Über "Das Gesamtkunstwerk im Stil von Jörg Immendorff" spricht die französische Autorin Catherine Millet am Dienstag, 22. Januar, um 19 Uhr, im Haus der Kunst, Prinzregentenstraße 1. Die Veranstaltung findet in französischer Sprache mit deutscher Simultanübersetzung statt. Tickets zu 5 Euro sind erhältlich an der Kasse und auf der Webseite www.hausderkunst.de
Dort ist noch bis 27. Januar 2019 eine Ausstellung mit Werken des Künstlers zu sehen. Erstmals nach dem Tod des Malers Jörg Immendorff (1945-2007) zeigt das Haus der Kunst eine Retrospektive aus rund 200 Werken die Komplexität in seinen Bildern, aber auch seine starke Persönlichkeit in einem größeren Zusammenhang.
„Welcher Künstler des 20. Jahrhunderts hat sich so radikal dem Abenteuer der Avantgarden ausgesetzt, bevor er sich schließlich als Malerfürst etablierte? Wer hat so viele kulturelle Zitate in sein Werk einfließen lassen, auf seinen Gemälden eine solche Unmenge historischer und zeitgenössischer Persönlichkeiten versammelt? Wer hat sein eigenes Leben und das des Kunstbetriebs so deutlich mit der Welt, wie sie ist, konfrontiert? Jörg Immendorff. Eines Tages betrat ich eines seiner Cafés – und seither nimmt es kein Ende damit, dass ich auf dem spiegelglatten Parkett dieser Gemälde immer wieder ausrutsche und von den Tischen abpralle“, sagt Catherine Millet über den Künstler Jörg Immendorff und sein Werk.
In den Café Deutschland-Bildern, auf die Millet sich in diesem Zitat bezieht, arbeitet sich Immendorff an der Politik seiner Zeit ab – es ist die Zeit der RAF und innenpolitischer Konflikte auf beiden Seiten der Mauer –, eine Wiedervereinigung scheint vollkommen außerhalb jeglicher Realität. In düsteren, theaterhaften Barszenen, die von Prominenten und Künstlern bevölkert sind, stellt Immendorff sich selbst meist als Grenzgänger zwischen Ost und West dar. Neben der klaren politischen Motivation zeigen die Bilder jedoch auch Immendorffs Gedankenwelt, in der Ideen über Zeit und Raum miteinander im Dialog stehen. 1998 erfährt Immendorff, dass er an ALS erkrankt ist. Seine Welt wird dunkler und sein Werk richtet sich zunehmend nach innen. Er arbeitet bis zu seinem Tod – am Ende nur noch mit Unterstützung von Assistenten, die seine Anweisungen im Atelier ausführen.
Die französische Autorin wird seit vielen Jahren auch als Kunstkritikerin und Expertin für moderne und zeitgenössische Kunst geschätzt. 1972 gründete sie die Kunstzeitschrift art press, für die sie als Chefredakteurin in Paris tätig ist. Darüber hinaus kuratierte sie internationale Ausstellungen, darunter 1995 die Biennale in Venedig. Einem breiten Publikum bekannt wurde Catherine Millet mit dem 2001 erschienenen, autobiografischen Buch „La vie sexuelle de Catherine M.“ (Das sexuelle Leben der Catherine M.). Zuletzt sorgte ein offener Brief in der Zeitung Le Monde, den sie gemeinsam mit neunundneunzig weiteren, teils prominenten Frauen unterzeichnete, für Aufmerksamkeit. In diesem Brief äußerten Millet und ihre Mitstreiterinnen scharfe Kritik an der Me-Too-Debatte und lösten damit kontroverse Reaktionen aus.
Im Anschluss an den Vortrag findet ein Gespräch mit dem französischer Kurator und Kritiker Thibaut de Ruyter statt, der seit 2001 in Berlin lebt und arbeitet. Eines seiner jüngsten Projekte ist eine Wanderausstellung für das Goethe-Institut in Osteuropa und Zentralasien: die Grenze, die die Trennlinie zwischen Asien und Europa in den ehemaligen Sowjetstaaten in Frage stellt. Thibaut de Ruyter ist seit 2003 der deutsche Korrespondent des Magazins art press.