Veröffentlicht am 03.06.2009 13:16

„Natürlich gibt es Unsicherheiten“


Von SB

Die jüngsten Wahlen haben das Land Bayern verändert. Jahrzehnte hat die CSU in Bayern alleine regiert, seit einem halben Jahr muss sie sich die Macht mit den Liberalen teilen. Im Koalitionsvertrag hat die FDP unter anderem durchgesetzt, dass sich die Lesben und Schwulen des Landes – wie alle anderen Paare auch – künftig im Standesamt trauen können. Bislang waren in Bayern die Notare für die „Verpartnerung“ der Gleichgeschlechtlichen zuständig, wie der Akt im offiziellen Juristendeutsch heißt. Im Sommer wird das Lebenspartnerschaftsgesetz von 2001 nun auch in Bayern so umgesetzt wie einst von der rot-grünen Regierung vorgesehen. Notare und Standesämter werden dann parallel zuständig sein.

Münchens Standesbeamte – 51 sind es an der Zahl – stellt die Gesetzesnovelle vor eine neue Herausforderung. Um den Umgang mit lesbischen und schwulen Paaren zu lernen, schickt die Stadt München ihre Beamten auf Fortbildung. Im eintägigen Workshop „Grundwissen Gleichgeschlechtliche Lebensweisen“ vermitteln die Lesbenberatungsstelle LeTRa und das Schwulenzentrum Sub gemeinsam Grundkenntnisse; die Organisation der Tagungen trägt die städtische Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen.

Eine Liebe wie jede andere

„Natürlich gibt es da Unsicherheiten“, sagt Sub-Berater Sascha Hübner, der die Kurse zusammen mit den Kolleginnen Ulrike Mößbauer und Diana Horn von LeTRa hält. „Klischees und Stereotypen versuchen wir abzubauen“, sagt der Diplom-Psychologe. „Die Beamtinnen und Beamten können in ihrer Arbeit auf ihren gesunden Menschenverstand vertrauen, wenn sie ein paar Kleinigkeiten beachten. Schließlich geht es hier wie sonst auch um die Liebe zweier Menschen zueinander.“

Im Rahmen des eintägigen Workshops geben die beiden Berater zunächst Einblick in das Leben homosexueller Menschen, den Coming-Out-Prozess, und die Diskriminierung, die Lesben und Schwule auch heute noch ihrer sexuellen Orientierung wegen vielfach erfahren – sei es im privaten oder beruflichen Umfeld. Speziell auf die Standesbeamten zugeschnitten ist der zweite Teil des Fortbildungspakets, der sich mit der eigentlichen Zeremonie, der Etikette, der Wortwahl oder der Ringübergabe beschäftigt. „Hier ist der Beratungsbedarf wirklich groß“, sagt Hübners Kollegin, die Sozialpädagogin Mößbauer. „Viele wissen nicht einmal, ob sie die Wort ‚lesbisch’ oder ‚schwul’ gebrauchen dürfen.“

LeTRa und Sub bieten das „Grundwissen Gleichgeschlechtliche Lebensweisen“ seit einigen Jahren an, geschult haben die beiden Berater bereits in unterschiedlichen Sozialeinrichtungen. Jungen- und Mädchenarbeit, Altenpflege, Behindertenbetreuung – die Liste der Sozialinstitutionen ist lang, denen es an spezifischem Wissen um das Leben Homosexueller fehlt. Auf die Bedürfnisse jeder einzelnen Einrichtung gehen Sub und LeTRa ein; auch Unternehmen können das Angebot der beiden Beratungsstellen nutzen. „Der Bedarf für solche Fortbildungen ist da”, sagt Hübner. „Oft stellen die Teilnehmer überrascht fest, dass sie von schwullesbischen Themen sehr wenig wissen.“ Das trifft offenbar auch auf die Standesbeamten der Stadt München zu.

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