„Eltern, die sich die Frage stellen, ob eine Ganztagsklasse die richtige Wahl für ihr Kind ist, sollten sich vor dieser wichtigen Entscheidung gut informieren“, empfiehlt die Schulpsychologin und Leiterin der Abteilung Berufswissenschaften im Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV), Simone Fleischmann. „Es gibt darauf keine allgemeingültige Antwort, denn jedes Kind ist anders. Was für das eine gut ist, muss für ein anders nicht richtig sein.“ Es sei wichtig, sich über die eventuell in Frage kommende Schule genau zu informieren. Wie sieht das schulische Konzept aus? Welche pädagogischen Schwerpunkte werden gesetzt? Welche sozialen Ziele verfolgt? „Grundsätzlich sinnvoll ist ein Gespräch mit der derzeitigen Lehrkraft des Kindes“, meint die BLLV-Expertin. „Fragen Sie nach, was sie von dem Ganztagsangebot für Ihr Kind hält.“
Ganztagsklassen bieten nach Angaben des BLLV oftmals zusätzliche Förderstunden an. Offenes, projektorientiertes und freies Arbeiten oder Wochenplanarbeit finden statt. Häufig sind die Hausaufgaben reduziert. Großen Wert wird in der Regel auf die intensive Zusammenarbeit mit den Eltern gelegt. Die Schulen verfügen über individuelle Förderpläne und bieten Kooperationen mit externen Experten an. Vielfach stehen künstlerische, musische, kreative und handwerkliche Projekte zur Wahl. Im Mittelpunkt steht das soziale Lernen. Fleischmann: „Die Schülerinnen und Schüler ‚leben’ in der Klassen zusammen, der Bildungsbegriff ist ganzheitlich, er umfasst schulisches und soziales Lernen.“
Gebundene Ganztagsschulen oder -klassen unterscheiden sich von offenen ganz erheblich: In gebundenen Angeboten werden die Schüler über den ganzen Tag verteilt unterrichtet. Der Unterricht ist rhythmisiert, das heißt Lern- und Entspannungsphasen wechseln sich ab. In offenen Ganztagsangeboten hingegen wird der Unterricht der Pflichtfächer am Vormittag angehalten, nachmittags können die Schüler verschiedene Angebote wählen.„Eine Entscheidung sollten Eltern nicht ohne ihr Kind treffen“, so Fleischmann. Sie könnten gemeinsam eine Informationsveranstaltung besuchen. Viele Ganztagsklassen können auch „besucht“ werden, es gibt Hospitationswochen, in denen Kinder „schnuppern“ können. Vor allem Grundschüler/innen können sich oft nicht vorstellen, was sie erwartet“, erklärt die BLV-Expertin. Umso wichtiger sei es dann, sie in den ersten Wochen und Monaten in der Ganztagsklasse zu beobachten und immer wieder Hilfen anzubieten, zu motivieren und zu begleiten. „Die Umstellung von ‚halbtags auf ganztags’ kostet den Kindern viel Kraft und sie müssen sich an diese ganz andere Form von Unterricht und Schule gewöhnen. Haben sie sich eingelebt, genießen es die ‚Ganztagskinder’ gemeinsam zu essen, sie haben Spaß an den Projekten, wollen ihre Schule gestalten und haben so auch wieder Lust zu lernen.“
Unabhängig davon, für welche Form sich Eltern entscheiden, sollten sie sich folgende Fragen stellen:
- Fällt es meinem Kind leicht, Freunde zu finden? Welche Kontakte hat es außerhalb der Schule? Bestehen soziale Defizite und könnte die Ganztagsklasse neue Bindungen ermöglichen?
- Hat mein Kind Freude an Projekten? Mag es gerne kreativ tätig sein? Gefällt es ihm, zusammen mit anderen Kindern in der Gruppe zu arbeiten?
- Ist die Hausaufgabensituation belastend? Lernt mein Kind lieber mit „Fremden“? Welche Lern- und Arbeitsstrategien pflegt mein Kind? Ist das Erlernen der Selbstständigkeit ein zentrales Anliegen?
- Hat mein Kind Defizite im Bereich der Sprache, des mathematischen Verständnisses oder des Lernen Lernens? Könnten diese Defizite gut durch zusätzliche Förderangebote der Schule gedeckt werden?
- Welches Unterstützungsangebot können wir als Eltern machen? Welchen nachmittäglichen Aktivitäten geht mein Kind nach? Welche Bildungsziele verfolgen wir als Eltern bei unserem Kind?