Auf seiner Sommerpressekonferenz hat der Sozialverband VdK Bayern vor den Ferien sozialpolitische Bilanz gezogen. Im Mittelpunkt der Ausführungen von Verena Bentele, bayerische VdK-Landesvorsitzende und Präsidentin des VdK Deutschland, stand die Krankenhausreform. „Bayern hat den Anspruch, ein soziales Bundesland zu sein. Leider verliert sich die aktuelle Politik der Staatsregierung oft in einer grundsätzlich oppositionellen Haltung zur Bundesregierung, gepaart mit einer Neigung, den Erfolg im Populismus zu suchen“, so Bentele.
Bentele warf der Staatsregierung vor, notwendige strukturelle Veränderungen in der Krankenhauslandschaft Bayerns zu blockieren und mit dieser Haltung, die Versorgungssicherheit auf Dauer zu gefährden. Dass es Veränderungen geben muss, sei völlig unstrittig, so Bentele. Die meisten Bundesländer sind deshalb längst in konkretere Planungen für die Umgestaltung gegangen, etwa Nordrhein-Westfalen. Bayern wartet immer noch ab.
„Der kalte Strukturwandel könnte hier schnell Fakten schaffen“, warnte Bentele. 80 Prozent der bayerischen Kliniken rechnen im Jahr 2024 mit roten Zahlen. Schließungen, Verkäufe an privateTräger oder Fusionen finden längst statt. Die bayerische Krankenhauslandschaft ist von kleinen Häusern dominiert. 144 der insgesamt 351 Häuser haben weniger als 100 Betten.
„Im Süden des Freistaats stehen zudem erheblich mehr Kliniken als im Norden. So gibt es trotz eigentlich insgesamt ausreichender Zahl an Klinikbetten tatsächlich unterversorgte Regionen in Bayern“, so Bentele. Sie kritisierte die Staatsregierung für die Anhebung des Krankenhausförderetats von 643 auf 800 Millionen Euro in dieser politischen Phase des Umbruchs: „Das sind Steuergelder, die in Bauvorhaben einzelner Kliniken fließen, die den notwendigen Umstrukturierungen durch die Krankenhausreform möglicherweise nicht standhalten werden. Das ist Verschwendung.“
Der VdK spricht sich nicht pauschal für Klinikschließungen aus, betonte Bentele, sondern für eine sachliche Bestandsaufnahme: „Einziger Gradmesser für uns ist, was für Patientinnen und Patienten gut ist. Sie haben ein Recht auf eine zukunftsfähige und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung. Das von der Staatsregierung gerade praktizierte ‚Einfach weiter so‘ wird den Menschen in Bayern auf Dauer schaden.“ Die Ängste in der Bevölkerung um den Wegfall einer zuverlässigen Notfallversorgung müsse man jedoch ernst nehmen: „Wir fordern, die geplanten integrierten Notfallzentren, bestehend aus der Notaufnahme eines Krankenhauses, einer Notdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung und einer zentralen Ersteinschätzungsstelle, flächendeckend zu installieren und dafür die Chancen der Telemedizin, aber auch einer erweiterten Luftrettung zu nutzen.“
Positiv vermerkte Bentele in ihren weiteren Ausführungen, dass die Staatsregierung zwei VdK-Forderungen zur Landtagswahl umsetzen will: die Einführung eines bayerischen Gehörlosengelds und die Einrichtung einer Fachstelle für Barrierefreiheit. Sie appellierte an die Staatsregierung, Barrierefreiheit als Querschnittsaufgabe zu begreifen und nahm insbesondere das Bauministerium in den Blick. Weitere VdK-Forderungen, vom Recht auf einen Tagespflegeplatz, dem Sozialticket für 29 Euro bis zumTariftreuegesetz, gab sie der Staatsregierung mit auf den Weg in die Ferien.
Für die Bundesregierung geht es nach deren Sommerpause in das letzte Jahr vor der Bundestagswahl. „Ein scharfer Ton ist der Grundsound der Ampelregierung. Wir vermissen gerade in der Sozialpolitik das konstruktive Ringen um gute Lösungen“, so Bentele. Dies sei auch eine Ursache für die aus VdK-Sicht etwas enttäuschende sozialpolitische Bilanz: „Von ambitionierten und wichtigen Vorhaben wie der Kindergrundsicherung ist nur noch die Hülle übriggeblieben. Wesentliche Elemente der Reform von Hartz IV zum Bürgergeld werden gerade nach und nach wieder einkassiert. Die Pflegeversicherung ist im schweren Fahrwasser. Das Rentenpaket II verspricht nur in Teilen Stabilität und Fortschritt.“ Bentele sieht die wachsende gesellschaftliche Spaltung mit Sorge und fordert steuerpolitische Maßnahmen: „Dass Arme gegen noch Ärmere ausgespielt werden, alarmiert mich besonders. Diese Gegensätze sind konstruiert, sie spalten bewusst. Sie vernebeln die Diskussion und lenken von unserem eigentlichen Problem ab, der mangelhaften bis fehlenden Umverteilung von oben nach unten.“