Von Carsten Clever-Rott
Dieser eine Moment, er ist zum Glück die Ausnahme. Er verändert das ganze Leben, zieht denen, die diesen Moment erleben müssen, regelrecht den Boden unter den Füßen weg. Es ist der Moment, in dem Eltern erfahren, dass das Leben ihres Kindes vom Tode bedroht ist. Der vorgezeichnete Lebensweg endet abrupt in einer Sackgasse, aus der die Betroffenen nur mit Hilfe von außen wieder herausfinden. Diese Hilfe leistet die Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München (Stiftung AKM).
Es kann die Diagnose einer lebensbedrohenden Krankheit sein. Auch ein schwerer Unfall kann Kinder an den Rande des Lebens zum Tod bringen. Eine solche Situation überfordert häufig die Eltern und das Umfeld. Niemand kann sich darauf vorbereiten und im Falle eines Falles eine Liste abarbeiten, um alles wieder ins Lot zu bringen. Auch die erfahrenen Familienbegleiter der Stiftung AKM nicht. Aber sie zeigen Wege auf, um mit der neuen Situation zurechtzukommen. Diese Situationen ähneln sich, aber: "Jede Geschichte ist anders, ist individuell", erklärt Irmgard Marchfelder. Die Sozialpädagogin hat die Leitung Kinderhospizarbeit bei der Stiftung AKM. In dieser Funktion betreut sie mehrere Familienbegleiter und deren Ausbildung. Wichtigste Voraussetzung für diese Menschen, die zu den betroffenen Familien gehen: "Sie müssen empathisch sein und Herzenswärme ausstrahlen", erklärt Marchfelder.
Die Bezeichnung "Hospiz" im Namen der Stiftung führt schnell zum Begriff "Sterbebegleitung". Aber genau das Gegenteil will die Stiftung leisten, die vor 15 Jahren vom Ehepaar Christine und Florian Bronner in München gegründet wurde. Es soll Lebensbegleitung sein, gemeinsam mit den Familien den Weg zurück zum "normalen" Leben finden. Das erfordert oft gar nicht mal so viel Aufwand, aber großen Einsatz. "Unsere ehrenamtlichen Familienbegleiter spenden Zeit, entlasten die Familien, sind einfach da fürs Gespräch, bereiten den kranken Kindern schöne Momente. Sie schaffen Freiheiten." Was sie nicht können und nicht sollen, sind pflegerische oder medizinische Aufgaben zu erfüllen. Sie sollen nicht die Arbeit im Haushalt oder im Briefwechsel mit Institutionen und Behörden abnehmen. "Unsere ehrenamtlichen Familienbegleiter spenden Zeit, entlasten die Familien, sind einfach da fürs Gespräch, bereiten den kranken Kindern schöne Momente. Sie schaffen Freiheiten." "Wir fördern nicht und fordern nicht", erläutert Marchfelder. Die Eltern sind für alles, was sie tun und was sie nicht tun, selbst verantwortlich. Die Familienbegleiter und die Stiftung AKM schaffen für die wichtigen Aufgaben den nötigen Raum und zeigen Wege auf. Die bestens vernetzte Stiftung weiß, wo die Familien geeignete Unterstützung finden. Wichtig: Die Familien müssen den ganz Weg eigenständig gehen. Die Stiftung AKM begleitet die Familien und zeigt ihnen mögliche Wege auf.
Das beginnt schon bei der Kontaktaufnahme. Hier muss die Initiative von den Eltern ausgehen. Für sie ist das oft eine große Hürde: "Man lässt damit jemanden in seine Familie", so Marchfelder. Das erfordert großes Vertrauen, doch es funktioniert. Eltern, so erklärt die Sozialpädagogin, holten für ihre Kinder viel schneller Hilfe von außen als für sich selbst.
Steht der Kontakt, so folgt ein persönliches Gespräch bei den Familien zuhause. Dabei werden immer beide Elternteile einbezogen. Auf der Grundlage dieses Gesprächs sucht Irmgard Marchfelder einen geeigneten Familienbegleiter oder eine geeignete Familienbegeleiterin aus. Die Aufgabe: begleiten und das System "Familie" auch unter den neuen Bedingungen erhalten. Das ist extrem anspruchsvoll. Denn die Arbeit ist für die Familienbegleiter eine psychische Herausforderung. "Jede Situation ist anders. Wir wissen nicht, was uns erwartet, wenn wir zu den Familien gehen." Die Konfrontation mit dem Tod kann eine große Belastung sein, in der die Familienbegleiter von der Stiftung AKM psychologisch unterstützt und betreut werden. Dennoch: "Es ist eine unglaublich bereichernde Arbeit." Eine Arbeit, die man nicht ohne entsprechende Ausbildung ausüben kann und darf. Die Stiftung AKM bietet dazu entsprechende Schulungen an.
Wann immer ein Familienbegleiter seine Aufgabe antritt, teilt er mit den Eltern die große Hoffnung auf ein glückliches Ende. So wie bei den Geschwistern, die aufgrund einer genetischen Vorbelastung beide an Leukämie erkrankt waren. Beide konnten geheilt werden. Damit endet die Familienbegleitung nicht. "Wenn der Alltag wieder Struktur hat, kann man abschließen." Das gilt besonders dann, wenn das glückliche Ende nicht eintritt.
Wie bei dem Wunschkind, bei dem nach der Geburt eine schwere Erkrankung festgestellt wurde. Die Eltern hatten sich auf ein gemeinsames Familienleben gefreut und vorbereitet. Alles kam anders. Das Kind überlebte nur zweieinhalb Monate. Alle Pläne, Wünsche und Ideen waren mit dem Kind gestorben. Doch die Familienbegleitung hatte dem Elternpaar in dieser Zeit helfen können. "Wir konnten nicht gut machen, was geschehen war, aber es war rund", beschreibt Marchfelder, dass Familienbegleitung auch im schlimmstmöglichen Verlauf sinnvoll und hilfreich ist.
"Aus eigener Erfahrung wissen wir, wie wichtig es ist, in dieser schweren Zeit Unterstützung zu erhalten", sagt Stifterin Christine Bronner, die für bessere Gesetze und für eine bessere Finanzierung der Kinderhospizarbeit kämpft. Ihr großes Ziel ist die komplette Finanzierung der Arbeit durch die Krankenkassen und den Staat. Bis es so weit ist, ist die Stiftung weiterhin auf Spendengelder angewiesen, denn rund drei Viertel der Arbeit werden durch Spenden finanziert. Die begleiteten Familien müssen nichts zahlen. Für sie ist ihre Situation ohnehin schon belastend. Unterm Strich bedeutet das, die Finanzierung erfolgt auf jedem denkbaren Weg durch die Gesellschaft. Jede einzelne Minute, in der ein Kinderleben bereichert wird und in der Eltern Solidarität und Hilfe erfahren, sollte es dieser Gesellschaft ganz einfach wert sein.
Weitere Informationen über die Stiftung AKM gibt es online auf www.kinderhospiz-muenchen.de