Marcus Everding über sein neues Stück und die Zusammenarbeit mit der Ayinger-Gmoa-Kultur. Herr Everding, Sie haben für die Ayinger-Gmoa-Kultur jetzt ihr viertes Stück geschrieben und führen auch wieder Regie. Worum geht es bei »Menscha Worte für Theres«?
Everding: Der größte Teil des Stücks geht über die Beziehung der Theres zum Bauern und zum Knecht. Das Haberfeldtreiben habe ich mehr als Anlass genommen. Natürlich geht es darum, es im Stück zu positionieren, aber es wird der kleinste Teil sein. So habe ich die Möglichkeit, dass sich der Zuschauer nicht mit dem historischen Phänomen während des Stückes beschäftigt, sondern mit einer Figur, der Theres. Und das ist ja meines Erachtens der Sinn von Theater.
Bei Emmeram war der Stoff eine Heiligenlegende. Das Haberfeldtreiben ist ein Stoff aus dem Brauchtum, also diesmal kein religiöser.
Everding: Für mich ist es durchaus auch ein religiöser Stoff. Es steht außer Zweifel, dass die Theres, indem sie mit dem Bauern anbandelt, um Bäuerin zu werden, Schuld auf sich lädt. Mich interessiert der Umgang mit der Schuld, da kann ich einen historischen, da kann ich einen heutigen Stoff nehmen. Fest steht, jemand muss nach den Gesetzen seiner Zeit schuldig sein. Wie geht die Gemeinschaft mit Schuld um? Und wie geht der Schuldige mit seiner Schuld um? Und das ist bei »Menscha« das religiöse Thema. Darin liegt für mich der religiöse Aspekt sagen wir der christliche Aspekt oder der abendländische.
Ihre Stücke sind für ihre besondere Form und ungewöhnlichen dramaturgischen Elemente bekannt. Wie sind Sie bei »Menscha« vorgegangen?
Wenn ich ein Stück schreibe, nehme ich mir vergleichsweise wenig vor. Also, ich weiß das Thema. Das hat mir ja die Ayinger-Gmoa-Kultur gestellt. Ich weiß, dass ich kein Volksstück schreiben werde: 1. Akt Bauernstube, 2. Akt auf dem Feld und 3. Akt wieder Bauernstube. Ich muss ein Stück schreiben, das eine ganz eigene Form hat, die nichts mit dem zu tun hat, was man gewöhnlich im Fernsehen gut zu besichtigen unter Volkstheater versteht. Ich möchte das eher in die Richtung machen wie Thoma in Magdalena oder wie Hebbel, der auch Volksstoffe genommen hat. Und dann wusste ich irgendwann, dass ich das bayerische Volksstück mit dem griechischen »Volksstück« verbinden wollte, also mit dem griechischen Stück in seiner ursprünglichen Form, wie es bei den Dionysosfesten aufgeführt wurde. Dazu gehört zwingend der Chor. Das hat mich sehr gereizt, die mythische Welt und die Welt des Volksbrauchtums zu verbinden. Die Frage, ob es gelänge, habe ich mir ein halbes Jahr immer wieder gestellt. Im Stück gibt es nicht nur einen griechischen Sprechchor, also fünf Leute, die chorisch sprechen, sondern es gibt auch vier verschiedene Ichs von der Theres, die mit ihr auf der Bühne stehen. Diese vier Ichs spielen für sie jeweils die Situationen mit ihren Bezugspersonen. Das hat viel damit zu tun, dass heute die Psychologie davon ausgeht, dass wir »multiple Persönlichkeiten« sind. Denn wir haben natürlich ein anderes Rollenverhalten ich sage ganz bewusst Rollenverhalten , wenn wir mit unterschiedlichen Menschen reden. Und daher ist mir die Idee mit den unterschiedlichen Ichs gekommen.
Sie bringen »Menscha Worte für Theres« in Aying mit Laienschauspielern auf die Bühne. Das ist vermutlich ein anderes Arbeiten als mit Profis.
Ja. Aber da muss man sagen, im Fall von der Ayinger-Gmoa-Kultur oder meinen Helfendorfern, wie ich sie immer nenne, ist es mir den in letzten fünf Jahren gelungen, eine so dichte Atmosphäre aufzubauen, dass ich mit Überraschung merke, die können es schon. 2004 musste ich wesentlich mehr Gespräch führen, wesentlich mehr Grundlagen erarbeiten. Heute komme ich im Grunde auf die Probe und liefere Hinweise. Es ist Arbeiten wie mit Profis. Da sehe ich eigentlich gar keinen Unterschied mehr außer dem, dass ich mit ihnen keine Klassiker machen würde. Aber Stoffe, die mit ihnen selber was zu tun haben, das können sie.
Was bedeutet Ihnen die Zusammenarbeit mit der Ayinger-Gmoa-Kultur?
Für mich ist wohl am wichtigsten, dass Helfendorf mich zum Schreiben zurückgebracht hat. Als Zwölfjähriger hatte ich mich darin versucht. Aber wenn ich nicht auf Michl Wöllinger, den Vorsitzenden der Ayinger-Gmoa-Kultur, getroffen wäre, als er einen Regisseur für Emmeram suchte, wäre ich nie zum Schreiben zurückgekommen.
Werden Sie diese Zusammenarbeit fortsetzen?
Ja. Aber wir müssen sicherlich über Terminierungen reden. Wenn ich in Andechs am 19. Juni Premiere haben werde, und dann habe ich am 9. Juli in Aying Premiere, also das ist ein bisschen eng. Ich freue mich aber schon sehr drauf, wenn es weiter geht. Angeblich hat Wöllinger ja schon wieder ein neues Thema.
Das Interview führte Elisabeth Schwarz-Mehrens