Liebe Leser*innen des Bogenhausener Anzeigers,
einmal vor Jahren in einer Weihnachtspredigt gehört, hat sich dieser Satz tief in mein Gedächtnis eingegraben. Weil er so eingängig ist, aber auch weil er so überraschend, kurz und knapp die ganze christliche Botschaft von Weihnachten zusammenfasst: „Mach´s wie Gott - werde Mensch!”
Kürzer als mit diesen fünfeinhalb Worten kann man es nicht sagen, was den Kern der Weihnachtsbotschaft – ja unseres ganzen christlichen Glaubens ausmacht: Ich glaube nicht an einen Gott, der aus wohlgewählter Distanz auf uns herabblickt und uns und unser Leben kritisch betrachtet. Für mich ist Gott eine Kraft, eine Hoffnung und eine Liebe, die ich in dieser Welt erfahren kann.
Denn in einem Menschenkind ist Gott zur Welt gekommen. Furchtlos, wehrlos, neugierig, staunend, hungrig und offen für das Leben. In diesem Jesus, in dem Kind in der Krippe, gibt sich Gott zu erkennen. In dem jungen Mann aus Nazareth, der den Menschen damals und heute Augen, Ohren und Herzen öffnet. Der befreit hat aus Ängsten und aller Selbstbezogenheit, der Mut gemacht hat zur Veränderung und zum Aufbruch und der mit großer Offenheit und Liebe auf Menschen zugegangen ist.
„Mach´s wie Gott - werde Mensch!” Es ist eine paradox formulierte Aufforderung es Gott nachzumachen und der zu werden, der wir eigentlich sind. Nicht: „Mach´s wie Jesus – werde göttlich!” sondern „Mach´s wie Gott und werde menschlich”.
Das ist eine ermutigende Aufforderung zur Menschlichkeit, zur gelebten Mitmenschlichkeit. Das ist eine Einladung im Gegenüber sich selbst zu erkennen: Die eigene Bedürftigkeit, die Sehnsucht nach Freiheit und Gerechtigkeit und den Wunsch nach Frieden.
Menschlich sein, das bedeutet laut und deutlich für Schwache und Bedrängte Partei zu ergreifen, Barmherzigkeit zu leben, Vielfalt zu wollen und der Wahrheit zu dienen. Menschlich sein, das heißt für mich auch zu den eigenen Gefühlen zu stehen, Fehler machen zu dürfen, schwach sein zu dürfen, eine Würde zu haben und akzeptiert sein zu wollen, so wie ich bin.
„Je mehr Raum wir Gott lassen, desto menschlicher wird die Welt”, so fasst der katholische Altbischof Franz Kamphaus seine Erkenntnis zusammen. Franz Kamphaus ist es übrigens auch, auf den der Satz „Mach´s wie Gott - werde Mensch!” vermutlich zurückgeht. Er hat für eine menschliche Gesellschaft und Kirche gekämpft. Er war neben anderem bekannt für seinen Widerstand gegen die rigide Haltung des damaligen Papstes Johannes Paul II. zur Schwangerschaftsberatung – und er war es auch, der 2019 in einer sehr persönlichen öffentlichen Erklärung seine Schuld dafür bekannt hat, nicht entschiedener den Missbrauchsvorwürfen in seinem Bistum nachgegangen zu sein.
Ja, es braucht gerade jetzt in diesen wirren Zeiten Menschen, die sensibel bleiben, wo Unrecht geschieht, die spüren, wenn die Wahrheit verbogen wird und die sich ihre Sehnsucht nach Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit nicht nehmen lassen.
Ein frohes Weihnachtsfest, bei dem es wahrhaft menschelt, wünscht Ihnen Ihr
Pfarrer Markus Rhinow