Von Carsten Clever-Rott
In München kennt man das Spielchen schon. Jedes Jahr im Februar ist das Hotel Bayerischer Hof großräumig abgesperrt, die Zufahrt wird nur berechtigten Personen ermöglicht und so werden die Passanten mehr oder weniger freiwillig um das Tagungshotel herumgelotst, aus Sicherheitsgründen. Das sind die Nebenerscheinungen der Münchner Sicherheitskonferenz, die vom 15. bis 17. Februar stattfinden wird, zum 55. Mal.
"Siko" nennen ihre Gegner die Veranstaltung abschätzig, und dabei handelt es sich nicht um die Münchner, die sich in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt fühlen. Es ist das »Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz«, das deshalb in München aktiv ist, weil die Sicherheitskonferenz hier stattfindet. Allein die Bezeichnung sei schon purer Etikettenschwindel, wettert Claus Schreer vom Aktionsbündnis. Er ruft die Münchner dazu auf, gegen Aufrüstung, Militarisierung und wachsende Kriegsgefahr auf die Straßen zu gehen und damit ein Zeichen zu setzen, das auch die Konferenzteilnehmer hören sollen. Wie die Konferenz auch, findet die Demonstration in jedem Jahr statt und keine der beiden Seiten ist bereit, auch nur einen Zentimeter zurückzuweichen. Es käme einer Kapitulation gleich.
Am Samstag, 16. Februar, beginnt die »Demonstration gegen den Rüstungswahnsinn« um 13 Uhr mit einer Auftaktkundgebung am Stachus, um 14 Uhr startet der Protestzug über Lenbachplatz, Maximiliansplatz, Odeonsplatz und Max-Joseph-Platz zum Marienplatz, während sich eine Protestkette in der Fußgängerzone vom Stachus zum Marienplatz bildet. Auf diese Weise soll der Tagungsort nicht nur symbolisch umzingelt werden. Um 15 Uhr findet auf dem Marienplatz die Schlusskundgebung statt.
»Die Sicherheitskonferenz ist mitverantwortlich für Elend und Flucht«, klagt Schreer an. Die »mörderische Flüchtlingspolitik« müsse beendet werden. Damit meint Schreer Herstellung, Export, Stationierung und vor allem den Einsatz von militärischen Waffen, die auch in Deutschland produziert werden. Den Organisator der »Siko«, Wolfgang Ischinger, bezeichnet er als Cheflobbyist der deutschen Rüstungsindustrie - die wiederum auch im eigenen Land Geschäfte machen soll. So sollen die Rüstungsausgaben in Deutschland deutlich steigen. Dagegen will das Aktionsbündnis die Menschen mobilisieren, Schreer gibt sich kämpferisch: »Die Bundesregierung wird an uns scheitern.« Darum geht es auch bei der Demonstration am 16. Februar, zu der etwa 4.000 Menschen erwartet werden. So genau könne man das aber nie vorhersagen.
Ziel der Kundgebung sei es, die Menschen davon zu überzeugen, dass die Sicherheitskonferenz eine Rüstungskonferenz sei. Schreer bestätigt, dass es Kontakt zu Wolfgang Ischinger gebe und dass dem Aktionsbündnis eine Einladung zur Sicherheitskonferenz vorliege, die seit mehrere Jahren aber nicht angenommen würde. »Wir haben das immer abgelehnt, wir wollen nicht das NGO-Feigenblatt sein«, begründet der 80-jährige, ungebrochen streitbare Aktivist. »Wir glauben nicht, dass wir mit unserer Teilnahme irgendwas ausrichten können.«
Der Dialog stockt. Damit ist Gertrud Scherer nicht zufrieden. Sie gehört zu den Ausrichtern der 17. Internationalen Münchner Friedenskonferenz, die parallel zur Sicherheitskonferenz vom 15. bis 17. Februar stattfindet. Im Protestspektrum gebe es verschiedene Strömungen und Strategien, die sich zum Teil durch Konfrontation, zum Teil durch Dialog ausdrücken. So nutze die Friedenskonferenz die Gelegenheit, Beobachter zur »Siko« zu schicken.
Im Rahmen der Friedenskonferenz findet am Freitag, 15. Februar, um 19 Uhr, ein Internationales Forum im Alten Rathaus statt. Am Samstag, 16. Februar, folgt von 19 bis 21 Uhr eine aktuelle Diskussionsrunde im DGB-Haus (Schwanthalerstraße) mit dem Schwerpunktthema »Frieden und Gerechtigkeit in Afrika«. Den Abschluss bildet am Sonntag, 17. Februar, um 11.30 Uhr, ein Friedensgebet der Religionen im Pfarrsaal von St. Anna im Lehel.
In der Vergangenheit kam es im Verlauf des Protestzuges immer wieder auch zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die Münchner Polizei, die von Einsatzkräften aus dem ganzen Bundesgebiet unterstützt wird, betont jedoch ausdrücklich das Grundrecht auf friedlichen Protest und dessen Schutz. Ausschreitungen und Gewaltakte werde sie jedoch nicht tolerieren. In den vergangenen Jahren habe die Polizei allerdings gute Erfahrungen mit dem verantwortlichen Umgang der Versammlungsteilnehmer gemacht.
Wie viel von dem Geschehen vor der Tür bis zu den Teilnehmern der Sicherheitskonferenz durchdringt, ist unklar. Zu den Teilnehmern zählen in diesem Jahr Bundeskanzlerin Merkel, der französische Präsident Macron, der israelische Ministerpräsident Netanjahu sowie die Außenminister der USA, Russlands und Irans. Auch China entsendet in diesem Jahr mit Yang Jiechi einen hochrangigen Außenpolitiker. Sie alle werden am 16. Februar von einer Friedensdemo umzingelt - ohne es zu merken.