Ob Aufstiegsrelegation oder Abstiegskampf, glorreiche Siege oder finanzielle Engpässe: Die Fans der SpVgg Unterhaching sind Nervenkitzel schon seit langem gewohnt. Die ausklingende Saison 2018/19 dürfte dennoch einen besonderen Platz in der Historie einnehmen. Schließlich schafften es die Fußballer aus der Vorstadt, innerhalb nur einer Spielzeit gleich mehrere Rekorde zu brechen - positiv wie negativ.
Dank eines 3:0-Heimsiegs gegen die Sportfreunde Lotte darf die SpVgg auch in der kommenden Saison in der 3. Liga antreten. Das Minimalziel hat Haching trotz fürchterlicher Rückrunde also erreicht. "Was soll uns nach diesem Jahr noch umwerfen?", fragte Trainer Claus Schromm kürzlich in einem Interview rhetorisch. Wenn man davon ausgeht, dass Negativerlebnisse eine Mannschaft besonders zusammenschweißen, dürften Haching goldene Zeiten bevorstehen.
So mussten Spieler, Trainer, Vorstand und Fans im Jahr 2019 schwere Wochen durchstehen, wenngleich der Totalschaden ausblieb. Doch beginnen wir am Anfang: Nach einer soliden ersten Saison nach dem Wiederaufstieg in die 3. Liga schielte Haching im Sommer 2018 mit einem Auge auf die vorderen Ränge, wenngleich die Rückkehr in die 2. Bundesliga nicht als Saisonziel ausgegeben wurde. Mit Ulrich Taffertshofer hatte nur ein Stammspieler den Verein verlassen, dafür gab es mit dem erfahrenen Innenverteidiger Marc Endres sowie den drei Rückkehrern Markus Schwabl, Lucas Hufnagel und Dominik Widemann vielversprechende Neuzugänge. Der Start glückte mit einem 3:1-Sieg beim selbsternannten Aufstiegskandidaten KFC Uerdingen 05, nach weiteren Erfolgen über hochgehandelte Teams wie Wehen Wiesbaden oder Eintracht Braunschweig war Haching nach sechs Spieltagen sogar Tabellenführer.
Prompt setzte es zuhause gegen die Würzburger Kickers die erste Niederlage - "typisch Haching", würden viele Fans wohl sagen. Es folgte eine kuriose Serie von sieben Unentschieden am Stück - womit die Rot-Blauen den Drittliga-Rekord einstellten. Ebenfalls rekordverdächtig waren die anschließenden 16 Tore in drei aufeinander folgenden Spielen: 6:0 gegen Fortuna Köln, 5:4 in Jena, 5:0 gegen den "Altmeister" Kaiserslautern. Im Mittelfeld wirbelten Sascha Bigalke und Luca Marseiler, vorne knipste Stephan Hain fast nach Belieben, auch Stefan Schimmer blühte an Hains Seite auf und machte seinem Spitznamen "Bomber" kurzzeitig alle Ehre. In der kompletten Hinrunde blieb Haching - erstmals im Profifußball - auswärts ungeschlagen, an Weihnachten stand die Mannschaft auf Platz fünf, nur vier Punkte hinter den direkten Aufstiegsplätzen.
Doch dann folgte die Winterpause - und damit die Zäsur in dieser verrückten Saison. Nach zwei Spielabsagen kamen die personell unveränderten Hachinger nicht in die Gänge und verloren ihre ersten vier Partien allesamt. Einem glücklichen 1:0-Sieg in Würzburg folgte eine unfassbare Serie von acht Spielen ohne eigenes Tor und 821 torlosen Minuten - ebenfalls neuer Rekord in der 3. Liga. Ein Grund dafür mag die ebenso unerklärliche Verletztenmisere gewesen sein: Schon in der Hinrunde hatte sich Kapitän Josef Welzmüller das Kreuzbandriss gerissen, im Laufe der Rückrunde fielen Leistungsträger wie Hain, Marseiler, Bigalke, Endres oder auch Dominik Stahl ebenfalls mehr oder weniger lange aus. Mit vereinten Kräften rettete sich die SpVgg über die Ziellinie - und durfte einen Spieltag vor Saisonschluss den Klassenerhalt feiern. Falls es nach so einer Rückrunde überhaupt etwas zu feiern gibt... B. Schuldt