


Von Johannes Beetz
Ende 2016 wurde der Real-Markt in dem Plangebiet aufgegeben. (Foto: job)
Ende 2016 wurde der Real-Markt in dem Plangebiet aufgegeben. (Foto: job)
Ende 2016 wurde der Real-Markt in dem Plangebiet aufgegeben. (Foto: job)
Ende 2016 wurde der Real-Markt in dem Plangebiet aufgegeben. (Foto: job)
Ende 2016 wurde der Real-Markt in dem Plangebiet aufgegeben. (Foto: job)

Aus dem Gewerbegebiet, wo früher einmal das Betonwerk Katzenberger und der Real-Markt waren, soll in den nächsten Jahren ein neues Quartier entstehen (zwischen Boschetsrieder und Helfenrieder-, Machtlfinger und Geisenhausenerstraße). Der Stadtrat wünscht sich hier eine Mischung aus Gewerbe, Dienstleistung, Wohnen sowie Kultur- und Freizeitnutzung. So hat er es 2019 beschlossen. Investoren liebäugeln u.a. mit drei bis zu 80 m hohen Hochhäusern. Was tatsächlich einmal gebaut werden kann, wird in einem neuen Flächennutzungsplan und einem Bebauungsplan festgelegt, die das städt. Referat für Stadtplanung und Bauordnung vorbereitet hat.

Der Bezirksausschuss im Münchner Süden (BA 19) hat zu diesem Entwurf nun Stellung bezogen. Da aufgrund der Corona-Situation eine tiefgehende Diskussion bei einer Sitzung in Präsenz nicht möglich schien, hatten sich die BA-Mitglieder zuvor in einer virtuellen Besprechung fast sechs Stunden lang mit den Planungen befasst.

Grüne erreichen keine Zustimmung

Die Grünen hatten sich dabei für den Entwurf ausgesprochen. „Unserer Stadt fehlt es an Räumen, die attraktiv sind für Mensch wie Stadtnatur. Nachhaltigkeit in diesem Sinne ist ein entscheidender Zielpunkt, an dem sich der Beschlussentwurf orientiert”, erklärte Inga Meincke (Grüne). „Wir sehen in den Planungen einen chancenreichen Schritt hin auf eine wirklich innovative urbane Entwicklung an diesem Standort, die auch in ökologischer Hinsicht neue Standards setzt.”

Besondere Bedeutung fürs Viertel

Eine Chance für den Stadtbezirk sieht der gesamte Bezirksausschuss in Planungen. Die BA-Mehrheit (also ohne Grüne - und ohne Gabriele Weishäupl, FDP, und Richard Panzer) stimmte den Entwürfen der Stadtplaner dennoch nicht zu, sondern beschloss eine detaillierte Stellungnahme dazu.

„Als voraussichtlich größtes zusammenhängendes Neubauvorhaben der kommenden Jahre in Obersendling kommt diesem Bauvorhaben eine besondere Bedeutung zu. Daher und weil für dieses Gebiet Hochhäuser geplant sind, ist die Öffentlichkeit im besonderen Maße mit einzubeziehen”, so die Stellungnahme des BA, „Hochhausvorhaben haben eine besondere Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit und sollten nicht gegen den Bürgerwillen verwirklicht werden.”

Die Dichte und die Höhe der Bebauung seien grundsätzliche Veränderungen im Stadtbezirk. Bevor nicht eine breite öffentliche Diskussion über die Höhe, die Masse und die Ausgestaltung der drei geplanten 80 m hohen quaderförmigen Türme erfolgt sei, könne diesen unter keinen Umständen zugestimmt werden, fordert der BA.

Deutliche Kritik an der Stadt formulierten die Grünen in Bezug auf die Transparenz: „Bedenklich ist, dass scheinbar aufgrund von Neustrukturierungen im Onlineangebot der Landeshauptstadt München sämtliche Übersichtsseiten zu noch nicht abgeschlossenen Bebauungsplanverfahren verschwunden sind”, meinte Alexander Aichwalder (Grüne). Der Öffentlichkeit werden so Informationen vorenthalten.

Das finden die Bürger gut

Positiv sieht das Gremium u.a. die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wohnungen, die Reduzierung der überbauten Fläche durch entsprechende Höhenausprägungen, die Neustrukturierung des gesamten Umgriffs, die Sicherung eines umfassenden Freiraumkonzepts über einen städtebaulichen Vertrag, die Öffnung des Geländes zum Stadtviertel hin, die Schaffung eines Einzelhandelsangebots, inklusive Markthallenkonzept, kleinteiligem Gewerbe und Verkaufsmöglichkeiten.

Durch die Schaffung des Quartiersplatzes mit öffentlichen Nutzungen in den anliegenden Gebäuden entstehe ein neuer zentraler Ort für Obersendling, mit Raum für unterschiedliche Aktivitäten und Veranstaltungen, ist der BA zufrieden.

Positiv sei auch die Baumbilanz (statt bisher 93 Bäume werden nach Abschluss der Baumaßnahmen mindestens 145 Bäume im Umgriff stehen), die Festschreibung von Dachbegrünung sowie der hohe Bodenaufbau über den Tiefgaragen von bis zu 140 cm und Bemühungen im Bereich des Artenschutzes („Fledermausturm“ und Nistmöglichkeiten für Mauersegler).

Zweifel und Bauchschmerzen

Kritisch bewertet der BA dagegen die Zeitpunkte zur Beteiligung der Öffentlichkeit (Sommerferien) und der Behörden (Weihnachtszeit). „Sie erwecken den Eindruck, dass seitens der Stadt München eine Bürgerbeteiligung, die den Namen auch verdient, unerwünscht ist”, meint der BA.

Bauchschmerzen macht dem Bürgergremium auch die städt. Einschätzung der Verkehrsbelastung: Die Stadtplaner glauben, dass das Verkehrsnetz die zusätzlichen Verkehre aufnehmen kann. Die Gesamtentwicklung des Stadtbezirks (z.B. Wohnungsbau in Fürstenried-West und am EON-Gelände, Entwicklung am Ratzingerplatz) sei dabei zu wenig berücksichtigt worden, findet der BA. Anders als die Planer ist er überzeugt, dass die das Planungsgebiet umgebenden Straßen keine Aufnahmekapazität mehr haben. Das neue Quartier werde zusätzlich 5.750 Kfz täglich in der Boschetsrieder Straße verursachen. Der BA bezweifelt, dass diese Straße diesen zusätzlichen Verkehr und den durch weitere geplanten Bauten (z.B. Einkaufszentrum) aufnehmen kann.

Unbedingt müsse daher die Tramwesttangente vor Erstbezug der geplanten Gebäude einsatzfähig sein. Erneut betonte das Gremium, dass die U3 keine Kapazität verfügbar habe. Sie sei schon jetzt „ausgelastet, übervoll und zwar morgens und abend in beide Richtungen”. Besonders kritisch sei der Abschnitt zwischen Aidenbachstraße und Sendlinger Tor. Der BA 19 fordert deshalb weiterhin eine Taktverdichtung auf der U3.

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