Unter dem Motto „Gefühlserbschaften” hatte die Chorgemeinschaft Unterpfaffenhofen-Germering im Amadeus-Saal der Stadthalle zu einer Konzertlesung mit der Kinderärztin und Psychotherapeutin Dr. Eva Umlauf eingeladen. Eva Umlauf las aus ihrer Biografie „Die Nummer auf deinem Unterarm ist blau wie deine Augen”. Im Gespräch mit Moderator Bruno Lichtinger wurde das Vorgetragene erläutert und vom Vokalensemble Cantus Gaudium und dem Duo KlangZeit im musikalischen Dialog ergänzt.
„Ich erkenne meine Kinder kaum wieder, sie sind heute 46 Jahre alt oder älter”, sagte Eva Umlauf, als sie einer Gruppe Mütter im Publikum die Hände schüttelte, die damals mit ihren Kindern in ihre Germeringer Praxis kamen. Sie ist wieder da, an diesem Novemberabend, eine Frau die Herzlichkeit und Güte ausstrahlt, genau wie vor bald 50 Jahren, als man sie als Kinderärztin aufsuchte, ohne ihr Schicksal - ihre Geburt im Arbeitslager Nowaky und ihre Deportation ins Vernichtungslager Auschwitz - zu kennen. Diesen dunklen Lebensabschnitt ihren Germeringern näher zu bringen, war das Ziel der Konzertlesung. Mit „Caspars Reise” eröffnete KlangZeit den Abend. Fröhliche, flotte Passagen im Wechsel mit Melancholischem und Nachdenkliches zum Ende - eine vertonte Lebensreise. Cantus Gaudium knüpfte mit Tumbalalaika, einem Volks- und Liebeslied in jiddischer Sprache, daran an.
Als das Mikrofon an Eva Umlauf ging, erläuterte sie im Gespräch mit Bruno Lichtinger ihren Weg zur Buchautorin. Die Geburt dreier Kinder, die Arztpraxis, immer wieder wurde die Arbeit an ihrer Autobiografie begonnen und aufgeschoben, bis 2014 ein Herzinfarkt sie zwang, sich endlich ihrer eigenen Biografie zuzuwenden. Zu Beginn ihrer Lesung trug sie ein berührendes Gedicht vor, das der tschechische Dichter Jan Karsai, ein Freund, für sie verfasst hatte. Es führt in die verstörende Realität eines zweijährigen Kindes, das buchstäblich in der Hölle lebt und gipfelt in den Zeilen „die Nummer an deinem Unterarm ist blau wie deine Augen, wie der stumme Himmel über Nowaky”. Diesen Zeilen ist auch der Buchtitel ihrer Autobiografie entnommen. Danach ging die Autorin auf die Umstände im Lager ein, berichtete vom eiskalten Tag ihrer Geburt, wie ihn ihre Mutter ihr beschrieben hatte, von der Tätowierung mit der KZ-Häftlingsnummer Nummer A-26958 und der Zeit zwischen Leben und Tod in Ausschwitz. Die musikalischen Akzente zwischen den einzelnen Gesprächsabschnitten ließen das Gelesene und Gesagte umso eindringlicher nachhallen.
In ihren Schlussworten drückte Frau Dr. Umlauf den Wunsch aus, dass der blinden Weitergabe einer unsäglichen Last persönlichen Leids, Gefühlserbschaften wie sie es nennt, die von Generation zu Generation weitervererbt werden, ein Ende gesetzt wird. Dies geschieht indem das emotionale Erbe der Opfer, aber auch der Täter angenommen und bewusst bearbeitet wird.